Frisch überführt steht er vor mir, der Kia e-Soul (2022). Und mein erster Gedanke ist: „Wow, fesche Farbe!“ Denn das mir übergebene Test-Modell „Spirit“ im sogenannten Space Cadet Green erinnert mehr an eine quietschgelbe Limette als an einen giftgrünen Apfel. Und im nächsten Augenblick stelle ich fest: Das Exterieur mag zwar extrem polarisieren, aber der kleine Stromer macht deutlich mehr her, als im Vorfeld auf Fotos zu vermuten war. Heute, nachdem ich den Testwagen rund 600 Kilometer über Stadt- und Landstraßen sowie über die Autobahn gescheuchte habe, weiß ich auch: Der Kia e-Soul ist weit mehr als nur ein kleines Stadtauto. Aber fangen wir ganz vorne an ….
Kia e-Soul (2022): Zwei Batteriegrößen erhältlich
Und das heißt an dieser Stelle: Erst einmal einen Blick auf die Basics werfen. Erhältlich ist der Kia e-Soul in zwei Ausführungen. Einerseits als E-Auto in der Version „Vision“ mit 39,2 kWh großer Batterie, 100 kW und 136 PS für 38.090 Euro Listenpreis. Ergänzend dazu steht auch eine Variante mit 64 kWH großer Batterie, 150 kW und 204 PS zur Verfügung – ab 42.390 Euro.
Die von uns getestete Variante „Spirit“ mit umfangreicherer Ausstattung (zum Beispiel sind Nebelscheinwerfer, Parksensoren vorn, Head-up-Display und ein praktischer Querverkehrwarner) bietet ebenfalls 204 PS und den größeren Energiespeicher zu einem Preis ab 44.190 Euro. Von den genannten Preisen kannst du jeweils aber noch rund 9.000 Euro Umweltbonus abziehen. Im günstigsten Fall kostet der Kia e-Soul (2022) als rund 28.500 Euro.
Der koreanische Hersteller verspricht bei der kleineren Variante bis zu 276 Kilometer WLTP-Reichweite und beim 64-kWh-Modell sogar bis zu 452 Kilometer. Beides eher theoretische Werte, denn wie weit ein Elektroauto am Ende des Tages wirklich kommt, hängt von sehr vielen Faktoren ab. Unter anderem von Außentemperatur, ein- oder ausgeschalteter Klimatisierung und nicht zuletzt natürlich auch vom Fuß auf dem Gaspedal.
Stark polarisierendes Exterieur
Bevor ich zu meinen Erfahrungen hinsichtlich des Stromverbrauchs komme, muss ich über das Außendesign sprechen. Denn bei kaum einem Pkw gehen die Meinungen wohl so stark auseinander wie beim aktuellen Kia e-Soul. Das ist mir im Rahmen meines zweiwöchigen Tests in Gesprächen mit verschiedenen Personen, denen ich den Kia e-Soul präsentiert habe, immer wieder aufgefallen. Die einen lieben ihn, die anderen verfallen rasant ins Hadern.
Die Front des Kia e-Soul (2022) nimmt auffällig stark die Züge eines SUV-Straßenkreuzers auf, wirkt sehr bullig. In die in Wagenfarbe lackierte Stoßstange ist der Ladeanschluss mit CCS-Stecker integriert, was an Ladesäulen umständliches Rangieren überflüssig macht. Vorfahren, Stecker einstecken, fertig. Auffällig sind auch die extrem schmalen LED-Scheinwerfer. Für mich keine Frage des Geschmacks: Das Gesicht des Kia e-Soul (2022) weiß zu gefallen.
Ganz anders sieht es aber mit dem Heck aus, an dem große LED-Rückleuchten in einer Art Boomerang-Design zu finden sind. Hier erinnert der Kia e-Soul (2022) mehr an einen kantigen Kastenwagen als an einen typischen Pkw. Das sagt sicher nicht jedem Interessenten zu. Gleichwohl sorgt das gewählte Design für zwei Pluspunkte. Erstens: Der knapp 4,20 Meter lange Stromer ist rund 1,60 Meter hoch und das kastige Äußere sorgt im Innenraum für ein üppiges Raumgefühl. Zudem ist aufgrund einer erhöhten Sitzposition bequemes Ein- und Aussteigen auch für ältere Personen problemlos möglich.
