Der Klang ist ein Meisterwerk: Diese Kopfhörer aus England demütigen Sony und Bose

7 Minuten
Wer Kopfhörer auf und nicht in den Ohren haben möchte, wird im kabellosen Bereich oft zu Sony, Bose oder Sennheiser geschickt. Manchmal auch zu Teufel. Doch Cambridge Audio haben wohl die wenigsten auf dem Zettel. Doch die Melomania P100 sollte man kennen, wenn man Musik liebt.
Der Klang ist ein Meisterwerk: Diese Kopfhörer aus England demütigen Sony und Bose
Der Klang ist ein Meisterwerk: Diese Kopfhörer aus England demütigen Sony und BoseBildquelle: Blasius Kawalkowski / inside digital

Ich lege das Pawns & Kings Album von Alter Bridge ein, tippe auf den ersten Song der Platte „This Is War“. Der Tiefenbass haut mich weg. Als der Gesang einsetzt, entwickelt sich der Gedanke: Das hier könnte einer der besten Kopfhörer sein, den ich bisher auf dem Kopf hatte. Ich hör den Song zu Ende, genieße den Klang. Danach versuche ich etwas Ruhiges. U2 mit „Love is Blindness“. Auch hier wummern die Tiefen beeindruckend durch den Kopf. Dieser Druck gefällt nicht jedem, ich liebe ihn. Der Klang steckt voller Energie. Ich leg „Sleeping (In The Fire)“ von W.A.S.P. auf und bin begeistert. Die Höhen sind kolossal: Ich kann förmlich spüren, wie Chris Holmes das Plektrum über die Saiten seiner Jackson Custom Rhoads navigiert.

Ein fantastischer Klang

Der Klang ist warm, druck- und temperamentvoll, teilweise explosiv, direkt und präzise. Mir gefällt die Klangsignatur der Melomania P100 so gut, dass ich gar nicht versucht bin, in der App an den Reglern des Equalizers herumzuschieben. Man kann aber, wenn man den Tiefbass etwas entschärfen möchte. Ich wechsle die Musikrichtung, tausche elektrische Gitarren gegen ein klassisches Piano, höre ein paar Stücke von Tom Waits, springe zum alten, besseren Rythm and Blues und wechsel von Aretha Franklin zu Moby. Es ist eine wunderbare musikalische Reise – und das nicht nur aufgrund der Musik. Die Kopfhörer überzeugen in jedem Stil und machen sich die Musikrichtung zu eigen. Zudem habe ich den Eindruck, dass der Klang besser wird, je lauter ich aufdrehe.

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Ich könnte ewig so weitermachen. Und im Grunde machen die Melomania P100 es einem auch leicht. Denn die Akkulaufzeit ist irre. Rund 100 Stunden Musik hören, ehe der Kopfhörer ans Ladekabel muss. Das ist eine wahnsinnig lange Zeit. Ist der Akku – der in dem Modell übrigens austauschbar ist – einmal leer, benötigt er fast zweieinhalb Stunden am Ladekabel, bis er wieder bei 100 Prozent ist. Aber: Wer die Melomania P100 für nur 5 Minuten an den elektrischen Tropf hängt, kann im Anschluss 4 Stunden Musik hören – mit ausgeschaltetem ANC, sagt Cambridge Audio. Dabei sollte man wissen: Die aktive Geräuschunterdrückung, das ANC, kann man die meiste Zeit ausgeschaltet lassen, manchmal sollte man es sogar tun.

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Das ANC der Kopfhörer: Gut, wenn man es braucht

Ich drücke auf Pause und unterbreche Benji Webbe von Skindread, nachdem er „Boom“ ins Mikrofon geschrien hat. Das ANC ist ausgeschaltet und: Es herrscht Stille. Das liegt vor allem an den Ohrpolstern, die derart gut abdichten, dass ich denke, das ANC sei bereits eingeschaltet. In so mancher Situation – etwa im Flugzeug oder in der Bahn – schalte ich das ANC ein, da es den konstanten Turbinen- oder Schienenlärm deutlich dämpft. Ansonsten lasse ich die Geräuschunterdrückung aus. Auch aus dem Grund, da sie ein Eigengeräusch hat. Hört man gerade keine Musik oder sehr leise, ist ein Rauschen hörbar. Nicht laut, aber es ist hörbar.

Das ANC der Kopfhörer ist nicht überragend, aber gut. Man kann es aber oft auch ausgeschaltet lassen.
Das ANC der Kopfhörer ist nicht überragend, aber gut. Man kann es aber oft auch ausgeschaltet lassen.

Der Tragekomfort

Bleiben wir bei der Kritik. Die soeben erwähnten Ohrpolster, die mit Memory-Schaumstoff gefüllt und mit Kunstleder überzogen sind, dichten nicht nur gut ab, sie umschließen die Lauscher auch komplett und sind angenehm weich. Die Ohrhörer der Melomania P100 sind also nicht das Problem. Der Bügel aber entwickelt sich nach einiger Zeit zu einem solchen. Nach einem Album am Stück ist noch alles gut. Hört man aber mehrere Stunden Musik, beginnt der Bügel oben auf dem Kopf unangenehm zu drücken.

