39 Prozent der Bahnstrecken in Deutschland sind nicht mit einer Oberleitung ausgestattet. Hierbei handelt es sich vorwiegend um Nebenstrecken für den Regionalverkehr. Da eine Elektrifizierung mit immensen Kosten verbunden ist, müssen Alternativen her. Neben batteriebetriebenen Zügen sind auch Brennstoffzellen mit Wasserstoff vielversprechend. In dem Projekt H2goesRail entwickeln Siemens und die Deutsche Bahn ein Gesamtsystem zum Betrieb von Wasserstoff-Zügen. Denn neben dem Zug selbst, benötigt man auch Infrastruktur an der Strecke.
Kompletter Kreislauf statt „nur ein Zug“
Auf der InnoTrans 2022 – der wichtigsten Messe für Bahn- und Verkehrstechnik – stellen die beiden Projektpartner den ersten Wasserstoff-Zug und eine mobile Wasserstoff-Tankstelle vor. Die Idee hinter dem Projekt ist, einen kompletten Kreislauf für den Einsatz von Wasserstoff-Zügen zu schaffen.
In einem Werk der Deutschen Bahn wird aus Ökostrom Wasserstoff hergestellt. Hierbei wird mit Energie Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff aufgespalten. Dieser Vorgang nennt sich Elektrolyse.
Die Wasserstoff-Tankstelle
Für die Betankung des Wasserstoff-Zuges hat man einen mobilen Tanktrailer entwickelt. Der mobile Aufbau ist nur für den Testbetrieb gedacht, da er flexiblere Erprobungen ermöglicht.
Diese mobile Tankstelle beherrscht ein neuartiges Verfahren zur Betankung. Denn erstmals dauert ein kompletter Tankvorgang nur 15 Minuten – und damit genauso lange, wie ein dieselbetriebener Zug zum Tanken benötigt. Das ist essenziell, um bestehende Abläufe und Zeitpläne im Alltags-Einsatz nicht verändern zu müssen.
Der Wasserstoff-Zug
Bei dem Wasserstoff-Zug handelt es sich um eine neue Variante des „Mireo“ von Siemens. Dieser Regionalzug ist bis zu 160 km/h schnell und als normale Variante mit Oberleitung bereits auf vielen Strecken in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen unterwegs.
Seit 2020 bietet Siemens den „Mireo Plus B“ auch mit integrierter Batterie und einer Reichweite von circa 80 Kilometern an. Damit eignet er sich insbesondere für Strecken, bei denen nur ein Teil ohne Oberleitung gefahren werden muss.
2022 stellte man erstmals den „Mireo Plus H“ mit einer Brennstoffzelle vor. Mit einer Wasserstoff-Tankfüllung hat der zweiteilige Zug eine Reichweite von circa 800 Kilometern. Eine dreiteilige Variante soll gar auf 1.000 Kilometer kommen.
Zur Energiegewinnung reagiert der Wasserstoff in der Brennstoffzelle mit Sauerstoff. Dabei entsteht Energie, mit welcher die Batterie des Zuges geladen wird. Im Gegensatz zu Diesel ist diese Technik emissionsfrei und setzt nur Wasser als Nebenprodukt frei.
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Vorteile für Fahrgäste
Auch für die Fahrgäste bietet der Zug Vorteile. So ist er ohne Diesel-Motor deutlich leiser und mit der Geräuschkulisse von strombetriebenen Zügen vergleichbar. Der Innenraum unterscheidet sich kaum von gewöhnlichen Zügen der Baureihe. Nur der leicht erhöhte Boden, unter welchem die Batterien untergebracht sind, weist auf die Wasserstoff-Technik hin.
Nach weiteren Testfahrten im kommenden Jahr soll der erste Wasserstoff-Zug von Siemens im Jahr 2024 in Baden-Württemberg auf der Strecke zwischen Tübingen, Horb und Pforzheim unterwegs sein. Hierbei wird ein Diesel-Regionalzug ersetzt und so 330 Tonnen CO₂ eingespart.
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Ende 2024 soll auf der Heidekrautbahn in Brandenburg zudem der erste vollständige Betrieb mit Wasserstoff-Zügen von Siemens starten. Hier kommen 7 Fahrzeuge zum Einsatz. „Wenn H2 genügend zur Verfügung steht, hat es sich ausgedieselt“, verkündet Siemens-Chef Roland Busch.
Dabei ist Siemens nicht der einzige Hersteller, welcher auf die neue Technologie setzt. So sind Züge des französischen Herstellers Alstom bereits in Niedersachsen zwischen Cuxhaven nach Buxtehude unterwegs. Das Gesamtsystem von der Wasserstoff-Herstellung bis hin zur Schnellbetankung bietet bisher aber nur Siemens an.