Kaum ein Thema wurde in den vergangenen Monaten so kontrovers diskutiert wie das Coronavirus und die damit verbundenen Einschränkungen im Alltag. Ein anderes Thema findet aber ebenfalls immer wieder Beachtung: der Kirchenaustritt. Dabei spielt anders als in den vergangenen Jahren nicht nur die Kirchensteuer eine Rolle, sondern immer stärker auch der Vertrauensverlust vieler Menschen wegen des Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen in der katholischen Kirche. Also einfach online aus der Kirche austreten? Nein, so einfach geht das nicht.
Kirchenaustritt wegen Kirchensteuer und Missbrauchsfällen
Für viele Menschen – egal ob gläubig oder nicht – ist vorwiegend der Missbrauch an Minderjährigen ein nicht länger tragbarer Zustand. Insbesondere die Tatsache, dass zahlreiche Missbrauchsfälle vertuscht werden sollten, um beschuldigte Geistliche vor etwaigen Strafen zu schützen, stößt vielen Kirchenmitgliedern übel auf. Die Folge: Sie wenden sich von ihrem Glauben ab. Ein Kirchenaustritt scheint für sie das einzige noch vertretbare Mittel zu sein, um ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen.
Und eigentlich sollte man meinen, dass ein solcher Kirchenaustritt im 21. Jahrhundert kein großer Akt sein dürfte. Doch die Idee, mit der Kirche kurzerhand mit wenigen Klicks über das Internet abschließen zu können, ist ein Trugschluss. Wer aus der Kirche austreten möchte, kann das nicht online tun. Es gibt kein Kirchenaustrittsformular zum Download.
Stattdessen ist ein persönlicher Termin bei einer staatlichen Behörde notwendig. Nur über eine persönliche Erklärung vor Ort ist es möglich, unter Vorlage eines gültigen Ausweises oder Reisepasses die Kirche auch tatsächlich zu verlassen. Dabei spielt es übrigens keine Rolle, ob man aus der katholischen oder aus der evangelischen Kirche austreten möchte. Das Prozedere ist mit einer ordentlichen Portion Bürokratie verbunden.
Wo kann ich meinen Kirchenaustritt beantragen?
Wo genau du vorstellig werden musst, um deinen Kirchenaustritt mit einer Unterschrift verbindlich zu machen, ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. In Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen musst du dich beispielsweise an ein Standesamt vor Ort wenden. In Nordrhein-Westfalen, Brandenburg oder Berlin musst du hingegen einen Termin beim Amtsgericht vereinbaren. Hessen setzt einen Termin bei der Stadt- oder Gemeindeverwaltung voraus, während es in Bremen nur direkt bei der Kirche vor Ort möglich ist, aus der Kirche auszutreten.
Alternativ kannst du deinen Kirchenaustritt auch bei einem Notar erklären. Neben den vielerorts ohnehin anfallenden Gebühren für den Kirchenaustritt in Höhe von meist rund 30 Euro musst du bei einem Notar aber mit noch zusätzlichen Kosten rechnen.
Teilweise hat die Digitalisierung aber auch beim Kirchenaustritt Einzug erhalten. Um einen Termin mit dem für dich zuständigen Ansprechpartner zu vereinbaren, musst du in vielen deutschen Städten nicht zum Telefon greifen. Auch online lässt sich vielerorts ein solcher Termin vereinbaren. Wir haben für dich die passenden Links für die 20 einwohnerstärksten Städte in Deutschland herausgesucht:
- Berlin
- Hamburg
- München
- Köln
- Frankfurt/Main
- Stuttgart
- Düsseldorf
- Leipzig
- Dortmund
- Essen
- Bremen
- Dresden
- Hannover
- Nürnberg
- Duisburg
- Bochum
- Wuppertal
- Bielefeld
- Bonn
- Münster
Regional wird übrigens nicht einmal eine vorherige Terminvereinbarung als verpflichtend erachtet. Dann reicht es aus, wenn du im entsprechenden Amt während der regulären Öffnungszeiten vorstellig wirst. Gegebenenfalls musst du dann aber eine längere Wartezeit einkalkulieren. Deswegen ist es ratsam, überall dort, wo es entsprechende Möglichkeiten gibt, einen Termin zum Kirchenaustritt zu vereinbaren.
