Nur knapp 1,50 Meter ist der Hyundai IONIQ 6 hoch. Kurz geraten ist das E-Auto aus Korea aber nicht gerade. Rund 4,85 Meter Länge sind gleichbedeutend mit fast 60 Zentimetern Längenvorteil gegenüber einem Volkswagen ID.3. Und diesen Gewinn nutzt Hyundai, um dem IONIQ 6 einen Radstand von fast drei Metern zu spendieren. Die Folge: In der zweiten Sitzreihe ist selbst dann noch ordentlich Platz und ausreichend Freiraum für die Knie vorhanden, wenn Fahrer und Beifahrer mit ihren Sitzen weit nach hinten rücken. Beeindruckend.
Hyundai IONIQ 6: Ein Kofferraum mit Licht und Schatten
Gleichwohl fällt auf, dass die Füße auf allen Sitzplätzen im Auto vergleichsweise hoch stehen. Das liegt an der im Unterboden des Fahrzeugs verbauten Hochvoltbatterie. Der Sitzkomfort ist vorn aber auch für groß gewachsene Menschen gut. Hinten sieht es etwas anders aus. Wer lang gewachsen ist, muss feststellen, dass die Oberschenkel nicht optimal auf der Sitzbank aufliegen. Zudem ist durch das flach nach hinten abfallende Dach eine eingeschränkte Kopffreiheit nicht wegzudiskutieren. Das kann den Komfort während einer Fahrt gerade auf längeren Strecken schmälern. Kinder und eher kleine Menschen werden von diesen Einschränkungen aber nichts spüren.
Überraschend geräumig für Alltagszwecke präsentiert sich der Hyundai IONIQ 6 auch hinsichtlich des Ladevolumens im Kofferraum. Man würde es bei der Ansicht von außen nicht zwingend erwarten, dass es problemlos möglich ist, fünf Getränkekisten im Kofferraum zu verstauen. Wer geschickt sortiert, bekommt auch sechs Kisten unter. Zu hohe und ungünstig positionierte Getränkekisten können aber zuweilen mit der elektrischen Heckklappe in Konflikte geraten. Hyundai gibt das Kofferraumvolumen mit 401 Litern an. Klappt man die Rücksitze um, steigt es auf eher dürftige 760 Liter. Lange Gegenstände zu verstauen, ist kein Problem. In die Höhe darf man aber nicht stapeln.
Etwas zusätzlichen Stauraum gibt es unter dem Kofferraumboden: 15 Liter. Unter der Motorhaube ist zudem ein Frunk zu finden, der Platz für weitere 45 Liter Stauraum bietet. Beim von uns getesteten Allradmodell sind es aber nur 15 Liter. Zum platzsparenden Verstauen eines AC-Ladekabels reicht aber auch das noch aus.
Direkte Lenkung, enormer Fahrspaß
Wer als Fahrer hinter dem Lenkrad Platz nehmen darf, wird sich über eine extrem leichtgängige, direkte Lenkung freuen. Im Allradmodell mit 325 PS zaubern auch die Beschleunigungen auf der Landstraße oder auf der Autobahn ein Lächeln ins Gesicht des Fahrers. Beifahrer sollte man unterdessen vorwarnen. Der Kick bei einem Spurt ist zuweilen deutlich zu spüren. Nackte Zahlen unterstreichen diese Eindrücke: Eine Beschleunigung von 0 auf 100 km/h gelingt mit dem Spitzenmodell des Hyundai IONIQ 6 nach Herstellerangaben in rund fünf Sekunden, etwas gemächlicher ist das Modell mit Heckantrieb unterwegs. In der Spitze beschleunigen alle Modelle auf eine Geschwindigkeit von bis zu 185 km/h.
Die Gänge werden über einen Hebel hinter dem Lenkrad eingelegt, die Stärke der Rekuperation lässt sich über Schaltwippen hinter dem Lenkrad nach den persönlichen Wünschen individuell justieren. Die Geschwindigkeitsregelanlage (Tempomat) ist komfortabel über das Multifunktionslenkrad in 1- und 10-km/h-Schritten steuerbar. Zuweilen etwas störend war im Test der ziemlich sensibel eingestellte Aufmerksamkeitswarner. Er empfiehlt teilweise sogar schon kurz nach dem Start, eine Pause einzulegen.
