ASUS AirVision M1 im Test: Wenn die Brille zum Bildschirm wird

7 Minuten
Mit einer Brille will ASUS das Ende des klassischen Monitors einläuten: Die AirVision M1 wird einfach per USB-Kabel an PC, Spielkonsole oder Smartphone angeschlossen. Wie überzeugend das Bild ist, das du dann bekommst, zeigt der Test.
ASUS AirVision M1
ASUS AirVision M1Bildquelle:

Brillen bieten der Computerindustrie eine neue Spielwiese. Es wird mit wuchtigen VR-Brillen experimentiert, die aktuell vor allem Gamer und Konstrukteure ansprechen. Daneben werden Wearables entwickelt, die Funktionen des gekoppelten Smartphones direkt vors Auge bringen. ASUS folgt mit der AirVision M1 dagegen dem Vorbild der Lenovo Legion Glasses. Hier wandert der Bildschirm vollständig in die Brille.

Gut verarbeitete Computerbrille mit klassischem Design

Nicht nur Ray Ban greift beim Design von Computerbrillen auf klassische Formen zurück. Das althergebrachte Design mit den nach oben hin leicht und nach unten hin stark gewölbten Brillengläsern stand auch bei der MYVU Imiki Pate und wird gleichermaßen von ASUS für die AirVision M1 adaptiert. Letztere trägt erheblich dicker auf, denn technisch ist sie deutlich komplexer.

Hinter den getönten Brillengläsern mit einer Transparenz von 60 Prozent steckt der eigentliche Bildschirm. Die dazugehörige Technik wird hinter den Brillengläsern in einer breiten Leiste auf der Höhe des Nasenstegs untergebracht, die oberhalb des Sichtfeldes des Nutzers endet. Hier werden auch die Displays – für jedes Auge wird ein eigenes bereitgestellt – angebunden, die ebenfalls von den Brillengläsern verdeckt werden. Damit ist es nicht weiter verwunderlich, dass die an sich sehr gut verarbeitete Brille mit knapp 90 g nahezu das Doppelte der zuletzt getesteten AR-Brille MYVU Imiki wiegt. 

Die AirVision M1 ist zwar noch ein paar Gramm leichter als das Lenovo-Pendant Legion Glasses, im Vergleich zur Imiki ist das Mehrgewicht auf dem Nasenrücken dennoch deutlich spürbar. Um den Sitz optimal an die jeweilige Nase anpassen zu können, liegt ein zweites Paar Nasenblättchen bei, die einfach getauscht werden können.

Um ein vorschnelles Verrutschen der Brille aufgrund des an der Front konzentrierten Gewichts zu verhindern, liegen die Bügel recht straff am Kopf an. Dennoch trägt sich die Brille auch bei längerer Nutzung angenehm.

Keine optischen Experimente: ASUS setzt auf ein klassisches Design

ASUS AirVision M1 wird mit Kabel angebunden

Ein Grund für den guten Tragekomfort ist der fehlende Akku, der das Gewicht weiter nach oben getrieben hätte. Die Stromversorgung wie auch die Datenübertragung erfolgt mit Hilfe eines USB-Kabels. Durchdacht ist der Anschluss des Kabels. Der USB-C-Port ist am Ende des linken Bügels eingesetzt, sodass die Verbindung mit dem PC oder Smartphone galant hinter dem Ohr des Nutzers geführt wird.

Darüber hinaus ist die Brille schnell in Betrieb genommen. Ob Mac-, Linux- oder Windows-Rechner, wird die Brille an einer passenden USB-C-Schnittstelle angeschlossen, liefert sie ein Bild. Das gilt letztlich auch bei Smartphones, allerdings wird in vielen Fällen noch der veraltete 2.0-Standard genutzt, dessen Bandbreite mit 480 Mb/s zu gering ausfällt.

Über eine Touch-Fläche auf dem linken Brillenbügel können einfache Anpassungen, wie die mittige Ausrichtung des Bildes oder der Helligkeit vorgenommen werden. Letztere wird zudem automatisch stufenweise an das Umgebungslicht mit einem Lichtsensor auf der Oberseite des Gestells angepasst. Bewegst du dich mit der Brille viel zwischen verschiedenen Lichtsituationen, stören die dauerhaften und sprunghaften Justierungen jedoch etwas.

Hinter den Brillengläsern steckt das Display

Für jedes Auge ein Display

Die ASUS AirVision M1 hält hinter jedem Brillenglas ein zweites bereit, das ein kleines Display auf der Basis der Micro-OLED-Technologie zur Verfügung stellt. Dabei setzt der Hersteller auf ein klassisches Seitenverhältnis von 16:9 sowie eine FullHD-Auflösung von 1.920 x 1.080 Pixeln. Wirklich viel ist das – so nah vor dem Auge – nicht. Allerdings kann die mangelnde Bildschirmschärfe nur teilweise der Auflösung angelastet werden.

Auch bei der Bildwiederholrate wirkt die Brille wie ein etwas in die Jahre gekommener Monitor. Sie wird mit 72 Hz angegeben. Den Ansprüchen versierter Gamer wird die Brille damit nicht gerecht. Sie sind mit einer richtigen VR-Brille besser bedient. Bei der Farbwiedergabe verspricht der Hersteller eine Abdeckung des DCI-P3-Farbraums von 95 Prozent. Die einzelnen Farbtöne werden vergleichsweise kräftig wiedergegeben, Content Creator werden damit jedoch nicht unbedingt glücklich.

