Statt der geforderten 1.000 Standorte sendeten Ende des Jahres nur fünf Sendemasten das Signal des neuen Mobilfunknetzes. Die geforderte Zahl geht aus den Auflagen hervor, denen 1&1 mit dem Ersteigern von Frequenzen für das neue, eigene Handynetz zugestimmt hat. Die Netzagentur will damit sicherstellen, dass die Netzbetreiber die Frequenzen auch nutzen und den Netzausbau vorantreiben. Für den Ausbau hatte 1&1 seit 2019 Zeit und das Ziel – wie man auch selbst einräumt – weit verfehlt.
Keine Nachfrist für 1&1-Ausbau
In früheren Verfahren ähnlicher Art hatte Mitbewerber Telefónica gegen Auflagen verstoßen. Das Unternehmen hinter der Marke O2 hatte 2015 Frequenzen ersteigert und musste bis Ende 2019 den LTE-Ausbau voranbringen. Das Ziel aber verfehlte O2 deutlich. Auch bei Telekom und Vodafone stellte man fest, dass die gleichlautenden Ziele verfehlt wurden – jedoch in einem kleineren Ausmaß. Die Bundesnetzagentur gewährte damals eine Nachfrist von einem Jahr und drohte ein Zwangsgeld an. Dieses wurde letztlich nicht ausgesprochen, da O2 in einer nochmals verlängerten Nachfrist die Ziele erreichte.
1&1 will man nun offenbar keine Nachfrist einräumen, sondern leitet nach Medienberichten direkt ein Bußgeldverfahren ein. Überrascht ist man davon in Montabaur nicht. „Ein mögliches Bußgeld aufgrund der Verfehlung im ersten Ausbauziel im Jahr 2022 wurde schon vor einiger Zeit angekündigt, die Eröffnung des Verfahrens kommt also nicht überraschend. 1&1 wird im Rahmen der Anhörung gegenüber der Behörde Stellung beziehen“, heißt es in einer Stellungnahme.
1&1 begründet die massiven Verspätungen damit, dass die beauftragten Partnerunternehmen nicht, wie vertraglich vereinbart, die Standorte bereitgestellt hat. Das Unternehmen mit Sitz im Westerwald hatte verschiedene Eigentümer von Sendemasten, bei denen die Netzbetreiber sich mit ihren Antennen einmieten, beauftragt, die notwendigen Standorte bereitzustellen. Doch insbesondere Vantage Towers, eine Ausgründung von Vodafone, habe gegen die vereinbarten Ziele verstoßen. Im Westerwald vermutet man eine Bevorzugung der bisherigen Muttergesellschaft Vodafone und hat das Bundeskartellamt angerufen.
Strafe könnte schlimmstenfalls fast 50 Millionen Euro betragen
Wie hoch die Strafe, die die Bundesnetzagentur nun möglicherweise verhängt, sein wird, ist offen. Früheren Angaben zufolge habe die Bundesnetzagentur mal ein Bußgeld von bis zu 50.000 Euro vorgesehen – pro fehlenden Sendemast. Würde das kommen, müsste Unternehmenseigner Ralph Dommermuth fast 50 Millionen Euro als Strafe überweisen. Dass es dazu kommt, gilt aber als unwahrscheinlich.
Gleichzeitig muss die Bundesnetzagentur aber auch zeigen, dass es ihr Ernst ist und sie sich bei einer derart groben Verfehlung nicht auf der Nase herumtanzen lässt. Das sehen auch Branchenkenner wie Torsten J. Gerpott so. Der anerkannte TK-Experte und Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmens- und Technologieplanung an der Mercator School of Management der Uni Duisburg sagte der Nachrichtenagentur dpa: „Der Ausbaustand des 1&1-Netzes liegt so weit hinter den Auflagen zurück, dass der Aufsichtsbehörde gar nichts anderes übrig blieb.“ Dass 1&1 die Schuld auf die beauftragten Partner schiebt, lässt er nicht gelten. „1&1 hat selbst Fehler gemacht, etwa in der Wahl des Technikpartners.“ Indirekt bezweifelt er, ob 1&1 „überhaupt noch die Kurve kriegt“.
Davon will man in Montabaur aber nichts wissen. Vor kurzem hat man einen neuen Plan für den Ausbau vorgelegt. Nach Angaben von teltarif.de wird das Netz seit kurzem in weiteren Städten vermarktet. Es stehe nun in sehr kleinen Bereichen von Düsseldorf, Frankfurt am Main, Freiburg, Karlsruhe, Leipzig, Mainz, Montabaur, München und Ratingen zur Verfügung. Es handelt sich bei dem Produkt aktuell noch um ein Festnetz-Ersatzprodukt, das nicht mobil nutzbar ist. Ein mobiles Produkt, also einen Smartphone-Tarif, soll es ab Sommer geben.