Achtung: Immer wieder tauchen im Internet vermeintliche hilfreiche Portale auf, die vorgeben, dir gegen einen Unkostenbeitrag beim Kirchenaustritt zu helfen. Das ist aber nicht mehr als eine Internet-Abzocke. Denn den Austritt aus der Kirche kannst nur du selbst in Angriff nehmen.
Kirchenaustritt ist gesetzlich geregelt
Wenn du dir übrigens die Frage stellen solltest, warum ein Austritt aus der Kirche nicht online erfolgen kann, musst du die Ursache in der deutschen Gesetzgebung suchen. „Dass der Kirchenaustritt als mündliche Erklärung zur Niederschrift des Urkundsbeamten oder schriftlich, in öffentlich beglaubigter Form vor einem Notar erklärt werden muss, ist in § 3 des Kirchenaustrittsgesetzes (KiAustrG) geregelt“, erklärte eine Sprecherin des Amtsgerichts Münster gegenüber inside digital. Die deutsche Bundesregierung müsste dieses Gesetz entsprechend ändern, damit ein Online-Austritt aus der Kirche überhaupt vorstellbar wäre.
Befürchtungen, dass du deinen Kirchenaustritt in einem langen Gespräch begründen musst, sind übrigens nicht angebracht. Ein Kirchenaustritt ist jederzeit, ohne Angabe von Gründen möglich. Im Jahr 2022 lag die Zahl der Kirchenaustritte in Deutschland übrigens bei rund 900.000. Ein deutliches Plus gegenüber dem Jahr 2021, als rund 640.000 Kirchenaustritte verzeichnet wurden. Die Unzufriedenheit mit der Kirche nimmt also spürbar zu. Und die zuletzt hohe Inflation sorgt sicherlich auch dafür, dass sich mehr und mehr Menschen mit einem Kirchenaustritt beschäftigen.
Welche Nachteile hat ein Kirchenaustritt?
Wichtigstes Argument für einen Kirchenaustritt ist neben der Verurteilung der oben genannten Missbrauchsfälle vor allem der Wegfall der zu zahlenden Kirchensteuer. Der Kirchensteuersatz beträgt derzeit je nach Bundesland 8 oder 9 Prozent der Lohn- und Einkommensteuer. Doch es gibt auch Nachteile, die man bedenken sollte, ehe man seine „Mitgliedschaft“ in der Kirche beendet.
So ist es nach einem Kirchenaustritt nicht mehr oder nur schwer möglich, Sakramente zu empfangen. Dazu gehört unter anderem die Trauung in der Kirche vor dem Altar oder auch eine Krankensalbung durch einen Priester. Für Familien ist zudem wichtig, dass es nach einem Kirchenaustritt nicht mehr möglich ist, Tauf- oder Firmpate zu sein. Und auch ein kirchliches Begräbnis ist nur noch möglich, wenn vor dem Tod ein Zeichen der Reue vorgelegen hat.
Weiterhin verbaut man sich mit einem Austritt aus der Kirche gegebenenfalls potenzielle Jobchancen. Denn wer in an die Kirche angeschlossenen Einrichtungen arbeiten möchte, muss in der Regel ein zahlendes Mitglied sein. Das kann unter anderem für Ärzte, Krankenschwestern, Pädagogen oder Sozialarbeiter von Relevanz sein.
Selbst die Kündigung eines bestehenden Arbeitsverhältnisses ist möglich, wenn man bei einem Arbeitgeber in kirchlicher Trägerschaft angestellt ist, aber aus der Kirche austritt. All das sollte man vor einem spontanen Austritt in jedem Fall beachten. Mag der Unmut über die Kirche in der Gegenwart auch in vielen Fällen noch so gut begründet sein, ein Austritt hat unter Umständen Konsequenzen, die niemand vernachlässigen sollte.
Übrigens: Ein Eintritt in die Kirche ist jederzeit wieder möglich. Dafür muss man sich dann aber direkt an die katholische und evangelische Kirche wenden. Und die eine oder andere kritische Frage dürfte dann nicht ausbleiben.