Die Unzulänglichkeiten bei der Aktualisierung eines Android-Smartphones bieten eigentlich seit den Anfängen des Google-Betriebssystems viel Platz für Kritik. Auch wenn viele Hersteller in den letzten Jahren ein deutlich höheres Engagement an den Tag legen, stehen zuerst die teureren Modelle im Fokus. Und selbst die offizielle Ankündigung eines Updates muss längst nicht bedeuten, dass es auch tatsächlich auf dem Gerät ankommt, dass du in den Händen hältst. Denn diese werden in den sogenannten Roll Outs oftmals häppchenweise verteilt. Systeme wie LineageOS könnten eine Lösung darstellen.
Android-Updates für Hersteller aufwendig
Für Smartphone-Hersteller ist die Entwicklung eines Updates nicht ganz so banal, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Die Aktualisierung muss von jedem Partner, also auch von den Kommunikationsdienstleistern, die das jeweilige Handy anbieten, getestet werden. Und das in jeder Landesversion. Selbst für Deutschland und Österreich muss jeweils eigens angepasst werden. Das ist für Hersteller nicht gerade lukrativ, schließlich wurde das Geld schon verdient. Und die Margen sind schon in der Mittelklasse nicht gerade üppig.
Exemplarisch zeigt sich dies beim Xiaomi Poco X3 Pro. Eine offizielle Aktualisierung auf Android 12 (und die hauseigene MIUI-13-Oberfläche) steht zwar allem Anschein nach schon seit Frühjahr bereit, jedoch nicht hierzulande. Hier bleibt’s bei Android 11, und selbst das letzte Sicherheitsupdate ist vom Januar 2022.
Bei Xiaomi scheint man daher nun einen weiteren Weg für die langfristige Aktualisierung gehen zu wollen: Für zahlreiche Smartphones des Herstellers steht eine alternative Version des freien Androids LineageOS bereit. Die Preissuchmaschine Geizhals weist die Methode als offiziellen Support aus, auch für das oben genannte Handy.
Freie Android-Versionen: Unabhängig vom Hersteller
Das Betriebssystem Android ist im Prinzip eine Linux-Abwandlung. Große Teile des entwickelten Source-Codes muss Google aufgrund der Linux-Lizenzbestimmung der Allgemeinheit frei zur Verfügung stellen. Damit entwickelten sich ebenso schon in den Android-Anfangstagen freie Communitys, die auf der Basis des verfügbaren Grundstocks eigene Versionen bereitstellten. Weil sich der Funktionsumfang und das Update-Verhalten bei den Hersteller-Versionen verbesserte, verringerte sich das Bedürfnis nach einer alternativen Android-Version, die nur mit teilweise gehörigem Aufwand und unter Verzicht auf Gewährleistungsansprüche auf dem Smartphone installiert werden konnte. Dennoch werden diese Alternativen nach wie vor von engagierten Communitys gepflegt und weiterentwickelt. Neben LineageOS zählen etwa GraphenOS oder CalyxOS zu den populären Derivaten, die mit jeweils eigenen Ansätzen punkten. Sie sind jedoch nur dann nutzbar, wenn sie auch von dem Smartphone unterstützt werden, das du in den Händen hältst.
LineageOS installieren: Es wird kompliziert
Xiaomi setzt auf Lineage OS und gibt offenbar großzügig die Spezifikationen für die entsprechenden Anpassungen heraus, sodass zahlreiche aktuelle Smartphones in der Datenbank der Community gelistet sind. LineageOS gilt als Einsteiger-freundlich, allerdings bedeutet das keine Erleichterungen bei der Installation. Und die ist bei einem alternativen Android alles andere als banal.
Zuerst muss der sogenannte Bootloader entsperrt werden. Mit diesem wird vom Hersteller festgelegt, welche Dateien beim Start des Smartphones geladen werden dürfen. Es handelt sich also um einen sicherheitsrelevanten Bereich, denn hier gestartete Anwendungen, werden von den üblichen Schutzmechanismen nicht geprüft.
