Gute Zeiten, schlechte Zeiten: Lufthansa kann sich einerseits über ein milliardenschweres Rettungspaket der deutschen Bundesregierung freuen. Andererseits ist schon jetzt klar, dass man sich genau aus diesem Grund einer Klage eines Wettbewerbers stellen muss.
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Gute Nachrichten waren bei Lufthansa in den vergangenen Wochen eher Mangelware. Die Coronakrise sorgte für eingebrochene Buchungszahlen, was unmittelbare Auswirkungen auf die Konzernstruktur hatte. Die eigene Tochtergesellschaft Germanwings wurde kurzerhand aufgelöst, der Ferienflieger SunExpress ebenfalls zum Teil dicht gemacht. Doch jetzt gibt es auch mal gute Nachrichten. Und das gleich doppelt. Denn Lufthansa konnte nicht nur ein umfangreiches Sparprogramm mit dem Kabinenpersonal aushandeln, auch das millliardenschwere Rettungspaket der deutschen Bundesregierung kann kommen. Es gab am Donnerstag grünes Licht von den Aktionären.
Kabinenpersonal stimmt umfangreichen Sparmaßnahmen zu
Mit der Unabhängigen Flugbegleitergewerkschaft UFO konnte sich Lufthansa darauf verständigen, ein Maßnahmenpaket zur Bewältigung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronakrise abzuschließen. Es hat ein Volumen von mehr als einer halben Milliarde Euro, heißt es in einer Mitteilung der Airline.
Die Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter von Lufthansa verzichten nicht nur auf eine Erhöhung ihrer Vergütung. Sie akzeptieren sogar eine Reduzierung ihrer Bezüge, müssen dafür aber auch weniger arbeiten. Temporär werden auch die Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung reduziert. Zum Teil scheidet das Kabinenpersonal auch vorzeitig in den Ruhestand aus, arbeitet freiwillig weniger oder nimmt unbezahlten Urlaub.
Ziel dieser Maßnahmen ist es, betriebsbedingte Kündigungen in der Kabine von Lufthansa zu vermeiden. Hier arbeiten aktuell 22.000 Menschen. Nicoley Baublies, Verhandlungsführer der UFO, sagt: „Der nun erfolgte Abschluss für Kabinenmitarbeiter der Deutschen Lufthansa bringt die dringend benötigte Arbeitsplatzsicherheit.“ Trotz der Einschnitte stelle man die Sozialpartnerschaft „endlich sichtbar auf ein neues Fundament.“ Die UFO-Mitglieder müssen der getroffenen Vereinbarung noch zustimmen.
Das Lufthansa-Rettungspaket der Bundesregierung kann kommen
Zweites wichtiges Signal für den gesamten Lufthansa-Konzern: Auf einer außerordentlichen Hauptversammlung der Airline am Donnerstag wurde das neun Milliarden Euro schwere Rettungspaket der deutschen Bundesregierung durchgewunken. Es besteht aus Krediten und anderen finanziellen Hilfen. Die Mehrheit der stimmberechtigten Aktionäre sprach sich für die Rettung von Lufthansa in Form einer Beteiligung durch den deutschen Staat an dem Unternehmen aus.
Nach mehr als sechs Stunden und mehr als 600 gestellten Fragen an den Vorstand stimmten mehr als 98 Prozent der stimmberechtigten Aktionäre für den Rettungsplan. Damit ist eine wochenlange Zitterpartie für Lufthansa erst einmal überstanden. Die Lufthansa-Aktie beflügelte das Ergebnis nur kurz. Nach einem zwischenzeitlichen Hoch auf 10,98 Euro, notierte das Papier am Abend rund um die 10-Euro-Schwelle.
Großaktionär Heinz Hermann Thiele, ein Unternehmer aus München, der im Vorfeld seine Zustimmung öffentlich im Rahmen eines Zeitungsinterviews in Frage stellte, gab ebenfalls grünes Licht. Er besitzt aktuell rund 15 Prozent an Lufthansa und hätte die Airline mit einem Veto in die Insolvenz treiben können.
Thiele stört unter anderem, dass der Bund künftig 20 Prozent der Lufthansa-Aktien besitzt und diesen Anteil sogar auf 25 Prozent plus eine Aktie erhöhen kann. Damit wäre der deutsche Staat in der Lage, Entscheidungen des Lufthansa-Managements zu blockieren. Ein viel zu großer Einfluss, hatte Thiele kritisiert und Lufthansa vorgeworfen, die Staatshilfen zu schlecht verhandelt zu haben.
