Als ich Chernobylite zum ersten Mal gestartet habe, hatte ich hohe Erwartungen an das neue Spiel aus Russland. Die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl fasziniert und beschäftigt mich seit Jahren, also sprach mich das Konzept des Spiels direkt an. Ob meine Hoffnungen erfüllt wurden und sich das Spiel tatsächlich lohnt, verrate ich dir hier.
Tschernobyl – Ein Kulturphänomen
Die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl ereignete sich am 26. April 1986. Was damals ein tragischer Unfall war, um das es viel Geheimhaltung und Korruption gab, bahnt sich langsam mehr und mehr einen Weg in die Pop-Kultur.
Wir haben es zuvor schon an S.T.A.L.K.E.R. gesehen, nicht zuletzt an der Doku-Serie von HBO: Tschernobyl fasziniert die Menschen. Es ist die radioaktive Strahlung, der unsichtbare Feind, welcher die Menschen staunen lässt. So gefährlich und doch vollkommen unsichtbar. Die Auswirkungen der Strahlung sind enorm, Mutationen, die berüchtigte und grausame Strahlenkrankheit und vieles mehr. Schon seit jeher hat die Radioaktivität die Fantasie der Menschen angeregt.
Von schrecklichen Mutanten bis hin zur kompletten Zerstörung der Welt im nuklearen Krieg. Eines ist klar: Radioaktivität sorgt für Angst. Die Reaktor-Katastrophe von Tschernobyl ist somit zum Symbol für das gefürchtete, unbekannte geworden. Nie zuvor gab es einen so verheerenden Unfall, welcher so viele Menschen in der ganzen Welt beeinflusste. Was vorher als die sauberste und sicherste Methode zur Energiegewinnung angepriesen wurde, war nun der Grund für Angst.
An der Grenze zwischen Fiktion und Realität
Chernobylite befindet sich an einem interessanten Schnittpunkt zwischen den realen Erlebnissen der Reaktorkatastrophe von 1986 und Elementen der reinen Fiktion. In Teilen ist das Spiel immens realistisch, so zeigt es beispielsweise originale Aufnahmen in der Einleitung des Spiels und die Karte des Spiels wurde echten 3D-Scans von Tschernobyl nachempfunden.
Dennoch handelt es sich hier um ein Science-Fiction-Spiel. Das bereits im Namen des Spiels angedeutete “Chernobylite” gibt es in der Realität nicht. Im Spiel ist Chernobylite ein neuartiges Element, welches als instabile Energiequelle die Möglichkeit hat, Raum und Zeit zu manipulieren. Dies ist in der realen Welt selbstverständlich undenkbar.
Das Spiel bewegt sich also definitiv im Bereich von Science-Fiction fort, beinhaltet allerdings weitreichende, realitätsnahe Elemente, welche das Spiel immersiver und glaubhafter gestalten. Auch die Story des Spiels ist frei erfunden, beinhaltet jedoch im Kern Elemente, welche nicht vollkommen unrealistisch sind.
Die Story von Chernobylite
Bereits ganz am Anfang des Spiels wird Tatyana als Vision des Protagonisten, Igor, eingeführt. Sie ist deine Verlobte, welche bei der Reaktorkatastrophe vor 30 Jahren verloren ging. Sie gibt Tipps, leitet dich durch den Wald und gibt dir ihre Einschätzungen zu manchen Entscheidungen. Ob du letzten Endes auf ihre Ratschläge hören möchtest, überlässt das Spiel allerdings vollkommen dir selbst.
Der erste Teil der Story führt dich direkt ins Herz der Zone: zum Atomkraftwerk selbst. Du wirst von zwei angeheuerten Soldaten begleitet und dein Ziel ist es, neuartiges Chernobylite zu sammeln. Doch kaum gelingt dir dies, erscheint ein Feind, welcher dich noch lange verfolgen wird.
Wie gelungen ist Chernobylite?
Der Start des Spiels ist etwas verwirrend und springt zwischen verschiedenen Elementen hin und her. Anfangs mag einen diese sprunghafte Art des Storytellings etwas aus dem Konzept bringen, doch sie dauert nicht lange an. Die Sprünge zwischen Tutorial Sequenzen, Visionen und dann dem Anfang der tatsächlichen Story bereiten einen gut auf die turbulente Welt von Chernobylite vor.
Chernobylite ist ein Spiel mit extrem viel Potenzial. Die Entwickler wollten immens viel mit dem Spiel erreichen, neben einem Kampf- und Waffensystem, Basebuilding und einer interaktiven Open-World Erfahrung gibt es noch viele andere Elemente wie ein Teammanagement, die in das Spiel einfließen. Insgesamt ist dies auch gelungen, doch es ist kein Zufall, dass große Entwicklerstudios sich oftmals auf nur ein paar dieser Elemente beschränken.
Desto mehr verschiedene Systeme und Mechaniken in ein Spiel einfließen, desto höher ist die Chance für Fehler und Unklarheiten. Diese kleinen Mängel zeigen sich bei Chernobylite nicht in den einzelnen Systemen, welche bisher für mich ideal funktioniert haben, sondern in allgemeineren Problemen.
Das erste Problem ist die Bewegungsunschärfe. Ich bin kein empfindlicher Mensch, doch sie ist so hoch eingestellt, dass sogar mir etwas mulmig wurde. Glücklicherweise kann man diese jedoch ganz einfach im Menü deaktivieren. Des Weiteren hat das Spiel ein immenses Problem mit Screen Tearing. Die Framerate ist zwar bei 60FPS sehr stabil und fällt nur in Ladesequenzen, wo sie keine Probleme bereitet, dennoch ist das Screen Tearing teils extrem.
Zum Glück für Chernobylite passt das Screen Tearing aber auf komische Weise gar in das Spielerlebnis herein. Neben sämtlichen anderen Effekten wirkt es gar nicht so befremdlich. Jedoch merkt man in friedlicheren Momenten wie beim Basebuilding, dass es definitiv ein Mangel an einem sonst gelungenen Spiel ist.
Ansonsten ist das Spiel wirklich ein Hit: Visuell ist es extrem ansprechend, die Karte ist tatsächlich unheimlich akkurat und realistisch. Der Dialog ist gut gemacht und die wichtigsten Mechanismen im Spiel funktionieren problemlos.
Fazit zu Chernobylite
Für jeden Interessierten ist Chernobylite definitiv eine klare Empfehlung. Das Spiel ist gut gemacht, nicht zu teuer und man bekommt, was man erwartet. Die kleineren Mängel bezüglich Bewegungsunschärfe und Motion-Blur lassen sich leicht überschauen. Ich werde definitiv noch viele Stunden im Spiel verbringen und kann es nur weiterempfehlen. Gerade vor dem Hintergrund, dass es von einem relativ kleinen Studio entwickelt wurde, ist das Spiel ein voller Erfolg.