Kia e-Soul (2022): Unser Fahrbericht
Entscheidend ist aber natürlich, wie sich der Kia e-Soul (2022) mit seinen 17 Zoll großen Leichtmetallfelgen auf der Straße präsentiert. Und hier hat man als Fahrer die Wahl zwischen vier Fahrmodi: Eco +, Eco, Normal und Sport. Während die beiden Eco-Stufen einen geringen Stromverbrauch und damit eine möglichst ökologische Fahrweise in den Fokus stellen (im Modus Eco+ ist die maximale Geschwindigkeit auf 90 km/h beschränkt), ist im Normal- und Sport-Modus auch dynamischeres Fahren möglich.
Auf der Landstraße und auf der Autobahn bereitet der Sportmodus die meiste Freude. Denn auch wenn die Höchstgeschwindigkeit des Kia e-Soul (2022) auf angezeigte 176 km/h begrenzt ist, sind damit auch flotte Überholmanöver möglich. Über zwei Schaltwippen hinter dem Lenkrad sind zudem drei Stufen der Rekuperation einstellbar. Beim Bremsen oder Segeln gewinnt das Elektroauto so Energie zurück – für ein Plus an Reichweite. Und wer die höchste Stufe einstellt, kommt im Stadtverkehr mit etwas Übung auch mit nur einem Pedal gut zum gewünschten Ziel. Manuelles Bremsen mit dem Fuß ist dann kaum noch notwendig.
Komfortabel: Ist die Geschwindigkeitsregelanlage (Tempomat) mit Stop&Go-Funktion eingeschaltet, lässt sich über das Multifunktionslenkrad die Geschwindigkeit mit dem rechten Daumen bequem in 1-km/h-Schritten rauf- und runterschalten. Längeres Drücken erlaubt eine Regulierung alternativ auch in 10-km/h-Schritten. Nettes Gimmick: Wie im Kia e-Niro zeigt das Display hinter dem Lenkrad im Eco-Modus die während der Rekuperation gewonnene zusätzliche Reichweite an.
Gleichwohl bleibt festzuhalten, dass der Sportmodus des Kia e-Soul durchaus eine spürbar flottere Beschleunigung ermöglicht. Er kann aber bei Weitem nicht die Dynamik entfalten, die man von E-Autos mit mehr Leistung kennt. Das Gefühl, bei der Beschleunigung in einer Katapult-Achterbahn zu sitzen, kann der e-Soul nicht entfachen. Hier ermöglichen hochpreisigere Modelle wie der Kia EV6 (Test) oder der Audi e-tron Sportback (Test) noch deutlich mehr Fahrspaß; kosten aber auch entsprechend mehr.
Verbrauch und Ladeleistung im Test
Eine Frage ist bei einem Elektroauto aber natürlich ebenfalls entscheidend. Wie viel Strom verbraucht der Wagen während der Fahrt? In unserem Test konnten wir auf der Autobahn bei einer Exkursion rund um die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h über den Bordcomputer etwa 19 kWh pro 100 Kilometer messen. Drückt man das Gaspedal öfter mal sportlich durch, erreicht man schnell aber auch 24-25 kWh auf 100 Kilometer. In Summe kamen wir auf der Autobahn bei gemäßigter Fahrweise mit einer Akkuladung etwa 340 Kilometer weit.
Eine Wiederaufladung des Akkus ist beim Kia e-Soul mit bis zu 100 kW Ladeleistung möglich. Zumindest auf dem Papier. In der Praxis konnten wir bei mehreren Aufladungen während frühlingshafter Temperaturen um 18 Grad und selbst nach fast 200 Kilometern Autobahnfahrt nie mehr als 74 kW messen.
- 15 – 55 Prozent Akkuladung: circa 74 kW
- 56 – 72 Prozent Akkuladung: circa 58 kW
- 73 – 78 Prozent Akkuladung: circa 38 kW
- 79 – 90 Prozent Akkuladung: circa 26 kW
- ab 91 Prozent Akkuladung: circa 15 kW
In Summe benötigten wir so an einer HPC-Ladesäule für eine Aufladung von 14 auf 80 Prozent 48 Minuten; für eine Ladung von 49 kWh. Praktisch: Eine blinkende LED hinter der Windschutzscheibe signalisiert auch von außen, wie weit der Aufladevorgang bereits fortgeschritten ist.
Fazit: Ein fast perfektes Stadtauto
Keine Frage: Der Kia e-Soul (2022) ist eher ein Stadt- als ein Langstrecken-Auto. Aber auch auf der Autobahn bereitet der Stromer mit seinem maximalen Drehmoment von 395 Nm in der von uns getesteten Ausführung mit 64 kWh großer Batterie viel Freude. Entspannt lässt sich mit dem Auto durch den Verkehr cruisen. Dabei hält ein aktiver Spurhalteassistent mit korrigierendem Lenkeingriff zuverlässig die Spur, bremst aber insbesondere in der Stadt für unseren Geschmack recht rigoros ab, wenn ihm der Abstand zum Vordermann zu gering erscheint. Das ginge sicherlich auch etwas geschmeidiger.
