Polestar 3 im ersten Test: So gut fährt das neue Full-Size-SUV

8 Minuten
Wie gut schlägt sich der Polestar 3 im Alltag? Wir haben ihn in den bayerischen Voralpen auf die Probe gestellt. Mit der Performance-Variante des SUVs haben wir überprüft, wie gut das E-Auto abliefern kann. Und so viel sei vorab verraten: Polestar überzeugt vielfältig.
Hayo Lücke, Redakteur von inside digital, hinter dem Polestar 3 im Test.
Wie gut fährt es sich im Polestar 3? Wir haben es für dich getestet.Bildquelle: inside digital

SUV trifft auf Sportwagen. So lässt sich in einem Satz beschreiben, was die Volvo- (hält noch 18 Prozent der Polestar-Anteile) und Geely-Marke Polestar jüngst mit dem Polestar 3 auf den Markt gebracht hat. Eine niedrige Dachlinie sorgt bei dem Fullsize-SUV für eine optimierte Aerodynamik. Sogenannte Aero Wings am vorderen Ende der Motorhaube und am Heck führen den Luftstrom für einen höheren Anpressdruck über das Fahrzeug hinweg und sorgen so für eine größere Stabilität. Zudem ist es den Designern mit der Hilfe von sogenannten Aero Blades am Heck gelungen, den Luftwiderstand zu reduzieren.

Polestar 3 im Test: Aufgeräumt und bei Bedarf mit satter Audioleistung

Im Innenraum – serienmäßig mit einem nicht abdunkelbaren Panoramaglasdach ausgestattet – dürfen sich Käufer des E-Autos auf ein minimalistisch anmutendes, typisch skandinavisches Design freuen, das keinen Platz für Schnickschnack lässt. Trotzdem oder gerade deswegen fühlt man sich von der ersten Sekunde an wohl. Die Verarbeitung mutet trotz nachhaltiger Materialien hochwertig an. In den Mittelpunkt stellen die Designer ein 14,5 Zoll großes und vertikal ausgerichtetes Infotainment-Display. Über diesen Touchscreen findet fast die gesamte Steuerung statt. Nur einzelne Angleichungen sind über das Multifunktionslenkrad möglich – weitgehend intuitiv.

Blick auf das Cockpit des Polestar 3.
Ein aufgeräumtes Cockpit zeichnet das Interieur des Polestar 3 aus.
Blick vom Fahrersitz des Polestar 3 nach hinten.
Die Sicht nach hinten ist im Polestar 3 eingeschränkt.

Die im Polestar 3 hinterlegte Software basiert auf Android Automotive, was die Nutzung von Google-Diensten möglich macht. Insbesondere Google Maps als Navigationssystem ist hier ein echter Mehrwert. Es zeigt unter anderem den zu erwartenden Rest-Akkustand am Zielort an. Und das erfahrungsgemäß ziemlich präzise. Hinter dem Lenkrad ist ein zweites LCD-Display zu finden. Hier werden auf 9 Zoll alle für den Fahrer wichtigen Informationen zusammengefasst. Auf Knopfdruck auf Wunsch auch das Kartenmaterial für die Navigation.

Auch für die Familie ist der Polestar 3 gut geeignet

Praktisch: Es stehen bis zu sechs Fahrerprofile zur Verfügung, die vor Fahrtantritt über den Touchscreen auswählbar sind. Einstellungen für die Seitenspiegel, die Sitze oder das Lenkrad werden dann automatisch nach entsprechender Auswahl angepasst. Umständlich: Für das Handschuhfach ist kein Öffnen mit der Hand vorgesehen. Auch das klappt nur über den Touchscreen. Inkonsequenterweise aber nicht in die andere Richtung. Für das Schließen ist wiederum die Hand notwendig.

