Das Pariser Klimaziel lautet, die Erde möglichst bei einer Erwärmung von 1,5 Grad, jedoch auf jeden Fall unter 2 Grad zu halten. Doch das halten viele Experten heute nicht oder kaum noch für möglich, wenn man der Atmosphäre CO₂ nicht entzieht. Bisherige Methoden sehen eine Speicherung von CO₂ im Boden vor. Die Umsetzung davon ist nicht nur teuer, die wieder eingespeicherten Mengen sind im Verhältnis auch gering. Sie genügen nicht, um einen ernsten Unterschied zu bewirken. Eine Branche jedoch könnte weltweit gleich zwei große Probleme auf einen Schlag lösen. Mit der passenden Methodik könnte die Baubranche sowohl die Wohnungs- als auch die Klimakrise beenden.
Baubranche könnte Baumaterialien in CO₂-Speicher verwandeln
Das Team von Forschern rund um Elisabeth Van Roijen von der University of California untersuchte mehrere Techniken, mit denen CO₂ aus der Atmosphäre entzogen werden kann, um sie in Gebäuden einzulagern. Die Wissenschaftler haben ihre Ergebnisse im Science veröffentlicht. Die cleveren Verfahren setzen dabei auf eine CO₂-Speicherung in Beton, Asphalt und anderen Baumaterialien ein. Weltweit betrachtet hätte diese Anpassung das Potenzial, rund 17 Milliarden Tonnen CO₂ pro Jahr zu speichern. Eine gewaltige Summe, wenn man bedenkt, dass somit knapp die Hälfte der jährlichen CO₂-Emissionen weltweit in festen Gebäuden eingespeichert werden könnte. Als Nebeneffekt würde so neuer Wohnraum geschaffen, der auch die Wohnungsknappheit beseitigen könnte. Allein in Deutschland fehlen laut Aussagen der Immobilienbranche längst 800.000 Wohnungen. Rund 100.000 mehr als noch im vergangenen Jahr.
Bis zu einer vollständigen Anwendung in der Realität gilt es jedoch, einige Hürden der Techniken zu beseitigen. Zum einen wird nicht nur bei der Produktion von Baumaterialien CO₂ frei, sondern auch bei der Herstellung der für das Verfahren nötigen Zusatzstoffe. Zudem warnen Experten vor möglichen Risiken des CO₂-Betons. So weist Volker Thome vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP darauf hin: „Man muss vorsichtig sein, damit der Säuregrad etwa im Stahlbeton dabei nicht zu sehr steigt und er damit korrosionsanfällig wird.“ Würde Stahlbeton durch das Verfahren zu anfällig, drohen somit Risiken für die Statik damit hergestellter Gebäude. Zudem gibt es in Deutschland weitaus weniger Überschuss an den Ausgangsmaterialien für dieses Verfahren. Hierzulande finden sich nur geringe Mengen von Hochofenschlacken oder Flugaschen, während andere Länder wie China wesentlich mehr davon als Abfallprodukte anderer Herstellungsprozesse gewinnen.
Das Potenzial der Techniken ist groß
Könnte man nur etwa zehn Prozent der weltweit produzierten Zuschlagstoffe für Beton mit der neuen Technik herstellen, könnte das bereits für die Aufnahme von einer Milliarde Tonnen CO₂ pro Jahr sorgen. Dadurch ließe sich zumindest ein Teil der Emissionen ausgleichen, die für die Verwendung und den Transport von Baumaterialien anfallen. Laut UN-Umweltprogramm Unep belief sich der CO₂-Ausstoß für Gebäude 2019 auf rund 3,5 Milliarden Tonnen CO₂. Das Potenzial allein durch die Zusätze liegt jedoch wesentlich höher. Würde man Asphalt und Beton weltweit mit bestimmten Mineralien und Industrieabfällen anreichern, könnten sich jährlich nur durch diese Zusatzstoffe bereits 11,5 Milliarden Tonnen CO₂ festsetzen. Rund 8 Milliarden mehr, als der Bau von Gebäuden 2019 verursachte.
Um negative Auswirkungen für die Gebäudestatik zu verhindern, schlägt das Team von Forschern vor, dass die neuen Baumaterialien zunächst für Isolierungen, Bodenbeläge und Pflasterungen getestet werden sollten. Diese seien keinen so hohen statischen Belastungen ausgesetzt wie Wände, haben aber dennoch einen erheblichen Anteil an der Gesamtmasse von Bauprojekten.
Die Studie analysierte jedoch lediglich das CO₂-Speicherpotenzial, ohne weitere CO₂-Emissionen zu berücksichtigen, die während der Gewinnung und Verarbeitung der neuen Materialien anfallen könnten. Dadurch könnte laut Van Roijen das CO₂-Speicherpotenzial netto geringer ausfallen als zunächst errechnet. Dennoch erscheint der Vorstoß vielversprechend, da sich sowohl die Schaffung von neuem Wohnraum als auch die Speicherung von CO₂ kombinieren lassen. Um das reale Potenzial zu bestimmen, werden weitere Testläufe und das Sammeln von Praxisdaten notwendig sein.