Während die politische Führung in den USA überlegt, wie sie sich vom Rest der Welt isoliert, sucht eben dieser Rest der Welt ebenfalls nach Möglichkeiten, um bestehende Abhängigkeiten aufzulösen. Einfach ist das jedoch insbesondere in der Welt der Computer nicht.
Es finden sich zwar in den Bereichen Hardware und Software Alternativen zu den Offerten US-amerikanischer Anbieter, ihre Nutzung erfordert jedoch stellenweise die Kompromissbereitschaft. Noch schwieriger gestaltet sich die Suche nach Ausweichmöglichkeiten beim Internet und darauf aufbauenden Angeboten wie Social-Media- und Cloud-Diensten sowie Online-Plattformen. Schon die Liebe wird in Europa stark aus den USA beeinflusst. Bumble, Grindr und Tinder haben ihre Geschäftsadressen in den Vereinigten Staaten.
Dabei spielen technische und wirtschaftliche Aspekte entscheidende Rollen. Es zeigt sich aber auch, wie stark die beiden Kontinente kulturell miteinander verknüpft sind.
Das beginnt schon beim “Internet” selbst. Wesentliche Standards wurden im Laufe seiner Entwicklung zwar von US-amerikanischen Entwicklern definiert. Es handelte sich dabei jedoch zumeist um Forscher, die sich um eine enge Zusammenarbeit über Staatsgrenzen hinweg bemühten. Einen großen Anteil am Internet in seiner heutigen Form trugen Schweizer Wissenschaftler um Tim Berners-Lee am CERN zu Beginn der 1990er Jahre bei. Das gilt etwa für die Festlegung des HTML-Standards und Mosaic, des ersten Browsers, der die Anweisung grafisch darstellen konnte.
Browser: Forks aus Europa
Die sich bietenden Möglichkeiten des Internets wurden zuerst von US-amerikanischen Unternehmen entdeckt. Das gilt bereits für den Browser, der ab 1994 zuerst von Netscape kommerziell angeboten wurde und dessen Code-Basis nach der Pleite des Unternehmens die Grundlagen für den Firefox-Browser stellt. Er steht zwar unter einer Open-Source-Lizenz, die Entwicklung wird jedoch vorrangig von der dahinterstehenden Mozilla-Stiftung vorangetrieben. Ähnlich verhält es sich beim übermächtigen Konkurrenten, Googles Chrome. Auch wird auf Open Source gesetzt, doch Alphabet bestimmt letztlich, wo es lang geht.
Dadurch bietet sich zumindest teilweise die Möglichkeit, auf Kompetenz aus Europa zu setzen. Im Rahmen sogenannter Forks nutzen die Entwickler wie Opera oder Vivaldi den Kern des Browsers, die sogenannte Browser-Engine, und bauen darauf eigene Versionen auf. Das Prinzip nutzt Microsoft bei seinem Edge, der ebenfalls auf der Chrome-Engine basiert.

