Am Wochenende hatte ich endlich die Gelegenheit, Atomfall so richtig unter die Lupe zu nehmen. Vorab konnte ich bereits einen Blick ins Spiel werfen, bevor mein Key für die Vollversion eintraf – deshalb rechnete ich ehrlich gesagt nicht mit allzu vielen Überraschungen. Und doch hat Atomfall es geschafft, mich auf eine ganz neue Art zu packen. Das Faszinierendste daran? Ausgerechnet ein Element, das mir beim ersten Anspielen gar nicht so gut gefallen hatte, entpuppte sich später als eines der Highlights des Spiels.
Zum Zeitpunkt, an dem ich diese Zeilen schreibe, habe ich über ein Dutzend Stunden in der Welt von Atomfall verbracht. Ich möchte dir so viele Eindrücke wie möglich vermitteln, ohne zu viel zu verraten. Und das aus gutem Grund: Ich bin überzeugt, dass jeder diese Reise einmal selbst erleben sollte.
Die Story von Atomfall
Im Vergleich zu den großen Namen – allen voran Fallout und STALKER – ist Atomfall ein eher kompaktes Spiel. Dass es nicht an deren Größenordnung heranreicht, überrascht dabei nicht, denn die Entwickler haben dies von Anfang an klar kommuniziert. Aber wie man so schön sagt: Es kommt nicht auf die Größe an, sondern darauf, was man daraus macht. Und Rebellion, das Studio hinter Atomfall, weiß ganz genau, wie man mit begrenzten Mitteln Großes anstellt.
Die Welt von Atomfall: Klein, aber mächtig
Atomfall glänzt vor allem dort, wo andere Spiele häufig scheitern: beim Weltdesign. Statt dich in eine riesige Open World zu werfen, teilt das Spiel seine Welt in verschiedene, voneinander getrennte Abschnitte. Als ich davon erfuhr, befürchtete ich zunächst, dass genau dies zu einem meiner Hauptkritikpunkte werden könnte – ich liebe es schließlich, weitläufige Spielwelten zu erkunden.

Doch beim Spielen merkte ich schnell, dass man diese Unterteilung gar nicht so stark wahrnimmt. Denn jede Region ist derart vollgepackt mit Details, Geheimnissen und Erkundungsmöglichkeiten, dass man die Grenzen zwischen den Gebieten kaum spürt. Tatsächlich entdeckte ich oft mehr Orte, als ich Zeit zum Erkunden hatte! Regelmäßig führte ein Seiteneingang in eines der anderen Gebiete, sodass ich mich unbemerkt zwischen den Abschnitten hin- und herbewegte.
Da es in Atomfall keine Schnellreise gibt, ist ein flüssiger Wechsel zwischen den Regionen essenziell – und das hat Rebellion perfekt gelöst. Die einzelnen Areale wirken organisch miteinander verbunden, sodass man sich ohne große Unterbrechungen frei durch die Welt bewegen kann.

„Oberon Must Die.“
„Oberon Must Die.“ – das sind einige der ersten und zugleich einprägsamsten Worte, die einem in Atomfall begegnen. Zumindest, wenn man das Spiel, wie ich, auf Englisch spielt. Anfangs werfen sie mehr Fragen auf, als sie beantworten. Du hörst sie, gesprochen von einer geheimnisvollen Stimme am Telefon, und merkst schnell: Oberon ist der Dreh- und Angelpunkt dieser seltsamen Welt. Genau hier beginnt deine Reise: Du erwachst in einer Quarantänezone, ohne zu wissen, wie du dorthin gelangt bist oder was du als Nächstes tun solltest. Das Einzige, was du weißt, ist, dass du entkommen musst – und Oberon dir dabei im Weg steht.
Ab diesem Punkt hängt es ganz von dir ab, wo dich die Geschichte von Atomfall hinführt. Klassische Quests gibt es nicht. Stattdessen stößt man auf Hinweise und Spuren, denen man nachgehen kann. Manche führen dich zum selben Ziel, andere wiederum überraschen mit völlig unerwarteten Wendungen.

