Es begann mit Livesendungen wie „Schauplatz Berlin“ und dem Teledialog (TED), den Horst Schättle und Manfred Denninger in Kooperation mit dem ZDF und der Deutschen Bundespost entwickeln. Seit diesen ersten Versuchen, Zuschauer interaktiv in ihre Sendungen einzubinden, ist interaktives Fernsehen weit gekommen.
Interaktives Fernsehen – die ersten Schritte zur Einbindung von Zuschauern
Heutzutage ist es kaum vorstellbar, dass die erste interaktive Einbindung von Zuschauern bereits im Jahr 1969 seinen Anfang nahm. Damals wurden Zuschauer durch den sogenannten Lichttest zu einem Voting aufgefordert, in dem sie Elektrogeräte einschalten sollten. Durch Mitarbeiter von Elektrizitätswerken, die den Anstieg des Stromverbrauchs ermittelten, konnte man so erste Rückschlüsse auf Wünsche von Zuschauern ziehen. Die Möglichkeit zur Reaktion blieb damit jedoch auf zwei Wahlmöglichkeiten beschränkt.
Im Jahr 1979 auf der IFA sollte ein anderes Verfahren in den Fokus der Öffentlichkeit rücken. Mithilfe des sogenannten Teledialogs (TED) konnte man anrufen, um für ein bestimmtes Ereignis zu voten. Damals funktionierte das jedoch nur mit acht Telefonnummern gleichzeitig, sodass man Zuschauer direkt nach Erfassung aufforderte, den Anruf zu beenden. Dank des Mikroprozessorsystemes, das das ZDF damals entwickelt hatte, konnte man diese acht Leitungen auf Impulse überprüfen. Nachdem Zuschauer bisher nur durch Einsendungen mit der Post oder dem Lichttest eine Chance hatten, das Geschehen von Sendungen aktiv zu beeinflussen, wurde somit zum ersten Mal eine zeitnahe Teilhabe möglich. Eine der wohl bekanntesten Sendungen, die von TED Gebrauch machte, stellte „Wetten, dass…“ dar, wo tausende von Zuschauern den Wett-König auswählten.
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Der nächste Vorstoß zum interaktiven Fernsehen stellte schließlich das System T-Vote-Call dar. Im Vergleich zu seinem Vorgänger konnte T-Vote-Call bis zu 100.000 Anrufe pro Minute verarbeiten und bot damit einem viel größeren Publikum die Möglichkeit, sich am Geschehen der Wunschsendung zu beteiligen. Umgangssprachlich wird das System oftmals ebenso mit TED bezeichnet, obwohl es sich um eine andere Technik dahinter handelt. Den Anfang machten T-Vote-Call-Rufnummern mit der Vorwahl 0137
Formen interaktiven Fernsehens
Interaktives Fernsehen lässt sich in wesentlichen in drei Stufen der Interaktivität unterteilen. Zum einen in die lokale Interaktion, in die Interaktion über einen sogenannten Rückkanal sowie in die aktive Teilnahme von Zuschauern. Alle diese Formate werden unter dem Sammelbegriff iTV (aus dem Englischen von „Interactive Television“) zusammengefasst.
Lokale Interaktion
Die lokale Interaktion findet durch den Zuschauer vor dem Fernsehgerät statt – beispielsweise durch iTV-Applikationen. In diesen Fällen nutzen Anwender das Gerät nicht nur zur Darstellung des Rundfunkprogramms, sondern ebenso zur Wiedergabe von Inhalten, die sie individuell anfordern. Das könnten etwa Videofilme, Texte oder Bilder sein, die über der Sendung erscheinen. Darunter können sich etwa Hintergrundinformationen zu Darstellern oder der Sendung verbergen. Auch die Erweiterung der Programmauswahl ist möglich. So lassen sich nicht nur mehrere Bild- und Tonspuren individuell wechseln, sondern sogar mehrere Fernsehprogramme gleichzeitig in der Programmwahl darstellen.
Ein häufiges Anwendungsgebiet für diese Form des interaktiven Fernsehens stellen elektronische Programmführer (EPG) dar. Sie stellen umfangreiche Informationen zu laufenden Programmen zur Verfügung, besitzen zum Teil aber auch Optionen zur Aufnahme oder Suche von Inhalten. Häufig wird hierbei die automatische Personalisierung von Inhalten integriert, sodass Nutzern automatisch Inhalte vorgeschlagen werden, die zu ihrem bisherigen Konsumverhalten passen.
