Nach der Erfindung des Internets haben Smartphones die Welt wohl am meisten nachhaltig beeinflusst. Egal, ob Zuhause vor dem Fernseher, in der Bahn oder bei der Arbeit – das Smartphone ist immer griffbereit; unterstützt, informiert und unterhält. Und die Smartphone-Nutzung steigt immer weiter an: Prognosen von Statista zufolge, steigt die Zahl der Handy-Nutzer bis 2023 auf fast 70 Millionen Menschen.
In einigen extremen Fällen kann der Smartphone-Enthusiasmus gar als konventionelle Sucht angesehen werden. Doch auch für durchschnittliche Nutzer könnte es sich lohnen, das schlaue Mobiltelefon eine Weile lang links liegenzulassen und die Angst, etwas zu verpassen, zu bekämpfen.
→ Digital Detox extrem: Eine Woche ohne Smartphone – der Selbstversuch
Digital Detox: Handylose Zeit manuell einrichten
Den Begriff „Detox“ kennt man vor allem im Zusammenhang mit Diäten – oder vielmehr Entgiften. Der Körper soll von Schadstoffen gereinigt werden, so zumindest in der Theorie. Was klingt, wie eine Saftkur, hat letztlich folgendes Ziel: Den Stressfaktor, der durch ständige Erreichbarkeit sowie die unaufhörliche Informationsflut entstehen kann, zu verringern.
Beim Digital Detox gönnst du vielmehr deinem Geist und zumindest deinen Augen eine Auszeit von der virtuellen Reizüberflutung. Möchtest du manuell und nach eigenem Ermessen auf dein Handy sowie häufig genutzte Apps verzichten, bieten sich ein paar Einstellungen an, damit das Fasten gelingt.
- Push-Benachrichtigungen deaktivieren: Jeder Push, der dein Smartphone erreicht, lässt dein Handy aufleuchten. Damit du davon nicht permanent an den Bildschirm gelockt wirst, deaktiviere die Benachrichtigung, solange du fastest – sowohl von Browsern als auch von Apps.
- Ruhemodus aktivieren: Um zu bestimmten Zeiten von Nachrichten und Anrufen verschont zu bleiben, kannst du einen Ruhemodus festlegen. Wie das unter Android und iOS geht, liest du hier.
- Handyfreie Zone zu Hause: Auch wenn du eigentlich Fernsehen schaust oder Besuch hast – meistens liegt das Smartphone immer in Reichweite. Das muss nicht sein. Lass dein Handy stattdessen lieber „draußen“. Richte in deinen vier Wänden Bereiche ein, in denen du dein Smartphone nicht benutzt. Definiere einen festen Platz, auf dem das Handy außer Reichweite liegen kann.
- Zeit ohne Smartphone: Die Zone kannst du auch in generelle Zeiträume inner- und außerhalb deines Zuhauses ausweiten. Verzichte bewusst zu bestimmten Zeiten oder in eingerichteten Zeiträumen auf dein Handy oder spezielle Apps. Fortgeschrittene können auch einen Tag in der Woche definieren, an dem sie komplett offline sind.
- Handy entrümpeln: Hilfreich ist ebenfalls, Ballast abzuwerfen und das Handy zu entrümpeln – egal, ob zum Jahresende oder -anfang oder der Fastenzeit. Lösche überflüssige Apps und ungenutzte Inhalte. Mache Platz für neues Leben auf deinem Smartphone.
- Keine Ausreden mehr und analoge Alternativen schaffen: Du brauchst dein Handy als Wecker? Für deine Mails? Nein, für all das gibt es Alternativen – je nachdem auch analog. Gehe bewusst mit deinem Konsum um und nehme deine Auszeit ebenso bewusst wahr.
Wer sich dem inneren Schweinehund nicht alleine stellen will oder kann, bekommt Unterstützung von Apps. Die hilfreichsten sind im Folgenden aufgelistet.
Handyfasten: Diese Apps helfen dir beim Digital Detox
Googles „Digital Wellbeing“ für Android
Seit Android 9 Pie ist „Digital Wellbeing“ ein fester Bestandteil der Google-Services. Die App hilft dabei, die Gewohnheiten zu beobachten und zu tracken. Hast du den Dienst aktiviert, kannst du überwachen, wie oft du dein Smartphone entsperrst, welche Apps du nutzt oder welche Nachrichten eingehen. Außerdem wird dir angezeigt, wie lange du vor dem Bildschirm gehockt hast.