Bei der Cloud haben die Konzerne vom Browser gelernt
Auch bei den beliebten Online-Speichern dominieren US-amerikanische Anbieter. Dabei haben vor allem Apple, Google und Microsoft enorm von der Dominanz ihrer Betriebssysteme profitiert. Die iCloud, die Google Drive und OneDrive wurden einfach in die jeweiligen Betriebssysteme integriert und beim Einstieg mit attraktiven Angeboten kombiniert. Daneben zählt mit Dropbox, ein weiterer US-amerikanischer Anbieter zu den Größen im Segment, der das Konzept des privaten Cloudspeichers einst populär gemacht hat.
Auch europäische Anbieter versuchen bei ihren privaten Kunden mit Cloud-Lösungen zu punkten und bieten ihrerseits online Speicherplatz zu vergleichbaren Kosten an. Bei 1&1 kosten 100 GB mit 1,99 Euro genauso viel wie bei Google. Eine Verbindung zum jeweiligen Gerät muss danach jedoch erst eingerichtet werden. Und Office-Anwendungen wie Google Docs lassen sich auch nicht mehr so leicht erreichen. Hier kostet die US-Alternative also gelebte Bequemlichkeit.
Wer die erreichen und gänzlich unabhängig sein will, sollte zu einer NAS greifen. Diese lässt sich am Netz ebenso als Online-Speicher konfigurieren und mit der Software von NextCloud zu einem veritablen Google-Ersatz ausbauen – inklusive Office.
Social Media: Auf einen Erfinder hoffen
Noch schwieriger gestaltet sich die Situation bei Social Media. Bei Messaging-Diensten kann etwa auf das kostenpflichtige Angebot von Threema aus der Schweiz zurückgegriffen werden. Auch der nicht ganz unumstrittene Dienst Telegram kommt – mit Geschäftsadressen in Dubai und den Virgin Islands – nicht aus den USA. Facebook, Instagram und selbst X sind für die meisten jedoch alternativlos. Gleiches gilt für das an Bedeutung verlierende Snapchat und Twitch.
Hier spielt nicht nur die Technik eine Rolle. Anziehungskraft üben gerade auch die verschiedenen Stars und Sternchen bzw. deren Inhalte aus. Schon das erste erfolgreiche soziale Netzwerk, Myspace, wollte die Nutzer mit einem direkten Draht zu den von ihnen präferierten Künstlern liefern. Selbst im Vergleich mit den Business-Netzwerken LinkedIn und Xing zeigt sich, dass eine internationale Ausrichtung ein Erfolgskriterium sein kann. Dass die Verhältnisse jedoch nicht für alle Ewigkeiten in Stein gemeißelt sein müssen, zeigt jedoch Tiktok. Das Besondere ist hier vor allem der Algorithmus für die Empfehlungen, der großen Anklang fand.
Allerdings zeigt nicht zuletzt das Fediverse, wie schwer es ist, echte Alternativen zu dem Angebot der (US-amerikanischen) Konzerne zu etablieren. Es handelt sich dabei nicht um ein soziales Netzwerk im eigentlichen Sinne, sondern vielmehr eine Schnittstelle mit der verschiedene Netze miteinander verknüpft werden können. Zu den bekanntesten Diensten zählt neben Diaspora vor allem das von Berlin aus in die Welt getragene Mastadon, das zuletzt immerhin 11,8 Millionen Nutzer vorweisen konnte. Im Vergleich zu den Meta-Angeboten sind das aber immer noch mickrige Zahlen. Neben dem begrenzten Bekanntheitsgrad leiden die Fediverse-Angebote nicht zuletzt daran, dass sie von Enthusiasten bereitgestellt werden. Sie lassen sich an vielen Stellen längst nicht so bequem bedienen wie etwa Instagram. Das beginnt schon damit, dass beispielsweise nicht den Mastadon-Client gibt, sondern verschiedenste Entwickler jeweils eigene Apps für den Zugang liefern.

Streaming: Die Musik spielt in Europa, der Film in den USA
Bei Streaming-Diensten zeigen die Europäer, dass auch sie grundsätzlich verstanden haben, wie das Geschäft mit Online-Plattformen funktioniert. Denn im Bereich der Musik führt derzeit kein Weg an Spotify vorbei, das aus Schweden stammt. Auch kleinere Anbieter wie Deezer oder Soundcloud sind in Europa beheimatet.
Bei Serien und Filmen sieht es dagegen anders aus. Hier ist mit Netflix ein US-amerikanisches Unternehmen das Maß der Dinge. Auch die großen Konkurrenten wie Apple – dessen Streaming-Angebot wohl enorme Verluste einfährt -, Amazon und Disney kommen aus den USA.
Alternativen aus Europa? Fehlanzeige. Mit der Initiative “The European Collection” wollten die ARD und ZDF sowie France Television und die Schweizer Rundfunk- und Fernsehgesellschaft ein gemeinsames Angebot auf der Basis ihrer Archive schaffen. Es gelingt jedoch schon öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten in Deutschland nicht, sich auf eine Mediathek zu einigen.

Zahlungsdaten landen oft auf US-Plattformen
Die große Abhängigkeit von US-amerikanischen Anbietern von Plattform-Diensten, also Diensten, die ausschließlich mit Hilfe des Internets angeboten werden können, ist bei Zahlungsdienstleistern besonders drastisch. Zwar folgt mit Klarna auf dem zweiten Platz dem Platzhirsch PayPal ein europäischer Anbieter. Die weiteren Vertreter in der Liste der beliebtesten Dienste sind jedoch US-amerikanisch. Doch daran schließen wiederum Amazon Pay, Apple Pay und Google Pay an.
Und selbst wer auf Nummer sicher gehen möchte und beim Zahlen stets auf die Kreditkarte zurückgreift, kann nicht vollends sicher sein, dass seine Daten nicht trotzdem in den Händen eines Dienstleisters aus den USA landen. Bei vielen Shops wickelt ein Zahlungsanbieter im Hintergrund sämtliche Zahlungsprozesse ab, ganz egal welche Zahlungsart ausgewählt wurde. Diese bieten ihren Kunden ein breites Angebot an Diensten aus einer Hand – von Paypal bis zur Kreditkarte – und sammeln dabei auch die persönlichen Daten der jeweiligen Nutzer ein. Mit Adyen kommt zwar eine der Branchengrößen aus den Niederlanden, andere Anbieter wie Stripe sitzen jedoch zumindest teilweise in den USA.

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