MYVU Imiki: Diese Brille erweitert die Realität, aber mit Schwächen

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Die MYVU Imiki verspricht eine Erweiterung der Realität im Alltag. Die unauffällige Brille trägt sich angenehm und liefert wesentliche Informationen ins Sichtfeld seiner Nutzer. Allerdings zeigen sich im Test einige erhebliche Schwächen.
MYVU Imiki
MYVU ImikiBildquelle:

Smarte Device, insbesondere smarte Armbänder und Uhren, sind bei vielen Nutzern fester Bestandteil des Alltags. Und schon länger setzen Hersteller auf smarte Brillen, die einen ähnlichen Siegeszug antreten sollen. Das gilt auch für den chinesischen Hersteller Meizu, der unter der Marke MYVU eine erste Brille, die MYVU Imiki, für die erweiterte Realität oder auch Augmented Reality (AR) vorstellt.

MYVU Imiki: Bildschirm auf den Brillengläsern

Die auf den Namen Imiki getaufte Brille erinnert auf den ersten Blick an die Headliner von Meta und Ray-Ban. Das beginnt schon bei der Form, die ebenfalls an eine klassische Brille angelehnt ist, wobei auch hier die Bügel aufgrund der darin steckenden Technik etwas dicker auftragen. Das Gewicht ist mit nicht mal 45 g allerdings angenehm niedrig. Auch darüber hinaus ist der Tragekomfort gut, die Bügel mit einer Länge von 15 cm sorgen für einen guten Sitz. 

Anders als die Ray-Ban-Brille soll die Imiki allerdings kein schmückendes Beiwerk mit der Verbindung zum Sozialen Netzwerk sein. Als ein Assistent will die Brille ihren Träger unterwegs mit wichtigen Informationen versorgen und natürlich an eine KI anbinden. Dazu sitzt in ihren Gläsern jeweils eine Displayfläche, die jeweils von einer grünen Lichtquelle im linken und rechten Brillenrand gespeist werden. 

Schon äußerlich sind die beiden Displays in den Gläsern zu erkennen. Sie bleiben aber auch für den Brillenträger sichtbar. An der Displayschicht bricht sich immer wieder das einfallende Licht, was zu konstanten, aber immer wieder wechselnden Einflüssen im Sichtfeld des Nutzers führt. Das Bild wirkt subjektiv minimal unscharf und wird immer wieder von aus Reflexionen resultierenden Lichtstreifen durchbrochen, die vorwiegend in Blau und Grün aufleuchten. Dieser Effekt zeigt sich nicht nur, wenn der Bildschirm aktiv Inhalte anzeigt, sondern auch dann, wenn die Displays inaktiv sind.

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Die Inhalte werden mit einer grünen Lichtquelle auf die Gläser projiziert

MYVU Imiki auch im Sonnenschein leuchtstark

Allerdings solltest du kein Feuerwerk an grafischen Darstellungen erwarten. Die Informationen werden in einem kräftig leuchtenden Grün auf den Brillengläsern angezeigt und bestehen lediglich aus einfachen Symbolen und Schrift. Die leuchtende Schrift ist nicht zuletzt deswegen notwendig, weil die Gläser ohne jedwede Tönung auskommen. Insbesondere im prallen Sonnenschein wird die volle Leuchtkraft benötigt. Die Hand wird zwar immer mal wieder als Schattenspender benötigt, grundsätzlich ist die Ablesbarkeit aber auch in sehr hellen Umgebungen gegeben.

Apropos Lesbarkeit: Die Brille kann aktuell ausschließlich von Nutzern mit gesunden Augen genutzt werden. Korrekturgläser stehen derzeit nicht zur Verfügung, sie wurden aber vom Hersteller bereits in Aussicht gestellt.

Smartwatch im Brillenformat

Der hinter MYVU-Brille stehende Hersteller Meizu zählt in China zu den großen Smartphone-Herstellern, auch wenn diese nicht mehr in Europa angeboten werden. Diese Ursprünge merkt man der Brille an. Die gebotenen Funktionen erinnern an die Smartphone-Erweiterung am Handgelenk – auch wenn sie längst nicht so weit optimiert sind. Denn das Angebot an Apps und Diensten, das mit der Imiki genutzt werden kann, ist begrenzt. 

Zunächst muss die Brille eingerichtet werden. Dazu setzt der Hersteller auf Bluetooth sowie eine App, die über die Stores von Apple und Google bereitgestellt wird. Die Verbindung der Gerätschaften geht gewohnt einfach von der Hand. Allerdings sind die Möglichkeiten, die sich im Anschluss bieten, begrenzt und erinnern an einfache Smartwatches. Für die Steuerung setzt der Hersteller auf eine Touch-Fläche auf dem rechten Brillenbügel. Die Eingaben werden präzise, aber etwas langsam umgesetzt.

MYVU Imiki
MYVU Imiki: Die Lautsprecher sitzen in den Bügeln der Brille

Begrenzter Funktionsumfang

Auf dem vor den Augen des Nutzers präsentierten Startbildschirm wird der Akkustand und die zurückgelegten Schritte angezeigt. Daneben findet sich die aktuelle Außentemperatur und ein Button, der zu den zur Verfügung stehenden Anwendungen führt. Allerdings hält sich das Angebot auch hier in Grenzen. Das beginnt schon bei der Wiedergabe von Musik. Hier wird automatisch der Standardplayer des jeweiligen Smartphones eingebunden, den viele Nutzer wahrscheinlich kaum noch kennen. Die Möglichkeit, sich zu einem Streaming-Anbieter wie Spotify zu verbinden, besteht nicht. Selbst die KI-Assistenz kann da nicht weiterhelfen.