Darüber hinaus lässt sich die Zeit, in der du dein Handy nutzt, einschränken. Dafür musst du im Dashboard einen bestimmten Zeitraum eingeben. Zusätzlich gibt es einen Entspannungsmodus, der das Auge schont. Verschiedene Graustufen unterbinden die bunte Reizüberflutung und der „Bitte nicht stören“-Modus die Belästigung durch Nachrichten oder Anrufe.
Unabhängig von Google haben einige Hersteller auch eigene Dienste entwickelt. OnePlus bietet auf seinen Smartphones beispielsweise den „Zen Mode“. Dieser lässt sich sogar so weit einstellen, dass sich das Handy im Zeitraum gar nicht nutzen lässt. Auch Samsung bietet eine eigene Variante an.
Apples „Bildschirmzeit“ für iOS
Auch Apple hat für seine iPhones und iPads mit „Bildschirmzeit“ einen eigenen Ruhemodus in petto. Die App findet sich wie bei Android in den Einstellungen des Smartphones und befindet sich seit iOS 12 in Apples Betriebssystem. Mit dem Dienst kannst du deine Bildschirmzeit beobachten: In verschiedenen Statistiken lässt sich anzeigen, wie häufig du dein iPhone oder wie viele und welche Apps du nutzt. Im Detail lässt sich auch die einzelne Nutzungszeit pro App ansehen oder wie lange du welches Gerät, das du in der Apple ID registriert hast, nutzt.
Möchtest du eine „echte“ Auszeit, kannst du eine Zeitbegrenzung für Apps festlegen. Die App darf dann nur außerhalb der Zeit laufen und muss sonst mit einem Code entsperrt werden. Diese Einstellung eignet sich dein Digital Detox, aber auch beispielsweise für Kinder, die nur wenig Zeit am iPhone verbringen sollen.
Forest
Die erste Anwendung für Digital Detoxing ist Forest. Hier versuchen die Entwickler dich zur „Enthaltsamkeit“ zu motivieren, indem sie für eine gewisse Zeit, in der du das Smartphone nicht nutzt, einen digitalen Baum erhältst. Zeigst du dabei Willenskraft, kann so ein ganzer Wald entstehen, welchen man mit seinen Freunden teilen kann. Alternativ findet man sich am Ende vor einer kargen Wüstenlandschaft wieder.
Forest erinnert an ein Spiel, denn Nutzer können mit der App Münzen sammeln oder bestimmte Ziele freischalten – je nachdem, wie gut sie die Finger vom Handy lassen können. Hast du genug Münzen zusammen, kannst du sie an eine gemeinnützige Organisation für Naturschutz spenden. Die App selbst ist allerdings mit allerhand Werbung gespickt und bietet einige Features nur kostenpflichtig an.
AppDetox
Eine alternative Vorgehensweise eröffnet sich digitalen Aussteigern durch die Anwendung von AppDetox. Im Gegensatz zu „Forest“ belohnt AppDetox die Nutzer nicht dafür, das Smartphone insgesamt ausgeschaltet gelassen zu haben. Im Gegenteil: Die App hilft dabei, die Nutzung konkreter Programme zu minimieren. Dafür wird zunächst eine Statistik darüber erstellt, wie oft die einzelnen Apps genutzt werden. Im Nachhinein können gewisse Regeln für die Nutzung dieser aufgestellt werden – beispielsweise eine maximale Nutzungszeit oder wie oft die Anwendung in einer Woche geöffnet werden darf.
Zusätzlich bietet AppDetox auch an, zu mehr Bewegung zu animieren. Du kannst festlegen, wie viele Schritte du gehen musst, bevor du als „Belohnung“ eine App für zehn Sekunden verwenden darfst. Wem das letztlich zu anstrengend ist, kann die vorab festgelegten Regeln auch brechen. AppDetox steht kostenfrei zum Download bereit.
Space
Die Anwendung Space stellt eine Mischung aus „Forest“ und „AppDetox“ dar. Beim erstmaligen Anmelden kannst du Details zum eigenen Nutzungsverhalten angeben und Space so personalisieren. Daraufhin erhältst du die Möglichkeit, eigene Ziele für die Nutzungszeit und die Anzahl der Freischaltungen festzulegen. Sozusagen dein Nutzungskontingent während des Digital Detox.
Weiterhin kannst du eine Statistik über die eigenen Erfolge begutachten und erhältst Zugang zu Tools wie einem Benachrichtigungs-Blocker. Eine spielerische Komponente ist ebenfalls enthalten: Hierbei werden bei Erreichen der Vorgaben Belohnungen in Form von unterschiedlichen Planeten freigeschaltet. Die Basis-Variante von Space steht kostenlos zur Verfügung.
- Tipp: Wenn dich das Digital Detox psychisch belastet, scheue dich nicht, mit einer Vertrauensperson darüber zu sprechen!