Zwei 12,25-Zoll-Displays im Innenraum
Beifahrer mögen sich daran stören, dass die Drehtaste zum Regulieren der Lautstärke des Radios nachts nicht beleuchtet ist. Der Fahrer nutzt dafür ohnehin die Taste am Lenkrad. Ein 12,25 Zoll großes Digitalcockpit hinter dem Lenkrad ist mit all seinen Informationen zu wichtigen Fahrdaten Teil der Serienausstattung. Ebenso ein 12,25 Zoll großer Touchscreen zur Bedienung des Infotainmentsystems. Ein komfortables Head-up-Display, das auch Navi-Befehle einblenden kann, ist gegen Aufpreis zu haben.
Ein (teurer) Mehrwert sind die optional erhältlichen digitalen Außenspiegel. Hier ersetzen zwei Kameras links und rechts die klassischen Außenspiegel. Im Innenraum ist der Blick nach hinten dann über gut positionierte und hochauflösende OLED-Monitore möglich. Und die spielen ihren Vorteil gegenüber konventionellen Seitenspiegeln insbesondere bei Dämmerung und nachts ordentlich aus. Nicht nur das breitere Sichtfeld kann im Vergleich zu klassischen Spiegeln überzeugen, sondern auch die allgemein bessere Sicht. Bei Nebel können die Frontscheinwerfer von anderen Fahrzeugen auf den Monitoren aber verzerren und Schlieren ziehen. Auf der Autobahn sorgen wiederum kleine auf den Bildschirmen eingeblendete Hilfslinien etwa bei Überholvorgängen dafür, die Abstände zu anderen Fahrzeugen stets richtig einschätzen zu können.
Verbrauch des Hyundai IONIQ 6: Allradantrieb kostet Körner
Ein Blick auf den Verbrauch zeigt deutlich: Wenn du dich für den Hyundai IONIQ 6 mit Heckantrieb entscheidest, darfst du dich über einen niedrigeren Verbrauch und eine höhere Reichweite freuen als beim von uns getesteten Allrad-Modell. Das brachte es im Stadtverkehr auf einen Bedarf von durchschnittlich 17,7 kWh pro 100 Kilometern, während es auf der Landstraße auf gleicher Strecke 18,6 kWh waren.
Spürbar in die Höhe schnellt der Verbrauch auf der Autobahn. Unter weitgehender Einhaltung der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h sind wir bei eingeschalteter Klimatisierung und mit aufgezogenen 20-Zoll-Felgen auf einen Verbrauch von durchschnittlich 23,1 kWh gekommen. Und das sorgte unter dem Strich dafür, dass auf der Langstrecke eine Reichweite von rund 330 Kilometern erreicht werden konnte.
Zum Vergleich: Der ADAC hat den IONIQ 6 ebenfalls mit 77,4 kWh großer Batterie getestet, nutze aber ein Modell mit 18-Zoll-Bereifung und Heckantrieb. Das Ergebnis war auf der Langstrecke eine Reichweite von ungleich höheren 555 Kilometern. Hyundai selbst gibt sogar eine WLTP-Reichweite von bis zu 614 Kilometern an.
Stark: 800-Volt-System für kurze Stopps an Ladesäulen
Besonders erfreulich ist, dass Hyundai den IONIQ 6 wie den IONIQ 5 (Test) mit einem 800-Volt-System ausstattet. Unter optimalen Bedingungen lässt sich damit eine Ladeleistung von bis zu 240 kW abrufen. Hyundai verspricht an passenden Schnellladesäulen eine Wiederaufladung von 10 auf 80 Prozent in etwa 18 Minuten.
Ganz so flott ging es im Test bei kühlen Abendtemperaturen von knapp 10 Grad Celsius im Anschluss an eine lange Autobahnfahrt aber nicht. In der Spitze haben wir eine Ladeleistung von 199 kW gemessen. Eine Aufladung von 13 auf 80 Prozent dauerte etwa 28 Minuten. In einem zweiten Ladetest war eine Aufladung von 31 auf 80 Prozent in 17 Minuten möglich.