Beim Spaziergang enttäuschen allerdings die im Bügel integrierten Lautsprecher. Dem Klang fehlt es an Volumen. Die Höhen und Tiefen sind nicht sonderlich stark ausgeprägt. 

Übersetzer kann nicht vorlesen, KI-Assistent kann kein deutsch

Spätestens bei der Einbindung der Übersetzungsfunktion und des KI-Assistenten, Aicy genannt, wirkt die Entwicklung der Brille zumindest für hiesige Breitengrade nicht abgeschlossen: Während die App größtenteils ins Deutsche übersetzt wurde, bleibt es bei der Software der Brille bei Englisch. Immerhin wird bei der Übersetzungsfunktion Deutsch als Sprache unterstützt. Und sie kann durchaus überzeugen. In Zusammenarbeit mit dem Smartphone kann die MYVU-Brille auch Dialoge von Filmen als übersetzten Text auf den Brillengläsern anzeigen. Im Vergleich mit einem Smartphone ist der Übersetzer auf der Brille dennoch eingeschränkt: Während entsprechende Apps auf dem Smartphone auch den übersetzten Text vorlesen können, bleibt es bei der Brille bei optischen Einblendungen.

KI ist gerade der Hype der Stunde. Aktuell wird bei nahezu jedem elektronischen Gadget ein smarter Assistent versprochen. So auch bei der MYVU Imiki. Allerdings zeigt sich auch hier, dass die Brillen-Software und der darin verknüpfte Assistent nicht ganz ausgereift sind: Er ist der deutschen Sprache (noch) nicht mächtig.

Dafür ist eine andere Funktion zwar nicht wirklich smart, kann aber im Alltag durchaus hilfreich sein: Mit dem Prompter können Texte auf die Displays der Brillengläser gebracht werden. Allerdings musst du auch hier mit Einschränkungen leben. Die Texte selbst können zwar problemlos über die App geladen werden, allerdings nur im .txt-Format. Dennoch kannst du auf diese Weise rudimentäre To-Do-Listen und Notizen direkt vor dem Auge halten.

Straßen, die es nicht gibt

Neben der Möglichkeit sich fremdsprachige Texte einfach übersetzen zu lassen, wirbt der Hersteller mit der Navigationsfunktion. Wer sich davon locken lässt, wird allerdings schnell enttäuscht. Das beginnt schon damit, dass die Funktion relativ oft die Verbindung verliert und dann einfach einfriert. Erst nach einem Aktualisieren wird der Standort und das Ziel wieder überein gebracht.

Wie kleine Kinder kann die Navi-App in vielen Fällen nicht rechts von links unterscheiden. Sie beschreibt zwar den richtigen Weg, weist aber in die falsche Richtung. Oder sie führt dich in die richtige Straße, erkennt aber nicht, dass du die Straße erreicht hast und führt dich wieder hinaus. Das kann man nur dann mit einem Schmunzeln abtun, wenn das eigentliche Ziel nicht in der jeweiligen Straße liegt. Gänzliche Verwirrung wurde schließlich gestiftet, als Brücken- zu Straßennamen wurden. In ihrem aktuellen Leistungsspektrum lässt sich die Navigation im Prinzip nur Ortskundigen empfehlen.

MYVU Imiki
Unter der Touch-Fläche sitzen der USB-C-Port und die Power-Taste

Laufzeit könnte länger sein

Zum smarten Begleiter über den Tag hinweg eignet sich die intelligente Brille von Meizu noch aus einem anderen Grund nicht: Wird sie stark in Anspruch genommen, schmelzen die Energiereserven. Allein, wenn nur eine Stunde Musik gehört wird, sinken sie um 30 Prozentpunkte. Auch die Navigation treibt die Reserven schnell an Grenzen. Nach einer Stunde wurde der Füllstand des Brillen-Akkus in der App noch mit 55 Prozent ausgegeben. Wer als hofft, die Brille für ausgiebige Wanderungen oder Fahrradtouren, aber auch auf Autofahrten nutzen zu können, wird also enttäuscht.

Fazit zur MYVU Imiki

Die MYVU Imiki zeigt grundsätzlich, welchen Mehrwert smarte Gläser künftig liefern können. Sie kann die Realität mit zusätzlichen Informationen anreichern. Doch die Umsetzung bedarf noch einiges an Feinschliff. Die Brille bietet eine gute Verarbeitung und einen ebenso guten Tragekomfort, auch über lange Zeiträume. Die Software, insbesondere die Navigation, ist jedoch eine Katastrophe. Hinzu kommt der wilde Mix aus Deutsch und Englisch. Offensichtlich wurde zumindest die Software in Teilen mit heißer Nadel gestrickt. Da bleibt nur zu hoffen, dass noch ein Update nachgereicht wird, das Verbesserungen bringt. Denn Käufer sollten sich auch so darüber klar sein, bei smarten Brillen steht die Entwicklung immer noch am Anfang. Das rechtfertigt den Listenpreis von 599,90 Euro aber auch nicht.

Pro

  • Eine AR-Brille, die die Realität mit Informationen anreichert
  • Gute Verarbeitung
  • Guter Tragekomfort

Contra

  • Navigation mit vielen Fehlern
  • Begrenzte Anzahl von Diensten
  • Displays sorgt für Lichtbrechungen im Sichtfeld
  • Für Sehbeeinträchtigte nicht verwendbar
  • Teuer

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