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Ob er zu hart, zu schmal oder beides ist, ist an der Stelle zunächst egal. Vielleicht ist der Kopfhörer einfach zu schwer. Der Melomania P100 wiegt knapp 40 Gramm mehr als der Sennheiser Momentum 4 und 80 Gramm mehr als der Sony WH-1000XM5. In Verbindung mit der Schwerkraft und dem schmalen Bügel setzt so nach einer Weile der Schmerz ein.

Bedienung und der ganze andere Schnickschnack

Setzen viele Hersteller von Over-Ear-Kopfhörern gerne auf berührungsempfindliche Flächen, über die man mit Gesten Musik und Lautstärke steuert, geht Cambridge Audio den Teufel-Weg und setzt auf fühlbare Taster. Im Grunde dürfte das eine Geschmackssache sein, hat aber den Vorteil, dass man Musik nicht versehentlich pausiert, weil man an die berührungsempfindliche Stelle des Ohrhörers kommt, wenn man sich am Kopf kratzt.

Die Bedienung der Melomania P100 ist einfach, die App übersichtichtlich.
Die Bedienung der Melomania P100 ist einfach, die App übersichtichtlich.

Darüber hinaus bieten die Melomania P100 Bluetooth 5.3 mit Multipoint. Das bedeutet: Man kann den Kopfhörer mit zwei Geräten gleichzeitig verbinden. Dabei kann man in der App auf dem Handy am Equalizer schrauben, während die Musik etwa vom Laptop kommt. Setzt man den Kopfhörer ab, pausiert die Musik auf Wunsch. Das lässt sich in der App auch ändern. Zudem gibt es aptX Loselsess als Audio-Codec und ein paar Mikrofone, die die eigene Stimme beim Telefonieren oder in Videokonferenzen ziemlich klar und verständlich ans andere Ende transportieren.

Das Case ist, wie der Kopfhörer auch selbst, ein wenig ausladend.
Das Case ist, wie der Kopfhörer auch selbst, ein wenig ausladend.

Apropos Transport: Cambridge Audio macht die Ohrhörer der Melomania P100 zwar um 180 Grad drehbar, der Kopfhörer lässt aber ansonsten keinen Faltvorgang zu. Er liegt damit in etwa so im Case, wie er auf dem Kopf sitzt: ausladend. Das sorgt dafür, dass das Case im Vergleich zu anderen Modellen deutlich größer ausfällt. Man muss beim Transport, also etwa im Rucksack, etwas mehr Platz für den Melomania P100 einrechnen.

Melomania P100 im Test-Fazit: Besser als Bose, Sennheiser und Sony?

Die Melomania P100 wirken deutlich hochwertiger als die teuren Plastik-Modelle von Sony oder Sennheiser. Was den Klang angeht, kann der britische Kopfhörer locker mit dem Momentum 4 mithalten und übertrifft aus meiner Sicht den Sony WH-1000XM5. Das ANC ist nicht überragend, aber gut – zumal man es dank Eigenisolierung der Polster eigentlich nur selten benötigt. Bei der Akkulaufzeit macht kein anderer Kopfhörer dem Melomania P100 etwas vor. Wäre da nicht der schmale Bügel, der nach einer Zeit zu sehr auf den Kopf drückt. Wer ein, zwei Alben am Stück durchhört, muss nichts befürchten. Bei mehr als zwei Stunden aber beginnen die Kopfhörer unangenehm zu drücken.

Beim Klang geht es derzeit kaum besser.
Beim Klang geht es derzeit kaum besser.

Doch dann spielt der Preis den Melomania P100 in die Karten. Denn der Kopfhörer ist schon ab rund 240 Euro erhältlich. Der Bose QuietComfort Ultra kostet gut 300 Euro. Ebenso wie der Sony WH-1000XM5. Der Melomania P100 war auf dem Weg, mein neuer Lieblingskopfhörer ohne Kabel zu werden. Da ich aber häufig viele Stunden Musik am Stück höre, schafft er es nicht. Der Bügel, Cambridge Audio, der Bügel! Aber: Ich habe gehört, dass der Bügel nach einiger Zeit nicht mehr so sehr drücken soll, wie zu Anfang. Sollte ich das feststellen, gibt es an dieser Stelle ein Update und eine klare Kaufempfehlung.

Und wer doch lieber In-Ears haben möchte: Mit dem Melomania M100 (im Test) hat Cambridge Audio auch ein Paar hervorragende kleine Kopfhörer im Handel.

Cambridge Audio Melomania P100 im Test

Pro

  • Kolossale Klangsignatur
  • Gutes ANC
  • Irre Akkulaufzeit
  • Hochwertige Materialien
  • Enorme Ausstattung

Contra

  • Tragekomfort aufgrund des Bügels nur Mittelmaß
  • ANC mit leisem Eigenrauschen
  • Etwas groß und ausladend (auch im Case)

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