Auffällig: Wiederholt mussten wir feststellen, dass die Ladung zunächst auf einem mäßigen Leistungsniveau startete. Erst nach Abbruch und einem Neustart der Akkuladung (zum Teil an einer anderen Ladesäule) spielte das Lademanagement die Vorteile der 800-Volt-Technik besser aus. Und das, obwohl wir die serienmäßige Batterievorkonditionierung stets eingeschaltet hatten und mithilfe des Navigationssystems zu einer passenden HPC-Ladesäule gefahren sind. Das Auto hätte also wissen müssen, was wir vorhaben. Ursächlich für die zum Teil maue Ladeleistung dürften die frischen, herbstlichen Temperaturen während unserer zwei Testwochen gewesen sein.
Navigationssystem gestattet sinnvolle Filter-Einstellungen
Apropos Navigationssystem: Eigentlich soll es inzwischen in der Lage sein, Ladestopps auf programmierten Langstrecken zu berücksichtigen. Uns war es im Test aber nicht möglich, dieses sinnvolle Extra ausfindig zu machen. Selbst mehr als 600 Kilometer lange Strecken von Münster bis München wollte das Navi ohne Ladestopps abwickeln.
Wiederum positiv: Ruckzuck ist es über das Navi möglich, Ladesäulen mit Echtzeit-Infos in der Umgebung zu finden. Zudem ist eine Filterung nach Ladestromanbietern wie Ionity, Shell Recharge, Fastned oder EnBW möglich. Einige hierzulande beliebte Anbieter wie Maingau Energie oder auch das Filtern von Schnellladesäulen von Tesla ist hingegen nicht möglich. Sie sind über den Auswahlpunkt „Weitere“ aber natürlich in aller Regel trotzdem zu finden. Und natürlich kannst du die angezeigten öffentlichen Ladesäulen auch nach der abrufbaren Ladeleistung (AC / DC / HPC) filtern.
Möchtest du den Hyundai IONIQ 6 an einer Wallbox oder an einer Normalladesäule laden, musst du dich übrigens mit einer Ladeleistung von maximal 11 kW zufriedengeben. Eine Option, einen dreiphasigen On-board Charger mit einer Ladeleistung von bis zu 22 kW zu nutzen, bietet Hyundai nicht an.
Grundsätzlich ist auch eine 230-Volt-Steckdose unter der Rücksitzbank nutzbar, was unter anderem Menschen freuen wird, die unterwegs etwa mit einem Notebook arbeiten möchten. Hinzu kommen jeweils zwei USB-C-Anschlüsse vorn und hinten (vorn etwas versteckt im Staufach der Mittelarmlehne) sowie Vehicle-to-load-Unterstützung, um elektrische Geräte im Umfeld des IONIQ 6 mit bis zu 3,6 kW über den Ladeanschluss des Autos zu betreiben.
Was kostet der Hyundai IONIQ 6?
Der Preis für den Hyundai IONIQ 6 startet bei 43.900 Euro. Dafür gibt es das Basismodell mit Heckantrieb, 53 kWh großer Batterie und 111 kW (151 PS) Leistung. Bereits 48.900 Euro musst du für den IONIQ 6 mit 77,4 kWh großem Energiespeicher und 168 kW (229 PS) auf den Tisch legen. Und soll es das von uns getestete Topmodell mit Allradantrieb sein, musst du sogar 52.900 Euro in der Basisausstattung auf den Tisch legen. Dann steht neben dem großen Akku auch noch mehr Leistung zur Verfügung: 239 kW (325 PS).
Erweitern kannst du den Umfang an gebotener Ausstattung zum Beispiel über das optionale Dynamiq-Paket. Es kostet 5.100 Euro extra und beinhaltet unter anderem eine Wärmepumpe, einen Querverkehrsassistenten und einen elektrisch einstellbaren Fahrersitz. Für 8.200 Euro Aufpreis steht das Techniq-Paket zur Verfügung. Dann kannst du unter anderem auf ein Head-up-Display, eine zweifarbige Ambientebeleuchtung und den noch komfortableren Autobahnassistenten 2.0 zugreifen. Die Top-Ausstattung gibt es mit dem Uniq-Paket, das unter anderem belüftete Fahrer- und Beifahrersitze mit Relaxfunktion, eine 360-Grad-Kamera und ein hochwertiges Soundsystem von Bose mit Akustik-Verbundglas vorne und hinten, sieben statt regulär sechs Lautsprechern plus Subwoofer und Verstärker bietet. Aufpreis: 11.300 Euro.
