Volla Phone 22 im Test: Deutsches Handy ist so fantastisch wie miserabel

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Mit dem Volla Phone 22 hat endlich wieder ein deutsches Smartphone die Marktreife erreicht. Und zwar kein 08/15-Modell, sondern ein Handy, mit wahrlich herausragender Software. Doch kann die Hardware da mithalten? So schlägt sich das Volla Phone 22 im Test.
Volla Phone 22 Handy Smartphone
Volla Phone 22 im TestBildquelle: Artem Sandler / inside digital

Deutsche Smartphones sind mittlerweile so selten, dass sie zu den geschützten Arten gehören sollten. Handys aus den USA und China dominieren den Markt. Doch ein kleines Unternehmen aus Deutschland, Hallo Welt Systeme UG, hält dagegen – mit den sogenannten Volla Phones. Dabei handelt es sich um ganz besondere Mobiltelefone. Wobei das Wort „besonders“ sowohl positiv als auch negativ zu verstehen ist. Denn das aktuelle Flaggschiff, dem Volla Phone 22, ist ein Smartphone der Kontraste. Soll heißen: In einigen Bereichen ist das Handy praktisch sämtlichen Konkurrenzprodukten weltweit meilenweit überlegen – sei es Samsung, Apple oder Xiaomi. An anderen Stellen jedoch kann es noch nicht einmal modernen Einsteiger-Handys das Wasser reichen. Doch welche Stellen sind das?

Einzelne Wertungen im Detail:

  • Gehäuse: 3,5 von 5 Sternen
  • Display: 3,5 von 5 Sternen
  • Ausstattung: 3 von 5 Sternen
  • Kamera: 2 von 5 Sternen
  • Software: 3 von 5 Sternen
  • Akku: 3 von 5 Sternen

Volla Phone 22 im Test: Extravagant bis zum geht nicht mehr

Optisch wirkt das Volla Phone 22 grundsätzlich wenig spektakulär. Es bietet relativ breite Gehäuse-Ränder am Display, ist recht breit und das Kamera-Modul ist gänzlich in das Gehäuse integriert. Letzteres mag zwar optisch nicht sonderlich überzeugen, punktet allerdings in Sachen Handlichkeit. Die glatte Rückseite hinterlässt derweil keine Fingerabdrücke; dennoch empfiehlt es sich, eine Schutzhülle zu erwerben. Einerseits aus offensichtlichen Gründen. Andererseits jedoch, weil die Rückseite so rutschig ist, dass es selbst bei geringer Neigung des Ablageorts sofort gen Boden gleitet. Bleibt zu erwähnen, dass die Dicke optisch zwar abschrecken mag, dafür liegt das Handy gut in der Hand. Lediglich der Fingerabdrucksensor sollte lieber an die Seite und in den Power-Button verlagert werden. Auf der Rückseite haben sich Fingerabdrucksensoren bei anderen Herstellern nicht lange gehalten. Und dafür gibt es gute praktische und stilistische Gründe.

Das Display des Volla Phone 22 misst indes gute 6,3 Zoll und löst mit 1.080 x 2.340 Pixeln in Full-HD auf. Daraus ergibt sich eine handelsübliche Pixeldichte von rund 409 ppi. Dafür überzeugen die Schwarzwerte und Farben aufgrund des verbauten IPS-Panels nur bedingt. Und ein Always-on-Display ist ebenfalls vom Tisch.

Leistung und Speicher

Das Herzstück des Volla Phone 22 stellt der Prozessor Mediatek Helio G85 dar. Dieser wurde 2020 vorgestellt und gehörte damals zur oberen Mittelklasse. In unserem Benchmarktest konnte er jedoch – unterstützt von 4 GB Arbeitsspeicher – nicht sonderlich überzeugen. So erreichte das Handy im Antutu-Benchmark 205.277 Punkte. Damit positioniert es sich in unserer Testtabelle zwischen dem 2019 vorgestellten Samsung Galaxy A80 (obere Mittelklasse) und dem 2018 eingeführten Huawei Honor Play (untere Mittelklasse). Und auch im Rahmen unseres Tests wies das Handy immer mal wieder größere Ruckler auf, die im Jahr 2023 und in dieser Preisklasse ansonsten beinahe nicht existent sind. Dafür ist der interne Speicher mit 128 GB auf der Höhe. Und wer mag, kann diesen bequem per Micro-SD-Karte um bis zu 512 GB erweitern – das ist heutzutage ebenfalls nicht mehr weit verbreitet.

