Vor dem eigentlichen Test ein Blick auf das 1&1 Netz an sich. Denn das funktioniert anders, als die Netze von Telekom, Vodafone und O2. Alle Sendemasten, die 1&1 errichtet, sind mit Glasfaser angebunden und ausschließlich mit 5G auf 3,5 GHz sowie LTE auf (aktuell) 2,6 GHz ausgestattet. GSM gibt es bei 1&1 nicht. Neu ist auch das Open-RAN-Verfahren. Während die anderen Netzbetreiber aktuell auf einen Ausrüster für Antenne, aktive Technik und Vermittlung setzen müssen, kann 1&1 durch Open RAN gewissermaßen wie im Supermarkt für jeden Baustein das Beste aus den Regalen picken. Zudem gibt es keine aktive Technik am Sendestandort selbst, sondern nur in mehreren hundert kleinen Rechenzentren. In diesen kleinen Rechenzentren, die laut Angaben von 1&1 maximal zehn Kilometer vom Sendemast entfernt stehen, wird beispielsweise schon die IP-Adresse einer angefragten Webseite aufgelöst. Das soll am langen Ende einen Zeitvorteil bringen.
1&1 Netz im Aufbau, Roaming mit O2 als Basis
Aktuell befindet sich das 1&1-Netz im Aufbau und ist weit hinter jenem Plan zurück, den man einst verkündet hat. Doch bei 1&1 ist man zuversichtlich, den Rückstand aufholen zu können. Zuletzt meldete man, dass an 600 Standorten Antennen hängen, oft aber noch die Glasfaseranbindung fehle. Ostern 2024 waren etwa 200 Standorte aktiv und mit einer 1&1-SIM-Karte nutzbar. Täglich sollen neue hinzukommen. Wo genau, das verrät der Netzbetreiber nicht. Für unseren Test nannte man uns Standorte – aber unter dem Mantel der Verschwiegenheit. Du kannst mögliche Standorte jedoch auf anderen Wegen herausfinden.
Für dich als Nutzer macht es aber ohnehin kaum einen Unterschied, ob du dich schon in einem der kleinen Abdeckungsgebiete dieser Sender befindest oder nicht. Denn dort, wo 1&1 kein eigenes Netz hat, fällst du automatisch in das Netz von O2. Dieses ist über ein National Roaming mit 1&1 verbunden. So bist du auf jeden Fall dort, wo O2 ein Netz hat, auch online. Spätestens ab Herbst soll das Roaming mit O2 nach und nach gegen Vodafone ausgetauscht werden.
Bist du mit einer SIM-Karte im 1&1-Netz im Empfangsbereich eines 1&1-Mastes, merkt das dein Handy und nutzt dann das 1&1-Netz automatisch. Das Einbuchen in das Netz erfolgt nicht unmittelbar und kann schon mal einige Sekunden dauern. Befindest du dich direkt unterhalb eines Sendemastes, scheint auch das Signal von O2 bevorzugt zu werden. Solltest du also nur mit dem Auto oder der Bahn durch den Abdeckungsbereich eines Mastes fahren, bleibst du vermutlich im Roaming. 1&1 sendet aktuell ein 5G-Signal um 3,5 GHz und ein LTE-Signal um 2,6 GHz. Letzteres kommt beim Telefonieren zum Einsatz und wenn du ein Handy ohne 5G nutzt.
1&1 oder O2? Das bleibt für die meisten ein Rätsel
In Berlin sind dies Sendemasten von 1&1 über die ganze Stadt verteilt und bieten momentan kein zusammenhängendes Netz. Für unseren Test entschieden wir uns für einen Standort im Osten der Stadt. Zu erkennen, ob sich das eigene Smartphone im Netz von 1&1 befindet oder im O2-Netz ist nur für fortgeschrittene Nutzer möglich. Denn in der Netzanzeige steht immer „1&1“ – egal, ob du dich im Netz von O2 (oder später Vodafone) befindest, oder mit einem der eigenen Sendemasten verbunden bist. Nur, wenn du mit speziellen Apps die Sendefrequenzen und Netzkennungen ausliest, erkennst du, in welchem der beiden Handynetze du dich befindest. Oder um es anders zu sagen: Du bemerkst gar nicht, in welchem Netz du eingebucht bist.
