Das Netz von 1&1 startete quasi bei Null. Der Netzbetreiber hatte bis 2022 kein eigenes Mobilfunknetz – aber die besten Voraussetzungen, als vierter Netzbetreiber den Mitbewerbern Telekom, Vodafone und O2 das Leben schwer zu machen. Denn die Einführung eines eigenen 1&1 Netzausbaus scheint von langer Hand geplant, entsprechend konnte man über einen langen Zeitraum viele Vorbereitungen treffen. Was der Anbieter außerdem schon mitbringt, ist ein großer Kundenstamm von mehreren Millionen Nutzern. Sie befinden sich derzeit noch im O2-Netz. Doch es gehören noch weitere Voraussetzungen dazu, die den Start von 1&1 als vierten Anbieter erst möglich machen.
Die Voraussetzungen
Zu 1&1 gehört auch die 1&1 Versatel. Versatel war einst ein eigenständiger Anbieter, der in weiten Teilen Deutschlands Glasfasernetze aufgebaut hat. 51.721 Kilometer Länge hat dieses Netz heute, es erreicht 350 Städte. Es wird heute unter anderem für die Anbindung von Geschäftskunden genutzt. Doch 1&1 wird versorgt mit dem Netz auch die eigenen Mobilfunkmasten.
1&1 hat sich zudem die notwendigen Frequenzen für ein eigenes Mobilfunknetz gesichert. Stand heute hat 1&1 zwei verschiedene Frequenzbereiche zur Verfügung. Das sind die „klassischen“ 5G-Frequenzen um 3,5 GHz. Und bis Ende 2025 kann der Anbieter Frequenzen im Bereich um 2,6 GHz nutzen. Diese sind aufgrund verschiedener EU-Auflagen eine Überlassung von Telefónica. Erst ab 2026 kann man eigene Frequenzen im Bereich um 2,1 GHz nutzen.
Was bedeutet das für den 1&1 Netzausbau? Faktisch kann es bis Ende 2025 das eigene Handynetz von 1&1 nur in (Groß-)städten geben. Denn die verfügbaren Frequenzen haben nur eine Reichweite von wenigen hundert Metern. Um eine Innenabdeckung zu erreichen, müssen die Sendemasten zudem sehr nah beieinanderstehen. Das Durchdringen von Wänden ist mit diesen Frequenzen schnell kompliziert. Die eigene 1&1 Netzabdeckung wird sich als erst einmal nur auf Ballungszentren beschränken.
National Roaming mit Vodafone
Erst ab 2026 ist dann damit zu rechnen, dass 1&1 sein Netz auch in ländlichere Gebiete bringt. Die 2,1 GHz-Frequenzen sind die alten UMTS-Frequenzen. Entsprechend kann auch die Abdeckung zwar deutlich besser, aber nicht überragend sein. Bei künftigen Frequenz-Vergabeverfahren wird 1&1 weitere Frequenzen einkaufen oder ersteigern müssen, will man nicht dauerhaft auf einen Roaming-Vertrag mit einem anderen Anbieter setzen. Denn Empfang wirst du mit 1&1 auch dort haben, wo der Netzbetreiber keine eigenen Masten aufbaut.
1&1 hat ein Abkommen über National Roaming mit O2 abgeschlossen – will dieses aber nicht lange nutzen. Im Sommer 2023 hat 1&1 überraschend einen Roaming-Vertrag mit Vodafone bekannt gegeben, der ab Sommer 2024 den Zugriff auf das Vodafone Netz samt 5G-Netz bieten soll. Sprich: Dort, wo das neue LTE- beziehungsweise 5G-Netz nicht zur Verfügung steht, soll sich dein Handy in das Netz von Vodafone einbuchen. Diese Vereinbarung gilt für alle Neukunden ab 29. August 2024, Bestandskunden werden nach und nach umgestellt.
Die Auflagen
Bis Ende 2022 hätte 1&1 mindestens 1.000 5G-Standorte betreiben müssen. Daraus wurde nichts. Der Netzstart erfolgte zwar offiziell noch kurz vor Ende des Jahres 2022 – doch mit gerade einmal drei Sendemasten. Bis Ende 2025 muss das neue Netz dann 25 Prozent der deutschen Haushalte erreichen können. Also etwas mehr als 10 Millionen Haushalte. Ferner müssen dann bis 2030 50 Prozent der Bevölkerung erreicht werden. Diese Auflagen hat 1&1 mit der Ersteigerung der Frequenzen akzeptiert.
Der Zeitplan
1&1 verfügt über einen National-Roaming-Vertrag mit Telefónica und Vodafone. Bereits im Sommer 2021 hat Unternehmens-Chef Ralph Dommermuth weitere Details zum Ausbau und Zeitplan verraten. So sollte das Netz im ersten Schritt als Festnetz-Ersatzprodukt startet (Fix Wireless Access). Das erfolgte Ende 2022 – wenn auch in einem sehr kleinen Umfang. In den Städten und Stadtteilen, in denen die ersten Sendemasten stehen, könnten Kunden dann einen schnellen Internetanschluss als Alternative zu DSL und Kabel buchen. Das Produkt entspricht dann im Prinzip einem Vodafone Gigacube oder ähnlichen Produkten. Erst in einem zweiten Schritt hat dann auch die echte Mobilfunknutzung Einzug ins Netz erhalten. Der Start des eigenen Netzes erfolgte am 8. Dezember 2023. Seit diesem Stichtag werden alle neue Verträge bei 1&1 im eigenen Netz mit National Roaming geschaltet. Neue Kunden, die keine eigene Rufnummer mitbringen, bekommen eine neue Nummer mit der eigenen Vorwahl 01556 zugewiesen.