Das Spiel bietet zahlreiche verschiedene Enden, die du selbst entdecken musst. Mir persönlich hat die Handlung von Atomfall sehr gefallen. Sicherlich reißt sie keine genreprägenden Mauern ein, wie ein Red Dead Redemption 2 es getan hat, und bringt mich auch nicht durch pure Emotion zum Weinen. Aber sie fesselt einen spürbar an dieses beklemmende Szenario.
Der Hauptplot dient dabei eher als roter Faden, der dich grob in die richtige Richtung führt. Meiner Meinung nach steht in Atomfall jedoch nicht das Entkommen selbst im Vordergrund. Stattdessen erzählt das Spiel seine Geschichte durch die vielen Schicksale, Begegnungen und Geschichten, die man unterwegs aufspürt. Oft habe ich beim Spielen gar nicht mehr an meine Flucht gedacht, sondern wollte einfach jeden Winkel erkunden und mich in die Welt hineinversetzen, bis meine Neugier auf Oberon letztlich gesiegt hat.

Gameplay: Hart, aber fair?
Ein wichtiges Thema, das ich schon in meiner kurzen Vorschau zu Atomfall erwähnt hatte, ist der Schwierigkeitsgrad. Denn der sollte keinesfalls unterschätzt werden. Aus der Box heraus ist Atomfall herausfordernd: Ressourcen sind knapp, Waffen enorm tödlich und Feinde zahlreich. Glücklicherweise muss man nicht mit nur wenigen fixen Schwierigkeitsgraden leben: Atomfall bietet flexible „Playstyles“, die sich deinen Vorlieben anpassen und sich zusätzlich noch verfeinern lassen.
Heißt: Wer lieber erkundet und nicht so viel Wert auf schwere Kämpfe legt, kann den Erkundungsmodus einstellen und sich so im Kampf etwas Unterstützung holen. Und wer einfach nur die Geschichte erleben will, für den gibt es ebenfalls passende Optionen. Ich habe meine Einstellungen größtenteils unangetastet gelassen – und es manchmal bereut, wenn das Spiel plötzlich in einen Horror-Shooter umschaltete.

Insgesamt wirkte der Schwierigkeitsgrad aber gut austariert. Es ist weder zu leicht noch unfair schwer. Du wirst gezwungen, eigene Lösungsansätze zu finden: Manche Feinde stecken fünf Schrotladungen in den Kopf weg und sind so definitiv die Verschwendung deiner Munitionsvorräte wert. Andere Gegner wiederum lassen sich mit einem geschickt getimten Knüppelhieb schnell ausschalten.
Atomfall: Ein Action-RPG mit wenig Rollenspiel?
Zwar bezeichnet sich Atomfall selbst als Action-RPG, aber ich bin mir nicht sicher, ob diese Kategorie das Spielerlebnis wirklich trifft. Denn wenn ich an Rollenspiele denke, fallen mir sofort Charakterentwicklung, ausgeprägte Levelsysteme und ähnliche Mechaniken ein. All das sucht man hier vergebens. Einen klassischen Levelaufstieg gibt es nicht, und die wenigen Perks und Traits wirken eher wie ein kleines Extra, das nicht tiefer ins Gewicht fällt.