Mithilfe der heutigen Technologie wird auch ein zeitversetztes Fernsehen (Timeshift) möglich. Zuschauer können laufende Programme pausieren und später weiter ansehen, ohne dabei von den Sendezeiten des Programms abhängig zu sein. Solche Funktionen sind für heutige Sendungen zum Teil zum Muss geworden. Denn die Konkurrenz von Streamingdiensten stellt abrufbare Inhalte völlig unabhängig von Sendezeiten zur Verfügung.
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Weitere Möglichkeiten stellen nicht lineare Geschichten dar, bei denen der Zuschauer zu bestimmten Zeitpunkten entscheiden kann, wie die Handlung des Films weiterlaufen soll. Häufig ist das bei ausgestrahlten Filmen der Fall, die mehrere Handlungsstränge besitzen, in die das Geschehen für den Zuschauer gehen kann. Hierbei ist der Übergang zu FMV-Videospielen fließend.
Rückkanal zur Interaktion
Die zweite Stufe der Interaktionsmöglichkeiten erweitert die Einbindung des Zuschauers ins Geschehen. Typischerweise werden Rückkanäle wie Telefon, SMS, Webseiten oder in dem Empfangsgerät bereits integrierte Rückkanäle verwandt. Hierzu zählen auch der TED sowie T-Vote-Call. Unterschieden wird hierbei in das klassische Voting, Zuschauerreaktionen, Call-in oder elektronischen Einkäufen.
Während bei Votings Zuschauer direkt für einen gewünschten Verlauf der Sendung abstimmen können, bindet Call-in einen Zuschauer direkt fest ins Geschehen ein. Eine häufige Nutzung des Call-ins fand sich in vielen Frühstücksprogrammen, in denen Zuschauer Experten Fragen zu vorgestellten Themen stellen konnten. Doch auch die Integration von Anrufern als Quizkandidaten ist möglich.
Einzelne Zuschauerreaktionen auf das Sendegeschehen kann man direkt während der Sendung integrieren. Das können beispielsweise eingegangene SMS oder Kommentare bei Twitter sein, die der Moderator vorliest oder über der Sendung eingeblendet werden. Dabei entscheidet jedoch der Sender, welche Reaktionen Teil des Sendungsgeschehens werden und nicht alle Reaktionen können direkt berücksichtigt werden. Auch der elektronische Einkauf erfreut sich noch immer großer Beliebtheit – vor allem in diversen Shopping-Kanälen, die Produkte für Zuschauer vorstellen. Doch auch Gewinnspiele und ähnliche Aktionen fallen in diese Kategorie.
Aktive Teilnahme des Zuschauers
Will man Zuschauer noch konkreter in das Geschehen einbinden, so landet man im Bereich der aktiven Teilnahme des Zuschauers. Hierunter zählen beispielsweise Besitztümer oder künstlerische Werke, die Zuschauer vorab zur Sendung eingesandt haben. Diese bewertet oder präsentiert man schließlich im Rahmen der Sendung. Auch Auktionen sind möglich.
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Eine häufige Form der Integration des Zuschauers stellt hier auch die Publikumsbeteiligung oder Zuschauerkandidaten dar. Dadurch sollen Zuschauer stärker mit dem TV-Geschehen mitfiebern, da die Kandidaten sie repräsentieren. Auch Interaktion zwischen Zuschauern wird hier stetig beliebter, sodass ganze Chatrooms und Conventions zu Sendungen existieren können. Dadurch soll die TV-Sendung „im Gespräch“ bleiben und Zuschauer sich stärker mit der Sendung identifizieren können.
Interaktives Fernsehen ist die Zukunft
Mit immer stärkerer Konkurrenz von Streamingdiensten und Onlineanbietern stehen alte Fernsehformate häufig mit dem Rücken zur Wand. Der Kampf um die Zuschauer ist härter geworden und Nutzer längerfristig an Sendeformate zu binden, wird schwieriger. Umso wichtiger wird es für bestehende Inhalte, die Zuschauer weiter interaktiv ins Geschehen einzubinden, um nicht hinter der Konkurrenz zurückzustehen. Sendungen, die dafür sorgen, dass Zuschauer das Gefühl haben die Sendung nach ihren Wünschen mitzugestalten und sich so mit dem Inhalt besser identifizieren können, haben bessere Überlebenschancen als Sendungen, in denen der Zuschauer passiv bleibt.
Tatsächlich sind keine neuen Technologien nötig, um weitere iTV-Formate für Nutzer zu schaffen. Mit heutigen Smart TVs besteht genügend Raum für App-Anbindungen, die Anwender bequem Inhalte mitdefinieren lassen.