Im Brillenbügel der AirVision M1 steckt eine Touch-Fläche für einfache Anpassungen

Das Bild ist weit weg

Wie schon bei den Legion Glasses wirkt auch bei der AirVision M1 das Bild “weit weg”. Das liegt letztlich an dem recht breiten Rand, der das projizierte Bild umgibt – und der sich mit Blick auf die Zusammensetzung der Brille erklärt: Hinter dem äußeren Brillenglas steckt ein zweites Glas, das die eigentliche Projektionsfläche darstellt, sodass sich rundherum vergleichsweise viel Platz ergibt. Die Erwartungen des Nutzers werden damit schon mit dem ersten Aufsetzen enttäuscht, denn eigentlich erwartet man ein Bild, das das Sichtfeld möglichst umfassend ausfüllt. Das sorgt schon beim Arbeiten für wenig Begeisterung und missfällt noch mehr beim Spielen. Am meisten hat die Brille beim Filme-Schauen überzeugt.

Allerdings wären hier etwas bessere Lautsprecher wünschenswert. Die Lautstärke ist zwar vollends ausreichend, doch dem Klang der in den Brillenbügeln verbauten Tonspendern mangelt es an ausgeprägten Höhen und Tiefen. Dass an dieser Stelle mehr möglich ist, haben nicht zuletzt Lenovo mit der Legion Glasses sowie Meta und Ray-Ban mit der Headliner-Brille gezeigt.

Lupeneffekt bei Displaygläsern 

Auch wenn die Farben und Kontraste für verwöhnte Augen noch etwas ausgeprägter sein könnten, sind andere Details bei der Nutzung störender. Im ausgeschalteten Zustand fällt die vergleichsweise starke Vergrößerung der Displaygläser auf. Sie ist derart stark, dass Nutzern mit sehr guten Augen das damit verbundene Bild bereits verschwommen erscheint. Im eingeschalteten Zustand sorgt die Krümmung der Linse zwar für einen knackig scharfen Fokus in der Bildmitte. Zum Rand hin nimmt jedoch die Unschärfe zu. Empfindliche Nutzer bekommen bei längerer Nutzung durchaus die sogenannte Motion Sickness, also ein Gefühl von Übelkeit, zu spüren. Letztlich ist das aber auch zumindest teilweise eine Frage der Gewöhnung.

Um möglichst eine umfassende Bildschärfe zu erhalten, muss der Abstand zwischen den Brillengläsern und bei dem einen oder anderen Auge möglichst groß gewählt werden. Das sorgt wiederum dafür, dass die Außenwelt stärker wahrgenommen wird.

Das Display wird hinter den Brillengläsern verbaut

Mehr Dunkelheit durch Zusatzgläser

Eine vollständige Ausblendung der realen Umwelt ist letztlich nur bei echten VR-Brillen gewünscht, um ein möglichst tiefes Spielerlebnis zu erreichen. Darauf legt es die AirVision M1 schon konzeptionell nicht an. Die Gläser der ASUS-Brille weisen eine Transparenz von 60 Prozent auf, um den Bezug zur „äußeren Welt“ nicht zu verlieren. Am Schreibtisch ist das jedoch bereits schnell zu viel des Guten. Wer Maus und Tastatur nutzt, sucht immer mal wieder seine Position. Das gilt selbst für Vielschreiber, die eigentlich blind über die Tasten fegen.

Gerade in hellen Umgebungen ist die Präsenz der Außenwelt im Brilleninneren schnell zu dominant. Um dem entgegenzuwirken, setzt der Hersteller auf eine vergleichsweise einfache Lösung: Der Brille wird eine weitere Glaseinheit beigelegt, die einfach aufgelegt und per Magnet auf der Position gehalten wird.

Gamer greifen besser zu einer VR-Brille

Fazit zur ASUS AirVision M1

Die Idee eines Bildschirms, der als Brille aufgesetzt werden kann, ist verlockend. Mit ihr lässt sich die Außenwelt ein gutes Stück weit ausblenden und die Aufmerksamkeit stärker auf den Bildschirminhalt konzentrieren. Die Nutzungsszenarien sind vielfältig. Sie reichen vom Großraumbüro, über Bus- und Zugfahrten sowie Flüge bis hin zur heimischen Couch. Die großen Erwartungen kann die ASUS AirVision M1 jedoch noch nicht ganz erfüllen. Wie auch die Lenovo Legion Glasses leidet die ASUS-Brille vor allem daran, dass das auf den Displays angezeigte Bild weit entfernt wirkt, auch die Bildschärfe ist verbesserungswürdig. Hoffentlich bleibt es nicht bei einer Eintagsfliege, wir sind gespannt auf die nächste Generation.

Pro

  • Gute Verarbeitung
  • Bequemer Sitz
  • Alternative Nasenbügeln und Gläser für Verdunkelung und Korrektur bei Sehschwächen liegen bei

Contra

  • Bild in der Brille wirkt weit weg
  • Mäßige Auflösung
  • Unschärfe nimmt zum Rand hin zu
  • Mäßige Lautsprecher

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