Bleibt noch die Konnektivität. Hier ist das Handy auf einem guten 2019er-Niveau. Heißt: Beim WLAN unterstützt das Handy die Übertragungsstandards IEEE 802.11 a/b/g/n/ac und beim Mobilfunk 4G respektive LTE. Die beiden 2019 eingeführten Standards Wi-Fi 6 (ax) und 5G sind hingegen nicht mit an Bord. Gleiches gilt auch für Bluetooth. So sucht man vergebens nach dem ebenfalls 2019 vorgestellten Standard Bluetooth 5.1. Für die technische Fertigung des Volla Phone 22 ist übrigens Gigaset, ein börsennotierter Hersteller mit Sitz in Bocholt, verantwortlich.

Akku

Beim Energieträger setzen die Entwickler auf eine Kapazität von 4.500 mAh. Damit ist das Handy zwar eher unterdurchschnittlich unterwegs, doch in unserem Akkutest – durchgeführt mit der PCMark-Software – bewies das Handy, dass es mit der geringen Kapazität umzugehen weiß. So erreichte das Volla Phone 22 mit 12 Stunden und 35 Minuten eine durchaus passable Wertung. Interessant ist zudem, dass sich das Handy auch kabellos mittels Induktion laden lässt. Doch das wahre Highlight ist ein anderes.

Denn der verbaute Lithium-Polymer-Akku lässt sich problemlos auswechseln – wie es früher bei den Feature-Phone gang und gäbe war. Heute ist es derweil eine große Stärke, denn neben eingestellten Sicherheitsupdates dürften Kapazitätsverluste beim Akku zu den wichtigsten Gründen gehören, die für eine Neuanschaffung sprechen. Einen Haken hat die Sache dann allerdings doch: Mit 18 Watt Ladeleistung ist die Ladegeschwindigkeit sehr niedrig. In unserem Test hat es über vier Stunden gedauert, bis der Energiespeicher wieder vollständig geladen war.

Kamera

Die Kamera stellt eine der größten Schwächen des Volla Phone 22 dar. Auf dem Papier besteht die rückseitige Hauptkamera aus einem Weitwinkel-Sensor mit einer Auflösung von 48 Megapixeln sowie einer eher kleinen Blende von f/1.79 und einer Ultraweitwinkel- sowie Makrokamera. In der Praxis versah der Hauptsensor sämtliche Aufnahmen trotz eingeschalteter HDR-Funktion mit einem gesunden Weißstich, und den Himmel oftmals mit toten Pixeln. Und das trotz guter Lichtverhältnisse. Wer den 8-Megapixel-Sensor ansteuern möchte, muss derweil eine ganze Weile suchen. Denn dieser versteckt sich hinter dem Kamera-Symbol oben rechts, der in der Regel ausschließlich zum Einschalten der Frontkamera verwendet wird.

Ferner sind die üblichen Kameraeinstellungen größtenteils nicht existent und eine Bildstabilisierung sucht man ebenfalls vergebens – was auch an den Ergebnissen zu erkennen ist. Kurzum: Die Kamera-Sensoren des Volla Phone 22 sind lediglich dazu geeignet, funktionale Bilder aufzunehmen. Also etwa als Erinnerungsstütze oder um eine Begebenheit zu dokumentieren. Selbst ambitionslose Hobbyfotografen müssen derweil zwangsläufig zu einem anderen Smartphone greifen.

Die Frontkamera löst ihrerseits mit 16 Megapixeln auf, bietet allerdings eine vergleichbare Bildqualität.

Stärken des Volla Phone 22

Mit seiner Leistung wird das Volla Phone 22 keine Preise gewinnen können. Das gilt sowohl für die Leistung des Prozessors und der Kamera als auch für die des Akkus und der Konnektivitäts-Elemente. Dafür bietet das deutsche Handy zahlreiche andere Vorzüge, die ansonsten höchstens vereinzelt oder überhaupt nicht vorzufinden sind. Den Anfang macht dabei der bereits erwähnte auswechselbare Akku. Hinzu kommt ein 3,5-Millimeter-Klinkenstecker, ein um 512 GB erweiterbarer Speicher und eine Software, die ihresgleichen sucht – und zwar vergeblich.

