In Österreich hat kürzlich ein Gerichtsurteil den Weg für die Gebührenerhebung auf Online-Inhalte der Öffentlich-Rechtlichen geebnet. Nun werden ähnliche Forderungen aus der Telekommunikationsindustrie laut, die von der Europäischen Kommission überraschend aufgegriffen wurden. Die Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) warnt klar davor, dass Nutzungsgebühren ein freies Internet gefährden. Netzneutralität, Wettbewerb und Internetökonomie könnten unter diesen Bedingungen nicht mehr gewährleistet werden.
Nutzungsgebühren gefährden freies Internet: Untergang der virtuellen Freiheit?
Der Vorschlag der Telekommunikationsindustrie, für den sich die Europäische Kommission interessiert, stellt das Sending-Party-Pays-Modell dar. Demzufolge wünscht die Telekommunikationsindustrie, dass Inhalteanbieter wie Streaming-Dienste, Amazon und Google künftig verpflichtet werden, eine Gebühr für die Nutzung der digitalen Infrastruktur an die Telekommunikationsanbieter zu bezahlen. Bereits im Herbst 2022 könnte die Europäische Kommission einen darauf beruhenden Entwurf vorlegen. Die Verbraucherzentrale spricht sich klar gegen ein solches Vorgehen aus. Laut Susanna Blohm, Referentin im Team Digitales und Medien, wiegen die negativen Folgen für Wettbewerb, Netzneutralität und Verbraucherinteressen schwerer als die Gewinnabsichten der Telekommunikationsindustrie.
Bereits seit 2016 sind Telekommunikationsanbieter in Europa verpflichtet, den gesamten Datenverkehr im Internet im Sinne der Netzneutralität gleichwertig zu behandeln. Das bedeutet, dass ein jedes Datenpaket unabhängig, schnellstmöglich und unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Ressourcen nach dem sogenannten Best-Effort-Prinzip weitergeleitet wird. Würde die Telekommunikationsindustrie nun eine Netzgebühr von Streaming-Diensten und anderen Inhalteanbietern für diesen Datenverkehr verlangen, wäre eine Gleichbehandlung der Daten nicht mehr gegeben. Die Regeln der Netzneutralität könnten somit durch eine Hintertür ausgehebelt werden.
Negative Folgen für Verbraucher sind absehbar
Bisher hat nur ein einziges Land weltweit eine solche Internet-Nutzungsgebühr eingeführt. Dabei handelt es sich um Südkorea, wo sich negative Folgen für Verbraucher klar abzeichnen. Seit Einführung der Netzgebühren haben sich immer mehr Inhalteanbieter vom Markt zurückgezogen, was die Auswahl für Verbraucher einschränkt. Zum Teil wurde auch die Streaming-Qualität der verfügbaren Medien eingeschränkt. Welche Auswirkungen das kürzliche Gerichtsurteil in Österreich für die dortigen Internetinhalte haben wird, lässt sich noch nicht vorhersagen. Die Regierung hat dort noch bis Ende 2023 Zeit, ein entsprechendes neues Modell auszuarbeiten, das die bisherige Regelung ablösen soll. Auf Begeisterung unter Verbrauchern werden die damit verbundenen zusätzlichen Kosten jedoch gewiss nicht stoßen.
Verbraucherzentrale fordert öffentliche Konsultation
Bei diesem Vorschlag handelt es sich nicht um den ersten Versuch, den die Telekommunikationsindustrie zur Einführung einer solchen Nutzungsgebühr unternimmt. Bereits im Jahr 2012 versuchte man eine Netzgebühr zulasten von Inhalteanbietern voranzubringen. Damals sprach sich unter anderem die BEREC, Europäische Kommission und das Gremium europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation, deutlich gegen diese Vorgehensweise aus. Die BEREC sah darin vorrangig die Gefahr der Bildung von Monopolen, die sich wiederum negativ auf Verbraucher auswirken würden. Damit derartige Entwicklungen vermieden werden können, fordert der Bundesverband der Verbraucherzentrale die Initiierung einer öffentlichen Konsultation.
So könnten alle betroffenen Kreise wie Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Verbraucherverbände die Möglichkeit erhalten, Stellung in der Angelegenheit zu beziehen. Bevor ein konkreter Gesetzgebungsvorschlag veröffentlicht wird, solle die Europäische Kommission zudem den aktuellen Abschlussbericht der BEREC zu dem Thema abwarten. Ob sich damit Nutzungsgebühren, die die Freiheit des Internets gefährden, dauerhaft abwenden lassen, bleibt dennoch offen. Solange das Thema jedoch im Fokus der Öffentlichkeit bleibt, stehen die Chancen für eine virtuelle Freiheit wesentlich besser.
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