Auch das Waffenmodding ist so dezent oder kompliziert, dass ich bis heute nicht hundertprozentig herausgefunden habe, wie genau ich eine Waffe aufrüsten kann. Es existiert zwar ein Steam-Erfolg für das volle Upgrade einer Knarre, also muss es möglich sein – doch ob sich mir die Option aufgrund eines Fehlers meinerseits oder im Spieldesign enthält, muss sich noch zeigen. Im Großen und Ganzen gefällt mir Atomfalls Ansatz, einen vieles selbst entdecken zu lassen, allerdings ziemlich gut.
Und obwohl ich es nicht wirklich als klassisches Action-RPG bezeichnen würde, hat mich das kaum gestört. Klar, eine tiefere Charakterbindung wäre nett gewesen, aber ich habe nichts vermisst, das mir den Spielspaß genommen hätte. Punkten kann Atomfall dafür mit seinen Dialogen: Es gibt viele Wege, auf Situationen zu reagieren, und auch wenn ich nicht genau weiß, wie stark sie den Spielverlauf verändern, fühlt es sich zumindest bedeutungsvoll an. Sobald ich hier in meinem zweiten Durchlauf mehr erfahre, ergänze ich diesen Abschnitt.
Grafik und Atmosphäre: Viel zu bestaunen
Über das fantastische Weltdesign von Atomfall habe ich bereits geschwärmt, doch auch grafisch weiß das Spiel zu überzeugen: Atomfall ist optisch ein echter Hingucker! Jede Region hat einen eigenen, unverwechselbaren Look, und trotz der eher kleinen Gesamtwelt ist alles extrem stimmig gestaltet. Egal in welchem Gebiet man sich befindet, die zerstörte Windscale-Anlage ist stets ein bedrohlicher Fixpunkt am Horizont, an dem man sich sogar orientieren kann, wenn man ein bisschen Geografie-Faible hat.

Richtig eindrucksvoll wird es zum Beispiel in Wyndham Village. Auf den ersten Blick wirkt das kleine Dorf friedlich, doch dank des stimmungsvollen Artstyles kommt schnell das Gefühl herauf, dass hier etwas Düsteres lauert. Auch der Interchange ist ein echter Hingucker: Er hat etwas Monströses an sich, das eine kaum fassbare Art von Unheil zu verheißen scheint.

Performance und Bugs
Getestet habe ich Atomfall auf meinem PC mit Intel i9-13900K, einer RTX 4090 und 64 GB RAM. Das Spiel lief bemerkenswert rund, und ich hatte insgesamt nur wenige Bugs – gerade für einen frühen Build ist das wirklich lobenswert. Falls du trotzdem über Probleme wie Mikroruckler stolperst, hilft meist ein Update der Grafiktreiber.
Ein kleiner Tipp: Wer das Framerate-Limit auf „Unbegrenzt“ stellt, könnte seine Hardware an die Belastungsgrenze treiben. Meine Grafikkarte lief plötzlich auf 99 % Auslastung – etwas, das mir so noch bei keinem anderen Spiel untergekommen ist. Sobald ich die FPS auf 120 begrenzt hatte, war alles wieder im grünen Bereich. Tatsächlich ist Atomfall im Vergleich zu vielen anderen aktuellen Titeln sogar recht genügsam. Offensichtlich hat hier jemand bei der Optimierung ganze Arbeit geleistet.
Mein Fazit zu Atomfall
Ich kann Atomfall allen ans Herz legen, die gerne erkunden und ein faszinierendes, gut gestaltetes Spiel für 20 bis 50 Stunden suchen. Wenn du hingegen ein klassisches postapokalyptisches Rollenspiel wie Fallout willst und nicht bereit bist, dich auf etwas Neues einzulassen, könnte dich Atomfall womöglich weniger ansprechen. Als großer Fallout-Fan kann ich aber nur raten: Gib Atomfall eine Chance!
Die fantastisch gestaltete Welt rechtfertigt den Steam-Preis von 50 Euro, und wem die verschiedenen Enden zusagen, der wird bestimmt Spaß daran haben, sie alle zu entdecken. Ich selbst werde sicherlich noch viele Stunden in der Quarantänezone verbringen, bevor ich mich wieder auf ein anderes Spiel stürzen kann.
Kurz gesagt: Klein, aber oho – Atomfall hat mich positiv überrascht und bietet deutlich mehr Tiefe, als man dem Spiel auf den ersten Blick vielleicht ansieht. Wer sich darauf einlässt, wird mit einer spannenden Welt belohnt, die ihren ganz eigenen Charme entfaltet. Viel Spaß beim Eintauchen und Entdecken!