Wer sich für das aufpreispflichtige Plus-Paket für 6.000 Euro entscheidet, kann auch ein Head-up-Display nutzen. Zudem ist dann ein hochwertiges Audio-System von Bowers & Wilkins inklusive, das mit Dolby-Atmos-Unterstützung und 3D-Surround-Sound ein wahrlich beeindruckendes Audio-Erlebnis bietet. Nicht weniger als 25 Lautsprecher und 1.610 Watt Audio-Gesamtleistung sorgen für ein spektakuläres Kino-Feeling. Selbst in den vorderen Kopfstützen sind dann jeweils zwei leistungsfähige Lautsprecher verbaut. Musikfans werden dieses Extra lieben. Standardmäßig kommt der Polestar 3 mit zehn Lautsprechern und nur 300 Watt Audioleistung zum Kunden.

Frontansicht des Polestar 3.
Polestar 3 in der Frontansicht.

Komfortable Fahreigenschaften

Besonders hervorzuheben ist im Polestar 3 der hohe Fahrkomfort. Während unserer Testfahrt durch Südbayern konnten wir uns unter anderem von den Vorzügen der sensorgesteuerten aktiven Luftfederung überzeugen, die anstelle herkömmlicher Stoßdämpfer verbaut ist. Sie ermittelt rund 500 Mal pro Sekunde den Fahrzeugzustand und die aktuellen Straßenverhältnisse und passt so die Höhe des Fahrzeugs automatisch an die aktuellen Gegebenheiten an.

Auf der Autobahn kann sich der Polestar 3 beispielsweise um 10 Millimeter absenken, um mit der gewonnenen Windschnittigkeit etwas Energie zu sparen. In der Offroad-Position ist eine Anhebung des Wagens um 50 Millimeter möglich. Ein echter Geländewagen wird der das SUV dadurch natürlich noch lange nicht. Nutzbar ist die Luftfederung übrigens nur mit den teureren Allradmodellen. Auch beim Lenkgefühl stehen drei Stufen zur Wahl ("Leicht" / "Standard" / "Fest").

Seitenansicht der Front am Polestar 3.
Selbst in der Seitenansicht ist der kleine Spoiler an der Motorhaube des Polestar 3 kaum zu erkennen.
Seitenansicht des Hecks am Polestar 3.
Der Spoiler am Heck des Polestar 3 bleibt hingegen niemandem verborgen.

Für Sicherheit sorgen zahlreiche Sensoren und Kameras. Zwölf Ultraschallsensoren, eine Frontradareinheit sowie neun Außen- und zwei Infrarot-Innenkameras zur Augenverfolgung sind hier zu nennen. Serienmäßig ist unter anderem ein adaptiver Tempomat an Bord. Mit dem optionalen Pilot-Paket (+2.800 Euro) gibt es unter anderem auch einen im Test auf der Autobahn gut funktionierenden Spurwechselassistenten und eine praktische 360-Grad-Kamera, die unter anderem das Einparken auf Parkflächen vereinfacht.

Für 5.000 Euro Aufpreis ist es möglich, sich für das Pilot-Paket mit LiDAR zu entscheiden. Dann wird die Umgebung des Fahrzeugs für noch mehr Sicherheit per Laser abgetastet und in 3D nachgebildet. Die Verarbeitung der zusätzlichen Daten, die auch von drei weiteren Kameras kommen, wird über einen zusätzlichen Prozessor von Nvidia sichergestellt.

Verkehrszeichenerkennung hat Probleme

Nicht überzeugen konnte im Test die Verkehrszeichenerkennung. Zwischendurch wurden immer wieder unzutreffende Höchstgeschwindigkeiten angezeigt. Allzu sehr sollte man sich nicht auf die vom Polestar 3 angezeigten Verkehrsschilder verlassen. Hier muss der Hersteller dringend nachbessern, sofern dies über ein Software-Update möglich ist.

Heckansicht des Polestar 3.
Heckansicht des Polestar 3.