Der von uns getestete Hyundai IONIQ 6 steht also für 64.200 Euro beim Händler. Glasschiebedach (+690 Euro), 20-Zoll-Leichtmetallfelgen (+800 Euro) oder die digitalen Außenspiegel (+1.300 Euro) kosten aber nochmals einen Aufpreis, wenn sie Teil der Ausstattung sein sollen. Ebenfalls die mattgraue Lackierung (+990 Euro). Ohne Aufpreis steht der Hyundai IONIQ 6 ohnehin nur in Rot zur Verfügung. Ein Leasing ist gegenwärtig ab 259 Euro pro Monat möglich.
Fazit zum Hyundai IONIQ 6: Sportlich, sportlich
Nicht ganz so kompakt wie ein Roadster, aber fast genauso sportlich. Wer sich für den Hyundai IONIQ 6 entscheidet, darf sich auf ein E-Auto mit fünf Sitzen freuen, das nicht nur bis zu 325 PS bietet, sondern auf der Straße auch den einen oder anderen Blick auf sich zieht.
Denn das sehr sportliche Design ist ein echter Hingucker. Freuen darf man sich aber nicht nur auf ein spritzig-agiles Fahrgefühl, sondern auch auf ein Elektroauto, das insbesondere im Stadtverkehr trotz eines Gewichts von bis zu 2,1 Tonnen mit einem erfreulich niedrigen Verbrauch zu punkten weiß. Und auch zahlreiche wertvolle Assistenzsysteme sind serienmäßig an Bord. Etwa eine Fußgänger- und Fahrraderkennung, Autobahnassistent und Spurhalteassistent sowie eine intelligente Verkehrszeichenerkennung.
Was wirklich stört, ist der intelligente Geschwindigkeitsassistent (ISA). Die EU verpflichtet Hersteller künftig dazu, Neuwagen mit einem solchen System auszustatten. Hyundai hat sich aber für eine ziemlich anstrengend Lösung entschieden. Denn sobald man die Geschwindigkeit auch nur um 1 km/h überschreitet, legt das System mit einem Bimmelkonzert los, das sich gewaschen hat. Das ist mit der Zeit so lästig, dass man gerade auf langen Fahrten dazu übergeht, das System in den Einstellungen für die Assistenzsysteme auszuschalten. Und gerade das ist eigentlich nicht im Sinne der Sicherheit. Erschwerend kommt hinzu: Nach jedem Motorneustart ist auch der ISA wieder aktiviert. Hier sollte Hyundai per Software-Update nachbessern und die Möglichkeit schaffen, dauerhaft zum Beispiel nur einen optischen Hinweis im Kombiinstrument anzuzeigen. Auch das ist laut EU-Beschluss ausreichend.
Vor dem Hintergrund der vielen Extras und der tollen Fahreigenschaften überrascht es nicht, dass der Hyundai IONIQ 6 jüngst in der Kategorie Mittelklasse mit dem „Goldenen Lenkrad“, dem wohl wichtigsten deutschen Automobilpreis, ausgezeichnet wurde. Freuen dürfen sich Käufer übrigens über 8 Jahre Garantie, die auch die Batterie bis zu einer Laufleistung von 160.000 Kilometern einschließt. Zwölf Jahre Garantie gibt es sogar gegen Durchrostung von innen nach außen. Und: Den Umweltbonus in Höhe von bis zu 6.750 Euro garantiert Hyundai auch für den Fall, dass eine Zulassung erst im Jahr 2024 erfolgt. Voraussetzung: eine Bestellung bis Ende 2023.
Vorteile des Hyundai IONIQ 6
- E-Auto mit tollen Fahreigenschaften
- niedriger Verbrauch im Stadtverkehr
- großes Platzangebot in beiden Sitzreihen
- bis zu 240 kW Ladeleistung unter optimalen Bedingungen
Nachteile des Hyundai IONIQ 6
- Allradmodell mit deutlich niedrigerer Reichweite
- Ladeleistung bei kühlen Temperaturen nicht immer überzeugend
- Kofferraumvolumen nur begrenzt familienfreundlich
- Geschwindigkeitsassistent (ISA) auf Dauer nervtötend