Denn auch bei der Nutzung konnten wir in der Praxis kaum Unterschiede zwischen den beiden Infrastrukturen bemerken. Dabei erfolgte die Nutzung mit einem normalen Smartphone auf der Straße – so, wie die meisten Nutzer das Netz heute nutzen dürften. Doch mit dem Fortschritt bei 5G wird es weitere Anwendungen geben, bei denen die speziellen Funktionen von 5G eine Rolle spielen werden. Hier ist 1&1 aufgrund der hundertprozentigen Anbindung der gesamten Technik mit Glasfaser im Vorteil. Und auch die Netzarchitektur ist darauf ausgelegt, dass abgeforderte Daten nur wenige Kilometer entfernt von einem Sendemast bereitliegen. 1&1 baut ein eigenes CDN in seinem Netz auf.
Speedtests mit Bravour gemeistert
Doch zurück zur Nutzung: Die klassischen Speedtests im 1&1-Netz lagen in unseren Tests stets um 400 Mbit/s im Down- und 50 Mbit/s im Upstream. Der Ping im Mittel bei etwa 40 Millisekunden. Die Werte sind aufgrund der Frequenzausstattung, die 1&1 nutzen kann, erwartbar. Mehr ist technisch kaum möglich. Befanden wir uns im National Roaming mit O2, waren die Werte teils besser, teils schlechter. Das wundert nicht, denn die Sendemasten von O2 sind natürlich deutlich stärker ausgelastet, als es jene von 1&1 aktuell sind. Dem Vernehmen nach sind aktuell in ganz Deutschland etwa 500.000 Kunden im Netz aktiv. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein anderer Kunde gerade denselben Sendemast bemüht entsprechend gering. In den kommenden Monaten wird 1&1 aber zwölf Millionen Bestandskunden in das eigene Netz überführen.
Schwach ist die Performance allerdings, nutzt du das 1&1-Netz nur mit einem LTE-Handy. Dann nämlich kann 1&1 nur ein Spektrum von 2 x 10 MHz nutzen, während andere Anbieter mehrere Frequenzen zusammenschalten können. Das Ergebnis: Beim Speedtest kamen wir auf 50 bis 70 Mbit/s. GSM gibt es bei 1&1 wie eingangs erwähnt nicht. Solltest du die 1&1-SIM in ein reines GSM-Handy legen, so entscheidet es sich für die Nutzung des GSM-Netzes von O2.
Der Handover
Aufgrund der aktuell sehr geringen eigenen Netzabdeckung ist natürlich umso wichtiger, dass der Übergang ins O2-Netz funktioniert. Baust du ein Gespräch über einen 1&1-Sendemast auf, soll es schließlich nicht abbrechen, wenn du den Abdeckungsbereich verlässt. Die gute Nachricht: Dieser sogenannte Handover funktioniert einwandfrei. Im Rahmen unseres Tests haben wir zahlreiche Testfahrten unternommen und mit einem laufenden Telefonat den Abdeckungsbereich verlassen. Allenfalls hörst du ein leichtes Knarzen im Moment des Netzübergangs, meist aber gar nichts.
In nur einem Fall gab es einen sogenannten Drop Call, also einen Gesprächsabbruch, der aber auch in anderen Netzen immer wieder vorkommt. Da Telefonate, was derartige Handover angeht, deutlich empfindlicher sind, als Datenverbindungen, musst du dir bezüglich Streams entsprechend keine Sorgen machen. Auch deine IP-Adresse ändert sich nicht: Im National Roaming und im 1&1-Netz hast du eine IP von 1&1 Versatel, die für die Rechenzentren und Glasfaseranbindungen verantwortlich zeichnet. Übrigens: Telefonate, die im Netz von O2 begannen, wurden – zumindest in unserem Test – nicht an den 1&1-Mast übergeben, wenn wir uns in das Sendegebiet begaben.
