Zunächst einmal zu den technischen Aspekten. Beim Zugfunk der Bahn handelt es sich simpel gesagt um ein privates Handynetz. Das drückt auch der Name GSM-R aus. Damit ein Zug auf dem Schienennetz der DB Netz fahren darf, muss er mit dem Bahn-Netz GSM-R ausgestattet sein. Das betrifft auch die Züge privater Anbieter. Dabei funktioniert das GSM-R-Netz im Kern wie ein Handynetz, hat also eine Vermittlungsstelle (MSC) sowie sogenannte HLRs. Ein HLR (die Abkürzung steht für Home Location Register) ist so etwas wie der zentrale Server, der einem Handy den Zugang zum Netz gewährt.
Bahn-Netz: Glasfaser-Leitungen gezielt angegriffen
Nach öffentlich einsehbaren Unterlagen zum GSM-R-Netz gibt es fünf MSC im GSM-R-Netz. Diese Vermittlungsstellen befinden sich in Essen, München, Leipzig, Stuttgart und Hannover. Die HLR wiederum befinden sich in Berlin und Frankfurt. In den Unterlagen heißt es: „Prämisse des Konzepts ist, dass zentrale Komponenten in Berlin und Frankfurt nicht gleichzeitig ausfallen.“ Genau das ist aber passiert: Die Saboteure haben dafür gesorgt, dass die Vermittlungsstelle des Bahn-Netzes in Hannover keinen Kontakt mehr zu den beiden HLR-Standorten hatte. Warum allerdings nicht – wie offenbar geplant – die anderen MSC eingesprungen ist, ist unklar.
Bei der Sabotage wurden also gezielt die Redundanz zerstört. Nach aktuellen Erkenntnissen hat man zunächst in der Nacht zu Samstag die Glasfaser in Herne zerstört. Zeitgleich meldete man in Nordrhein-Westfalen einen Stellwerksausfall. Der gesamte Traffic lief daraufhin über die Backup-Leitung. Doch auch diese kappten die Angreifer am Samstagmorgen. In der Folge fiel im Wirkungsbereich des MSC Hannover das Handynetz der Bahn aus, der Bahnverkehr musste eingestellt werden.
Nach Einschätzung von Experten muss es sich dabei um Täter mit einem profunden Insider-Wissen gehandelt haben. Denn wo genau die Glasfaserstrecken für die entsprechenden Anbindungen verlaufen ist ebenso wenig öffentlich wie die genauen Standorte der Infrastruktur. Die Anschlagsorte befanden sich in Berlin-Hohenschönhausen und Herne bei Dortmund. Insbesondere letzterer ist nicht der offensichtliche Leitungsweg für die Strecke Hannover-Frankfurt.
Signale funktionierten, warum ist der Zugfunk notwendig?
Auch wenn die Signale und Steuerung der Weichen unabhängig vom GSM-R-Netz funktionieren, gibt es dennoch die eindeutige Anweisung der DB Netz, dass ohne funktionierendes GSM-R-Netz keine Fahrten unternommen werden dürfen. Der Grund ist simpel: Der Fahrdienstleiter – gewissermaßen die Aufsicht über den Betrieb auf den Schienen – muss mit dem Lokführer sprechen können und umgekehrt. So kann der Fahrdienstleiter beispielsweise Befehle per Sprache durchgeben, wenn ein Signal gestört ist und der Zug trotz „Rot“ fahren darf.
Auch muss sich der Lokführer beim Fahrdienstleiter melden können, wenn er ein Problem auf der Strecke oder mit dem Zug hat. Am wichtigsten aber ist die Notfallfunktion im Bahn-Netz. Sieht ein Lokführer eine Gefahr im Gleis oder im Gegengleis, so kann er direkt über GSM-R einen Nothaltauftrag an alle Züge auf der Strecke im Umkreis geben. Sieht er etwa spielende Kinder an der Böschung, so kann er die ihm nachfolgenden und entgegenkommenden Züge unmittelbar stoppen und den Kindern so das Leben retten.
“ profunden Insider-Wissen gehandelt haben“
Nene – minimale technische Kenntnisse der Infrastruktur reichen. Einen Schutz gibt es schlicht nicht.