Zurück in die 1990er: Bahn verabschiedet sich von Digitalisierung

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Ist die Deutsche Bahn mit der Sanierung des Schienennetzes finanziell überfordert? Einsparungen bei der Digitalisierung sollen für mehr Mittel für neue Gleise sorgen. Das könnte jedoch künftig weniger Züge und eine geringere Pünktlichkeit bedeuten als ursprünglich geplant.
Ein ICE 3 der Deutschen Bahn

Ein ICE 3 der Deutschen Bahn

Beim deutschen Schienennetz ist der Sanierungsbedarf groß. Viele Strecken gelten als marode und müssen dringend saniert werden. Dabei scheint die Deutsche Bahn allerdings von einer umfassenden Digitalisierung der Schieneninfrastruktur Abstand zu nehmen, wie der Südwestdeutsche Rundfunk (SWR) berichtet.

Mit dem digitalen Knotenpunkt Stuttgart und der Neubaustrecke Stuttgart-Ulm hatte der Konzern zwar bereits eine Blaupause für die künftige Digitalisierung der Schiene entwickelt. Und auch bei der Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim, die aktuell saniert wird, wird auf die digitale Technik gesetzt. 

Doch nach Informationen des Senders nimmt die Bahn aufgrund der damit verbundenen Kosten Abstand von einer breiten Digitalisierung. Allein in diesem Jahr werden 16,4 Milliarden Euro investiert. Stattdessen soll etwa bei der Instandsetzung von in die Jahre gekommenen Stellwerken weiterhin auf die elektronischen Systeme gesetzt werden, die bereits in der Vergangenheit genutzt wurde.

Mit digitaler Technik mehr Züge möglich

Die Konsequenzen eines solchen Rückschritts wären allerdings groß. Mit dem Stopp wäre nicht nur die Einführung des Europäischen Zugsicherungssystems (ETCS) im geplanten Umfang gefährdet. Auch die Leistungsfähigkeit der Bahn als solche würde leiden. Denn mit der Einführung von ETCS und der digitalen Technik für Stellwerke soll nicht nur die Pünktlichkeit der Züge steigen. Auch die Anzahl der Fahrzeuge auf den Gleisen kann damit erhöht werden. 

So darf aktuell nur ein Zug einen festgelegten Streckenabschnitt befahren. Andere Züge dürfen diesen erst nach einer Freigabe passieren. Mit digitaler Steuerungstechnik werden solche Grenzen aufgehoben. Die Geschwindigkeit der einzelnen Schienenfahrzeuge kann dynamisch an das jeweilige Aufkommen angepasst werden, sodass mehrere Züge den gleichen Abschnitt nutzen können.

Zu großer Sanierungsbedarf: Geht der Bahn das Geld aus?

Doch offenbar der große Sanierungsstau zu viel für die zuständige Konzernsparte DB InfraGO. Um mehr Geld für die kostenintensive Sanierung der Hauptstrecken zur Verfügung zu haben, soll demnach an anderer Stelle gespart werden. Die Erneuerung der Infrastruktur mit digitaler Stellwerkstechnik ist nicht nur teurer, sondern für den Ausbau wird auch mehr Personal benötigt.

Auf der Kippe steht dem Bericht zufolge etwa der digitale Ausbau der Schnellfahrstrecke zwischen Frankfurt und Köln genauso wie der sogenannte Skandinavien-Mittelmeer-Korridor, der von Hamburg über Halle und Erfurt nach München führt. Letzterer ist teilweise schon mit der für ETCS benötigten Technik ausgestattet. Die Investitionen wären damit überflüssig.

Die Deutsche Bahn dementiert zwar den Bericht des SWR und unterstreicht, die Digitalisierung in den kommenden Jahren schrittweise vorantreiben zu wollen. Gleichzeitig erklärt der Konzern, aktuell in Verhandlungen mit dem Bundesverkehrsministerium zu stehen, um eine umfangreichere Finanzierung des Bundes an den Maßnahmen zu erreichen. Möglicherweise sollen die nun publik gewordenen Informationen den Druck auf den zuständigen Minister Volker Wissing erhöhen.

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