Das waren die Probleme im 1&1 Netz-Test
Plötzlich kein 1&1 Netz – kein Problem
Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Und auch, wenn die wenigen Sendemasten, die wir testen konnten, einen sehr guten Eindruck machten, so gab es auch kleinere Probleme. Die aber scheinen nicht unlösbar. So gab es an einem unserer Testtage schlichtweg kein Signal, auf das wir uns hätten einbuchen können. Die Sendemasten schienen offline. 1&1 konnte das auf Nachfrage nicht bestätigen. Für dich als Kunden hätte das aber keine Rolle gespielt: Du hättest das O2-Netz genutzt und wärst so selbst bei einem Ausfall der Sendemasten online gewesen.
WiFi Calling
Ein weiteres Problem ergab sich im Test, als wir WiFi Calling nutzen wollten. Denn das war nicht aktivierbar. Ein Einzelfall, wie 1&1 betont. Auf Nachfrage teilte man uns mit: „Sogenanntes WiFi-Calling bzw. VoWifi wird von Beginn an unterstützt. Voraussetzung für die Nutzung von VoWifi ist, dass das Feature vom jeweiligen Endgerät unterstützt wird und eine native Nutzung ohne besondere App möglich ist. Ob Endgeräte VoWiFi unterstützen, liegt in der Verantwortung der jeweiligen Hardware-Hersteller.“ Der neue Netzbetreiber habe vor dem Start seiner mobilen Dienste den Betrieb von rund 9.000 Endgeräten getestet. „Gängige Endgeräte unterstützen durchweg VoWifi-Dienste im 1&1 Netz“.
In unserem Fall handelt es sich um ein vergleichsweise aktuelles Honor 90. Dieses werde noch im Mai ein Update bekommen und dann auch WiFi Calling unterstützen, so 1&1. Mit einem älteren OnePlus 9 Pro war Wifi Calling problemlos möglich. Welche Funktionen dein bestehendes Handy möglicherweise nicht unterstützt, kannst du auf der 1&1 Webseite abfragen. Auch die Hotline gibt Rat.
Fazit
Nicht getestet haben wir, wie sich das 1&1 Netz im internationalen Roaming verhält. Hier berichten Nutzer in Foren vereinzelt von Problemen, was aber angesichts der Komplexität des Themas nicht verwunderlich scheint. In der Regel sollte es sich dabei um Software-Fehler handeln, die sich in einem Netz leicht korrigieren lassen. Für 1&1 kommt es nun darauf an, möglichst schnell möglichst viele eigene Sendemasten aufzubauen, um sich von den Kosten durch das National Roaming zu lösen und die Vorteile des eigenen Netzes ausspielen zu können. Damit einher geht dann auch eine bessere Frequenzausstattung. Denn mit den aktuell nutzbaren 50 MHz für 5G und weiten 10 MHz für LTE wird es bei einer Vollauslastung vermutlich schnell eng im Netz. Bis 2030 will 1&1 das Netz so weit ausgebaut haben, dass man 50 Prozent der Bevölkerung mit dem eigenen Netz versorgen kann.
Schlussendlich hat 1&1 mit den aktuell noch wenigen Sendemasten ein Netz aufgebaut, das vom Start weg kaum Kinderkrankheiten hat. Während einst beim Start vom O2-Vorläufer Viag Interkom der Name „Viag“ oft als „very interesting adventure game“ verballhornt wurde, scheint das neue 1&1-Netz vergleichsweise geräuschfrei anzulaufen. Vor einer Umstellung deiner bestehenden SIM-Karte in dieses Netz in den nächsten Monaten musst du dir also keine Sorgen machen.
Der nächste spannende Schritt wird die Aktivierung des National Roaming mit Vodafone. Hier dürften viele Kunden bemerken, dass ihr Handynetz quasi über Nacht entweder besser oder schlechter wird.