Was der Expertenkommission vorschwebt, ist in Deutschland kein grundsätzlich neuer Vorstoß. Dennoch stimmen einige Stimmen dagegen. Die Rede ist von der Aufteilung Deutschlands in mehrere Strompreiszonen. Aus Sicht der Experten könnte das die Probleme der Energiewende effektiv mindern und langfristig den Strompreis reduzieren. Auch neue Arbeitsplätze in der Industrie könnten durch den Wandel entstehen. Allerdings träfen die Preiszonen einige Bundesländer härter – und eben jene möchten einen höheren Preis abwenden.
Strompreiszonen für Deutschland? Ein Abwägen von Interessen
Schon seit Jahren fordert die EU-Kommission sowie zahlreiche Nachbarländer, dass Deutschland sich selbst in Strompreiszonen unterteilen soll. Doch gerade Energieversorger und Wirtschaftsvertreter sprachen sich bisher stark dagegen aus. Sie befürchten, dass die Liquidität des Strompreismarktes unter der Veränderung leiden könnte. Auch in der Politik stößt der Vorstoß nicht überall auf Freunde. Vor allem süddeutsche Energiepolitiker liefern vehementen Gegenwind. Denn gerade die südlichen Bundesländer wären es, die damit über Nacht zu Hochpreiszonen werden würden. Dabei wären die südlichen Bundesländer nicht die Einzigen, die Potenzial zu den Hochpreiszonen werden könnten. Geht es nach der europäischen Netzbetreiber-Organisation ACER, würde auch Nordrhein-Westfalen noch unter diese Zone fallen.
Doch warum betont die „Expertenkommission zum Energiewende-Monitoring“ die Aufsplittung in Strompreiszonen als notwendig? Aus ihrer Sicht führt gerade der gleiche Strompreis in Deutschland dazu, dass die Energiewende für alle so teuer ausfällt. Das liegt vorrangig darin begründet, dass sich die tatsächlichen Knappheiten und Überschüsse nicht an den Strompreisen ablesen lassen. Projekte, wie der Bau neuer Erzeugungskapazitäten, werden somit nicht dort realisiert, wo man den Strom am dringendsten benötigt. Vielmehr ist sogar das Gegenteil der Fall. Da die Standortwahl für Betreiber kaum relevant ist, entstehen mehr Anlagen in Regionen, in denen längst viele der Anlagen errichtet worden sind. Dadurch stoßen regionale Netze schneller an ihre Grenzen, ein stärkerer Ausbau des Stromnetzes muss in diesen Zonen erfolgen. Dabei könnte sowohl die Abregelungen als auch ein zusätzlicher Ausbau womöglich reduziert oder vermieden werden. Einfach, indem die Anlagen dort entstanden wären, wo der Strompreis am höchsten ausfällt und infolgedessen der Bedarf am größten ist.
Falsche Anreize sollen zum Wohl der Energiewende weichen
Auf lange Sicht würden die Strompreise dadurch auch in Regionen sinken, die zunächst durch einen Preiszonensplit zu Hochpreiszonen würden. Für die Betreiber der Anlagen wäre es sogar lukrativer als heute, ihre Erzeugungskapazitäten zu errichten. Denn je höher der Strompreis einer Zone, desto größer auch die Rendite, die sich mit Investitionen dort erzielen lässt. Dabei richten die Expertenkommissionen ihren Blick keineswegs nur auf erneuerbare Energien. Auch neue Gaskraftwerke oder Großspeicher könnten so an Orten entstehen, wo sie besonders dienlich für das Stromnetz wären. „Eine durch die Anreize systemdienlichere Ansiedlung der Anlagen birgt erhebliche Kostensenkungspotentiale im Vergleich zu Investitionsentscheidungen in einer Einheitspreiszone“, so steht es in dem Gutachten der Expertenkommission.
Als Nebeneffekt würden die Netzkosten, die schon heute einen großen Teil der Stromrechnung in Deutschland einnehmen, langfristig sinken. Gleichsam wären die teuren Eingriffe in das Stromnetz seltener und weniger Entschädigungen für Abregelungen müssten fließen. Es wäre nicht länger notwendig, die große Stromproduktion des Nordens mit der mangelnden Stromversorgung im Süden derart feinmaschig aufeinander abzustimmen. Da niedrigere und höhere Preiszonen entstehen, würde die Wende für den Strompreis gleichsam Chancen für Arbeitsplätze und Industriestandorte hervorbringen. Industrien können sich bevorzugt in Regionen ansiedeln, deren Strompreise niedrig sind, statt die höheren Durchschnittspreise zu zahlen. Dadurch würde auch eine wettbewerbsfähige Produktion in Deutschland für manche Branchen möglich. Zudem würden sowohl für den Bau neuer Erzeugungsanlagen als auch an den jeweiligen Industriestandorten neue Arbeitsplätze entstehen.
Auch ein neues Potenzial für Wasserstoff könnte sich durch diese weitreichende Änderung ergeben. Denn nach aktuellen Plänen müssten die Betreiber von Elektrolyseuren strenge Kriterien für „grünen Wasserstoff“ erfüllen. Eine Verwendung des Stroms aus Norddeutschland, der längst aus viel grüner Energie besteht, bietet hier eine große Vereinfachung. Betreiber könnten einfach den Strom direkt aus dem Netz verwenden – und das dank Preiszonensplit sogar mit deutlich bezahlbareren Preisen.
Vorteile überwiegen die Nachteile der Preiszonen
Langfristig scheint es notwendig, den Strommarkt in Deutschland zu restrukturieren. Die Vorteile eines Strompreiszonensplits würden die Nachteile auf Dauer überwiegen. Allerdings darf dabei nicht übersehen werden, dass Menschen, die schon heute einen hohen Strompreis zahlen, durch eine solche Umstrukturierung stärker belastet wären. Eine solche Wende sollte daher im Idealfall mit einer staatlichen Unterstützung zur Abfederung der Kostenspitzen dort entstehen, wo die Übergangsphase die Menschen hart trifft. Alternativ wäre auch eine allgemeine Umlage auf den Strompreis möglich, der zur Kostenfederung verwendet würde. Diese würde jedoch einen Teil der Ersparnisse und Potenziale in den Niedrigpreisregionen aufzehren.