Der Hersteller setzt nämlich auf eine gänzlich überarbeitete und Google-freie Version von Android – Volla OS. Das Betriebssystem ist extrem minimalistisch gehalten und zeichnet sich in erster Linie durch eine schlichte wenngleich etwas gewöhnungsbedürftige Menüführung aus. Hinzu kommt ein sogenanntes Sprungbrett. Auf der Website des Anbieters heißt es dazu: „Fangen Sie einfach an zu schreiben und Ihr Volla Phone erkennt, was Sie tun wollen und bietet passende Vorschläge.“ Das funktionierte im Test allerdings nur bedingt, denn bei den „passenden Vorschlägen“ handelte es sich größtenteils um „Im Internet suchen“ oder „Notiz erstellen“.

Datenschutz wird großgeschrieben

Was dagegen gut funktionierte, sind die zahlreichen angepriesenen Datenschutz-Elemente wie eine anonyme Handynutzung ohne Benutzerkonto und die beiden App-Stores Aurora sowie F-Droid. Ersterer bietet dabei Hinweise auf Tracker, während Letzterer alternative quelloffene Apps anbietet. Und auch sonst ist das Handy sehr auf Datenschutz getrimmt. So arbeitet es ohne Cloud-Anbindung, setzt auf einen vergleichsweise sicheren Browser (Fennec F-Droid) mit DuckDuckGo-Suchmaschine und einem nach eigenen Angaben Log-freien VPN (hide.me). Auch sonstige Apps wie etwa das Adressbuch wurden durch quelloffene Anwendungen ersetzt. Wer nun an Huawei und dessen Google-freien Apps denkt, der täuscht sich jedoch. Denn anders als auf Huawei-Geräten lassen sich Google-Dienste hier auf Wunsch problemlos als App nachrüsten.

So viel zum Volla OS-Betriebssystem. Doch das ist nur eine Facette des Volla Phone 22. Denn genauso wie auf einem handelsüblichen Rechner lassen sich hier mehrere Betriebssysteme nebeneinander installieren und nach Belieben booten. So können Käufer beispielsweise zwischen Volla OS und Ubuntu Touch, einem auf Linux basierenden Betriebssystem, wählen. Letzteres erwies sich im Test zwar als nicht sonderlich ausgereift – was man sofort an abgeschnittenen Schriftzeichen wie der Uhrzeit in den gebogenen Ecken des Displays erkennen konnte, überlässt die Kontrolle über das Gerät dafür praktisch uneingeschränkt dem Anwender.

Systemupdates sind derweil lediglich für zwei Jahre garantiert. Allerdings möchte der Hersteller auch über diesen Zeitraum hinaus weitere Systemaktualisierungen anbieten.

Schwächen des Volla Phone 22

Dass das Volla Phone 22 nicht ohne Schwächen daherkommt, dürfte inzwischen klar sein. Diese haben wir inzwischen jedoch größtenteils aufgeführt. Sei es das hackende Betriebssystem, die praktisch unbrauchbare Kamera oder die unterdurchschnittliche Rechenleistung. Auch bei der Konnektivität könnte das Handy ein Upgrade vertragen, das ist im Alltag jedoch objektiv gesehen nicht zwingend notwendig. Anders als eine IP-Zertifizierung, die dem Handy Schutz gegen Wasser und Staub bescheinigen würde. Diese fehlt hier nämlich komplett. Und zu guter Letzt: Unter Volla OS tauchen gelegentlich Textfragmente in der englischen Sprache auf. Das ist ein bekanntes Problem bei chinesischen Smartphones. Bei einem Mobiltelefon Made in Germany sollte dieses jedoch höchstens andersherum vorhanden sein.

Fazit

Das Volla Phone 22 ist ein ganz besonderes Handy, das in Sachen Privatsphäre und Datenschutz praktisch konkurrenzlos ist. Hier waren die Funktionen so zahlreich, dass wir diese nicht alle hatten erwähnen können. Bekannte Hersteller wie Samsung oder Apple können da noch nicht einmal ansatzweise mithalten. Dafür bieten diese in der Regel hervorragende Hardware – im Gegensatz zum Volla Phone 22. So ergab unser Test, dass die Technik der Software hoffnungslos unterlegen ist. Bei einem Kaufpreis von 452 Euro bekommen Käufer bei der Konkurrenz deutlich mehr geboten. Ob die Software allein diesen rechtfertigt, muss jeder für sich entscheiden.

Volla Phone 22 im Test

Pros des Volla Phone 22:

  • mehrere Betriebssysteme
  • interessante Nutzeroberfläche
  • hervorragende Datenschutz-Features
  • Akku wechselbar

Contras des Volla Phone 22:

  • unbrauchbare Kamera
  • geringe Rechenleistung
  • lange Ladedauer
  • ziemlich teuer

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