Wer sich für den von uns getesteten Polestar 3 mit Performance Paket entscheidet, kann über das Zentraldisplay einen Performance-Modus aktivieren und dann deutlich dynamischer zur gewünschten Geschwindigkeit spurten. Wer ordentlich das Strompedal tritt, wird gehörig in den Sitz gepresst. Das ist gleichermaßen beeindruckend wie ungestüm. Der Spurt von 0 auf 100 km/h gelingt laut Hersteller in flotten 4,7 Sekunden.

Standardmäßig beschleunigt das Fahrzeug wesentlich sanfter. Und angenehmer! Dennoch schiebt der Polestar 3 auch ohne eingeschalteten Performance-Modus ordentlich nach vorn. Für den Alltag ist das mehr als ausreichend. Den Performance-Kick braucht es allenfalls bei zügigen Überholvorgängen oder im Extremfall auf der Rennstrecke. In der Spitze erreicht der Polestar 3 übrigens bis zu 210 km/h.

Etwas umständlich: Die Stärke der Rekuperation lässt sich nicht über Schaltwippen hinter dem Lenkrad einstellen, sondern ebenfalls nur über das Center-Display. "Stark", "Niedrig" und "Aus" stehen zur Wahl. Wer sich für die starke Energierückgewinnung entscheidet, kann komfortables One-Pedal-Driving nutzen. Die Gänge werden über einen Schalthebel hinter dem Lenkrad eingelegt; an der Mittelkonsole ist nur eine Drehtaste für die Mediensteuerung zu finden.

Medientaste im Polestar 3.
Drehtaste zur Mediensteuerung im Polestar 3.

Präzise Verbrauchswerte zu ermitteln, war während unseres Tagestrips durch die Voralpen nur eingeschränkt möglich. Auf den örtlichen Landstraßen lag der Verbrauch des rund 2,6 Tonnen schweren SUV laut Bordcomputer abschnittweise zwischen 18,2 und 23,6 Kilowattstunden (kWh) pro 100 Kilometer. Im Schnitt haben wir knapp 22 kWh / 100 Km ermittelt. Polestar selbst gibt einen WLTP-Verbrauch von 22,1 bis 23 kWh/100 km an.

Überragendes Platzangebot

Neben den agilen Fahreigenschaften noch viel beeindruckender ist die bereitstehende Beinfreiheit. Wer im Polestar 3 Platz nehmen darf, findet sich fast schon in einem Wohnzimmer auf Rädern wieder. Nicht nur auf den vorderen Plätzen, sondern gerade auch hinten. Selbst wenn Fahrer und Beifahrer mit ihren Sitzen ganz nach hinten rücken, ist für Sitzriesen im Fond ein komfortables Reisen möglich. Die Knie stoßen nicht an die Vordersitze, bequemes Ein- und Aussteigen ist jederzeit möglich. An dieser Stelle macht sich nicht nur die Länge des Fahrzeugs (4,90 Meter) positiv bemerkbar, sondern auch der lange Radstand (2,99 Meter).

Im Kofferraum finden laut Herstellerangaben bis zu 597 Liter Platz. Mit Kofferraum-Abdeckung sind es bis zu 484 Liter. Wer die Rücksitze umklappt, darf sich über 1.411 Liter Stauraum freuen. Jeweils inklusive 90 Liter Stauraum unter dem eigentlichen Laderaumboden. Ähnliche Werte erreichen unter anderem der Nissan Ariya (Test) oder der BMW iX2 (Test). Unter der Motorhaube ist ein weiteres Staufach mit einem Volumen von 32 Litern zu finden. Klappbar ist der Laderaumboden nur, wenn man sich für das Plus-Paket entscheidet.

Im Kofferraum des Polestar 3 ist ein praktischer Unterboden nutzbar.
Im Kofferraum des Polestar 3 ist ein praktischer Unterboden nutzbar.