Echten Mehrwert und vor allem mehr Sicherheit bietet der aktive Querverkehrwarner zur Erkennung von Fahrzeugen im toten Winkel beim Querausparken. Sobald der Rückwärtsgang eingelegt ist, scannt dieser die Umgebung und warnt sowohl akustisch als auch visuell im Display der zugeschalteten Rückfahrkamera vor kreuzenden Autos, Radfahrern und Fußgängern. In der Spirit-Ausführung ist dieses Extra ein Teil der Serienausstattung, im Basismodell Vision sind dafür 690 Euro Aufpreis fällig.
Überschaubar geht es im Kofferraum zu. Ohne umgeklappte Rücksitze reicht der Platz aber gerade noch, um nebeneinander zwei Getränkekisten, einen Einkaufskorb und ein Sixpack Wasserflaschen zu verstauen.
Vorteile
- Antrieb sorgt bei der 150-kW-Version für viel Fahrspaß
- vier Fahrmodi (Eco+ / Eco / Normal / Sport)
- drei Rekuperationsstufen
- große Außenspiegel (im Kia e-Niro Spirit elektrisch einstellbar)
- Wärmepumpe serienmäßig
- Harman/Kardon Soudsystem mit 10 Lautsprechern
- 7 Jahre Garantie
- 7 Jahre Karten-Update für das integrierte Navigationssystem
Nachteile
- polarisierendes, kantiges Außendesign
- überschaubares Stauvolumen im Kofferraum
- maximal 100 kW Ladeleistung
- dreiphasiger Onboard-Charger nur im Modell Spirit ohne Aufpreis inklusive (sonst +500 Euro) [sorgt für eine Ladeleistung von 10,5 kW an AC-Ladesäulen; sonst nur 7,4 kW]
- Verkehrsschildinformation basiert auf Kartenmaterial / ist nicht immer up to date
Was uns sonst noch aufgefallen ist …
Beim von Kia angebotenen Head-up-Display (HUD) für den e-Soul (2022) handelt es sich nicht um ein klassisches HUD, das wichtige Informationen direkt auf die Windschutzscheibe projiziert. Stattdessen fährt mit Motorstart eine kleine Plastikscheibe aus dem Armaturenbrett, um darauf die für den Fahrer wichtigen Informationen wie Geschwindigkeit oder Navigationsbefehle anzuzeigen. Tipp: Die Ausrichtung des HUD lässt sich genauso wie die Anzahl der darstellbaren Inhalte über die Fahrzeug-Einstellungen anpassen.
Merkwürdig: Es ist uns in den Einstellungen des Radios in mehreren Versuchen nicht gelungen, die gespeicherten Senderfavoriten des DAB+ Radios über den 10,25 Zoll großen Touchscreen so zu sortieren, wie wir es uns gewünscht hätten. Standardmäßig werden die Radiosender alphabetisch sortiert. Sollte es tatsächlich eine Möglichkeit der manuellen Sortierung geben, hat Kia sie gut versteckt.
An optionaler Ausstattung bietet die aktuelle Preisliste unter anderem ein elektrisches Glas-Schiebedach (690 Euro) oder ein Leder-Paket mit der Möglichkeit, die beiden Frontsitze belüften zu lassen (1.490 Euro). Beim von uns getesteten Modell Spirit ist ein Technologie-Paket mit Qi-Ladestation für Smartphones, dem angesprochenen Querverkehrwarner und Parksensoren Teil der Serienausstattung, sonst kostet es 690 Euro extra.
Ich war skeptisch, ob sich der Kia e-Soul nicht nur als Stadtauto gut fahren lässt, sondern auch auf der Autobahn. Heute weiß ich: er kann. Allerdings würde ich jedem Interessenten, der auch mal längere Strecken fahren möchte, raten, den Aufpreis von 4.300 Euro für den größeren Akku (und mehr Leistung) in Kauf zu nehmen. Das Plus an Reichweite macht sich schnell bezahlt, wenn nicht etwa alle 200 Kilometer auf der Autobahn eine Ladesäule angesteuert werden muss. Das Plus an Leistung sorgt zudem für deutlich mehr Fahrspaß.