Der Netzausbau
Angesichts des schleppenden Ausbaus hält man sich bei 1&1 auch bedeckt mit aktuellen Zahlen. Nur ab und an gibt man einen Überblick über den Stand der Dinge. Dazu gibt es drei Zählgrößen. So zählt 1&1 die Zahl der Standorte, über die es Verträge und Vereinbarungen über die Nutzung gibt. Möglicherweise stehen hier durch Vorarbeit der Ausbaupartner auch bereits Masten – was dort aber nicht steht, sind Antennen. Es handelt sich um eine rein passive Infrastruktur. Hier zählte 1&1 zuletzt Ende 2023 insgesamt 1.062 Standorte. Bis Frühjahr 2024 sollen etwa 1.350 Standorte abgeschlossen sind. Bis Ende 2024 geht Dommermuth von 3.000 Standorten aus.
Die nächste Zählgröße sind Antennenstandorte mit Basisstationen, also Technik. Hier wollte man im Frühjahr 2024 etwa 600 Standorte haben, an denen auch schon Antennentechnik von 1&1 hängt. Das heißt aber nicht, dass diese 600 Standorte bereits nutzbar sind. Denn dafür ist eine Glasfaseranbindung notwendig. Nur etwa rund 200 Standorte sollten zum gleichen Zeitpunkt schon über die Glasfaseranbindung verfügen und einige Tage später auch aktiviert sein. Sie sind dann nutzbar.
Auch wenn das wenig klingt: Damit hätte 1&1 die Zahl seiner tatsächlich nutzbaren Sendemasten binnen eines Quartals verdoppelt. Auch beim Ausbau vor Ort hat man die Schlagzahl erhöht: Von 243 mit Technik bestückten Standorten Ende 2023 ist man jetzt bei etwa 600 angekommen – wenngleich 400 von ihnen bis jetzt nicht nutzbar sind.
Die Netzabdeckung von 1&1
Das neue Netz soll bis Ende 2030 in 390 Städten direkt verfügbar sein, der Rest Deutschlands wird durch National Roaming abgedeckt. 1&1 plant mit 12.000 Antennenstandorten, an denen dann in der Regel mehrere Antennen hängen. So kommt man zu diesem Zeitpunkt voraussichtlich auf etwa 36.000 Antennenelemente und kann 50 Prozent der Haushalte versorgen. Zum Vergleich: Die Telekom als vielmaliger Testsieger verfügt über 35.000 Standorte in ganz Deutschland. An den Standorten werde man ausschließlich Antennen verbauen, die 5G mit Gigabit-Datenraten liefern können. Außerdem wird jeder Sendemast auch LTE ausstrahlen. Alle Sendemasten werden direkt an das Glasfasernetz angebunden.
Die Technik
Das Netz von 1&1 ist anders aufgebaut als bei bestehenden Anbietern. Die Intelligenz des Netzes befindet sich auf Servern in 550 Rechenzentren. Die sonst übliche Technik am Standort, die in Schränken am Boden oder auf dem Dach zu finden ist, entfällt. Am Antennenmast ist nur eine Antenne zu finden. Dadurch sollen Wartung und Aussteuerung des Netzes effizienter werden. Für das Kernnetz sind vier zentrale Rechenzentren vorgesehen. Zudem lassen sich die Rechenzentren für Edge-Computing nutzen, sodass Dommermuth optimistisch ist, sehr niedrige Latenzzeiten liefern zu können. Auch Umrüstungen oder Wartungen an den Basisstationen der Antennen sind nach Angaben von 1&1 obsolet und können durch Software-Aktualisierungen durchgeführt werden.
Bestandskunden
1&1 wird Bestandskunden der 1&1 und Drillisch auf das neue Netz umstellen. Das soll über einen technischen Trick geschehen. Die wichtigste Information für die Kunden dabei: Es ist kein Austausch der SIM-Karte notwendig. Die Kunden werden über ein auf den SIM-Karten befindliches zweites SIM-Karten-Profil in das neue Netz migriert. Diese Aktivierung erfolge Over the Air (OTA). Dabei bekommen die Bestandskunden der zahlreichen Marken die notwendigen Daten per SMS geschickt. Das Handy verarbeitet diese und bucht sich dann im 1&1-Netz ein. Dort, wo dieses dann noch nicht verfügbar ist, greift das Handy dann auf das National Roaming zurück.
Der Umzug selbst begann Ende 2023 und wird insgesamt zwei Jahre dauern, bis alle Kunden migriert sind. 40.000 Umstellungen pro Tag seien möglich. Ende 2025 muss der letzte Kunde im neuen Netz sein. Im Frühsommer 2024 zählte man bereits 2 Millionen aktive SIM-Karten im neuen Netz.