Die große, elektrische Heckklappe mit Fußsensor ist hingegen grundsätzlich Teil der Serienausstattung. Noch mehr Komfort ist über Knöpfe im Kofferraum ansteuerbar. Um Ladung bequemer im Kofferraum verstauen zu können, ist es etwa möglich, das Fahrzeug über die aktive Luftfederung um rund 40 Millimeter abzusenken. Ebenfalls auf Knopfdruck fährt automatisch eine optionale Anhängerkupplung hervor. Denn je nach gewähltem Modell sind zwischen 1,5 und 2,2 Tonnen Anhängelast mit dem Polestar 3 zu ziehen.

Anhängerkupplung am Polestar 3.
Optional erhältlich: Eine Anhängerkupplung am Polestar 3.

Was kostet der Polestar 3?

Bei aller Freude über die vielen technischen Highlights gibt es aber auch weniger erfreuliche Nachrichten. Denn der Polestar 3 ist so ziemlich alles, aber kein Schnäppchen. Die Variante mit Heckantrieb und 220 kW (299 PS) startet bei 78.590 Euro, mit Allradantrieb (360 kW / 489 PS) stehen mindestens 81.590 Euro auf dem Preisschild. Und wenn es das von uns getestete Modell mit Performance-Paket sein soll (380 kW / 517 PS), muss man bereit sein, mindestens 88.190 Euro zu investieren.

Wer sich für die limitierte und schneller verfügbare Launch-Edition des Polestar 3 mit Allradantrieb entscheidet, muss mindestens 88.400 Euro zahlen, darf sich aber über bereits inkludiertes Plus- und Pilot-System freuen. Noch bis zum 15. November 2024 ist es möglich, sich im Rahmen der Polestar Launch Weeks einen Rabatt in Höhe von 4.000 Euro zu sichern.

Hayo Lücke, Redakteuer von inside digital, steht vor dem Polestar 3.
Vergleichsweise flach präsentiert sich der Polestar 3 seinen potenziellen Käufern.

In allen Fällen sind eine 111 kWh große Batterie und ein 400-Volt-System an Bord. Die WLTP-Reichweite schwankt je nach Modell zwischen 561 und 650 Kilometern. Eine Wiederaufladung ist an Normalladesäulen und an der heimischen Wallbox mit bis zu 11 kW möglich; an Schnellladesäulen sind unter idealen Bedingungen bis zu 250 kW drin. Eine Wärmepumpe ist serienmäßig verbaut.

Auf das Fahrzeug gewährt Polestar zwei Jahre Garantie, auf die Batterie acht Jahre (bis 160.000 Kilometer). Zudem ist der Polestar 3 mit einer Garantie über zwölf Jahre gegen Durchrostung ausgestattet. Bei den Rädern stehen fünf Optionen mit Größen zwischen 20 und 22 Zoll zur Wahl. Bei den Lackierungen sind derzeit sechs Auswahlmöglichkeiten vorgehalten.

Kommentar

Von Hayo Lücke

Full-Size-SUVs versprechen viel Platz und viel Fahrkomfort. Das ist beim Polestar 3 nicht anders, allerdings vermittelt er eher ein sportliches als ein wuchtiges Gesamterscheinungsbild. Optisch kaum auffallende Spoiler sorgen für eine bessere Aerodynamik, die durch eine sanft nach hinten abfallende Dachlinie und damit einhergehende Coupé-Gene unterstrichen wird. Optisch macht der Polestar 3 für mich noch einiges mehr her als der ebenfalls neue Polestar 4. Der ist als "echtes" SUV-Coupé jetzt ebenfalls zu haben und kostet sogar etwas weniger, obwohl es sich auch in der Entwicklung um das neuere Auto handelt. Gleichwohl bleibt festzuhalten: Wirklich günstig sind beide Modelle nicht.

Und was sagst du?

Bitte gib Dein Kommentar ein!
Bitte gibt deinen Namen hier ein