Lufthansa braucht Zeit, um zu gesunden
Lufthansa-Vorstand Michael Niggemann betonte am Donnerstag aber, dass von der deutschen Bundesregierung keine Einflussnahme auf operative Entscheidungen zu erwarten sei. Zudem gilt: Lufthansa will die gewährten Kredite bis Ende 2023 vollständig zurückgezahlt haben. Gelingt das, gibt der deutsche Staat seine Anteile wieder zurück. Ob dies aber tatsächlich bis Ende 2023 gelingen kann, ist zumindest fraglich.
Wie wichtig das Rettungspaket für die Kranich-Airline ist, machte der Aufsichtsratsvorsitzende Karl-Ludwig Kley schon zu Beginn der Hauptversammlung deutlich: „Wir haben kein Geld mehr“, sagte der Chefaufseher mit deutlichen Worten. Pro Stunde verliert die Airline momentan etwa eine Million Euro. So oder so werde sich Lufthansa „stark restrukturieren müssen.“
Konzern-Chef Carsten Spohr erklärte: „Die Folgen der Krise werden sich noch Jahre negativ auf die Lufthansa auswirken.“ Dazu gehören nach seinen Worten auch „schmerzhafte Sparmaßnahmen.“ Mit anderen Worten: Dort, wo es notwendig ist, werden auch Stellen abgebaut. Verhandlungen mit der Gewerkschaft Verdi, die das Bodenpersonal der Fluggesellschaft vertritt, bezeichnete der Unternehmenschef als „schleppend“.
Grünes Licht von der EU
Von der EU Kommission sind derweil keine Hürden zu erwarten. Sie genehmigte schon am Donnerstagmorgen das Rettungspaket durch die Bundesregierung. Allerdings muss Lufthansa an den Flughäfen von Frankfurt und München bis zu 24 Start- und Landerechte (Slots) an Wettbewerber abgeben. Damit soll Lufthansa-Konkurrenten an den beiden Drehkreuzen die Möglichkeit geschaffen werden, eigene Basen mit bis zu vier Flugzeugen zu errichten. Welche Airlines zum Zuge kommen könnten, ist noch unklar.
Margrethe Vestager, Vizepräsidentin für Wettbewerbspolitik sagte laut EU-Mitteilung, dass die neun Milliarden Euro Lufthansa helfen werden, die Coronakrise zu überstehen. Sie betonte am Donnerstag ausdrücklich, dass Lufthansa eine wichtige Rolle in der deutschen Wirtschaft spiele. Insbesondere weil sie über ein umfangreiches Inlandsnetz wesentliche Konnektivitätsdienste bereitstelle. Zusätzliche sichere die Lufthansa Group internationale Verbindungen durch Netzwerkfluggesellschaften. Und die Luftfracht trage nicht nur erheblich zum Außenhandel bei, sondern bewahre in den aktuell schwierigen Zeiten einen stabilen Warenfluss für alle Bürger.
Erleichtert nahm man auch in Berlin die Lufthansa-Rettung zur Kenntnis. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) erklärte in Berlin, die Airline habe nun wieder eine Perspektive, um in der schwersten Herausforderung in seiner Geschichte zu überleben. Auch er betonte, dass die Beteiligung des deutsches keinen Tag länger bestehen soll als notwendig.
Ryanair kündigt Klage an
Ungemach droht dafür von anderer Stelle: Ryanair hat Klage gegen die Lufthansa-Staatshilfen angekündigt. Der faire Wettbewerb werde durch die finanzielle Hilfe der Bundesregierung ausgehebelt. Ryanair-Chef Michael O’Leary bezichnete die Genehmigung des Rettungspakets für Lufthansa als „Verrat“ an den Grundprinzipien des EU-Rechts.
Für Lufthansa sind das natürlich schlechte Nachrichten. Sie sind gleichbedeutend mit weiter unruhigem Fahrwasser. Airline-Chef Carsten Spohr blickt trotzdem zuversichtlich in die Zukunft. „Die Entscheidung unserer Aktionäre sichert der Lufthansa eine Perspektive für eine erfolgreiche Zukunft.“ Er und das gesamte Team der Lufthansa seien sich bewusst, die neun Milliarden Euro „so schnell wie möglich an die Steuerzahler zurückzuzahlen.“
Anfang kommender Woche will Lufthansa den Flugplan für die nächsten veröffentlichen. Er sieht vor, bis September wieder 90 Prozent aller ursprünglich geplanten Kurzstreckenziele und 70 Prozent aller Langstreckendestinationen in das Programm aufzunehmen. Meist aber deutlich weniger häufig pro Tag beziehungsweise pro Woche als vor dem Corona-Ausbruch.