Schritt für Schritt freischalten
Um das Smartphone zu entsperren, sind mehrere Schritte nötig. Zunächst muss der Entwicklermodus eingeschaltet werden, der sich bei Android in den Einstellungen („Über das Telefon“) finden lässt. Der daran anschließende Prozess des Entsperrens unterscheidet sich von Smartphone zu Smartphone. Xiaomi kommt dir mit einer eigenen Unlock App entgegen. Im Anschluss wird das auf einem PC die Android Debug Bridge, kurz ADB, installiert und das Gerät per USB-Kabel verbunden und ein neues Recovery eingerichtet. Daraufhin kann die passende LineageOS-Variante installiert werden. Wer die Google-Dienste nutzen will, muss diese ebenfalls händisch nachinstallieren, und zwar noch vor dem ersten Start des frischen LineageOS.
Die Garantie ist offiziell futsch
Auch das Thema Gewährleistung sollte nicht ganz aus den Augen verloren werden. Auch diese ist nach dem Entsperren des Bootloaders – zumindest offiziell – futsch. Tatsächlich sind manche Partner, die die Garantie-Abwicklung für die Smartphone-Hersteller übernehmen nicht ganz so kritisch. Sie verlangen lediglich, das auf einem eingeschickten Gerät das ursprüngliche Betriebssystem zu finden ist.
Richtig ärgerlich wird das Ganze bei einem sogenannten Brick. Geht bei der Installation etwas völlig schief, kann es in seltenen Fällen passieren, dass das Smartphone damit vollständig unbrauchbar wurde. Dann lässt sich weder das Recovery-Menü aufrufen, noch eine Reaktion am USB-Kabel erreichen. Es handelt sich um einen Totalschaden.
Mit LineageOS geht nicht mehr alles
Nach dem ersten Starten des neuen Betriebssystems dürfte sich jedoch bei manchem Ernüchterung einstellen. Denn nicht mehr jeder Dienst lässt sich dann noch ganz einfach nutzen. Das gilt insbesondere für VoLTE und Banking-Apps. Um bei letzteren einen Missbrauch zu vermeiden, lassen die jeweiligen Anbieter große Sorgfalt bei der Überprüfung der Sicherheit walten. In den Banking-Apps stecken Routinen, die Systeme mit entsperrten Bootloadern aussortieren.
Bei vielen Nutzern funktionieren die fraglichen Dienste problemlos, was nicht zuletzt am jeweiligen Anbieter liegt. Zudem lassen sich die entsprechenden Sicherheitsmechanismen mit Apps wie BusyBox und magisK umgehen. Allerdings werden die Sicherheitsroutine der Banking-Apps genauso wie entsprechende Google-Dienste, allen voran SafetyNet, regelmäßig aktualisiert. Ein dauerhaftes Funktionieren von solchen Überbrückungsmöglichkeiten ist damit also nicht gewährleistet.
Sind LineageOS und Co. wirklich eine Alternative?
Die Update-Politik der Hersteller hat sich in den vergangenen Jahren zwar verbessert, in vielen Fällen ist sie jedoch nach wie vor nicht auf dem Niveau, das als nutzerfreundlich bezeichnet werden kann. Mit dem Erscheinen des Nachfolgers fällt der Vorgänger oft aus dem Blickfeld, vor allem wenn er nicht in den höheren Preisregionen angesiedelt war. Dabei handelt es sich jedoch nicht nur um einen kleinen Makel, mit dem auf die eine oder andere kleine Neuerung verzichtet werden muss, sondern um eine Frage der Sicherheit. Insofern ist die Installation eines freien Android eine gute Idee, nicht zuletzt, weil die freien Communitys für die schnelle Verfügbarkeit von Updates bekannt sind und überdies die für ein Smartphone bereitgestellte Software noch Jahre nach ihrem Erscheinen pflegen und weiterentwickeln.
Allerdings sind die Hürden nicht eben niedrig. Zwar können die auch technisch Unbedarfte die Android-Installation sicher abschließen, wenn sie die Anleitungen Schritt für Schritt befolgen. Ein Grundinteresse macht es jedoch einfacher. Selbst bei Fehlern ist längst nicht alles verloren. In den allermeisten Fällen lassen sich diese mit einem Neustart der Installationsroutine beheben. Ein bisschen Lust am Ausprobieren von Neuem gehört dazu, fast ein bisschen wie Linux auf dem PC, wobei hier die Installation um ein Vielfaches einfacher ist.