Eine große Schwäche der erneuerbaren Energien bleibt ihre Abhängigkeit vom Wetter. Da die Wetterlage gewissen Schwankungen unterliegt, ist es schwer vorherzusagen, wie viel Strom zu welchem Zeitpunkt aus einzelnen Sektoren zur Verfügung steht. Mit einer präziseren Wettervorhersage könnte die Energiebranche wesentlich vorausschauender handeln. Erste Pilotprojekte zwischen Meteomatics, NVIDIA und drei Energieunternehmen sollen nun die Wettervorhersagen testen.
Wetteranalyse als Unterstützung für Energieunternehmen
Für die ersten Pilotprojekte arbeitet der Schweizer Anbieter Meteomatics mit den Energieunternehmen ENGIE, Louis Dreyfus Company sowie TotalEnergies zusammen. In Kooperation mit NVIDIA möchte der Wetterdatendienstleiter überprüfen, wie konsistent Wettervorhersagen innerhalb von Minuten statt Stunden ausgegeben werden können. Im Anschluss zu dieser ersten Testphase will das Unternehmen seinen KI-gestützten Wetterdatenservice weiteren Unternehmen zur Verfügung stellen – insbesondere im Bereich der Erneuerbaren Energien und des Handels. Für Energieunternehmen ist es von großer Wichtigkeit, Wetterveränderungen sowohl kurz-, mittel- als auch langfristig zuverlässig vorherzusagen. Je stärker die Stromproduktion in Deutschland auf regenerative Energien wie Solar- und Windkraft setzt, desto wichtiger ist es, die Versorgung der Bevölkerung vorausschauend planen zu können.
Wüsste ein Energieunternehmen etwa kurzfristig, dass statt einer geplanten Windflaute wesentlich mehr Wind aufkommt, so stiege auch die Stromproduktion der Windkraft an. Ein Kraftwerk, das man ansonsten zur Versorgung des Netzes hinzugeschaltet hätte oder ein großer Pufferspeicher an Strom, den man anzapfen müsste, werden dann nicht länger benötigt. Die Möglichkeit, zukunftsorientiert und verlässlich zu planen, würde so die Stromversorgung in Deutschland verbessern – und zugleich vergünstigen. Denn wenn weniger Kraftwerke Leistung bereitstellen müssen, die nicht benötigt wird, muss auch niemand die Kosten für den überflüssigen Betrieb tragen.
Meteomatics: Wetterdaten in Minuten statt Stunden?
Die generative KI-Technologie von NVIDIA kann Wetterprognosen schon heute auf Grundlage von Echtzeit-Wetterdaten erstellen, die Meteomatics liefert. Das geschieht in einer Auflösung von bis zu zwei Kilometern. Um eine noch höhere, lokale Genauigkeit zu erzielen, werden diese Prognosen durch eine Wetter-API von Meteomatics ergänzt. Dieses Verfahren liefert Unternehmen stattdessen ein Ergebnis, das auf rund 90 Meter herunterskaliert wurde und dabei besondere lokale Begebenheiten berücksichtigt. So kann das System etwa zwischen Berggipfel und Tälern unterscheiden, um die voraussichtliche Entwicklung des Wetters anzupassen. Dadurch können Unternehmen sehr genau vorhersagen, wie sich das Wetter in dem für sie relevanten Gebiet entwickelt.
„Das Wetter wirkt sich auf jedes einzelne Unternehmen aus. Und speziell für die Energiebranche bei der Nutzung erneuerbarer Energien in großem Umfang ist das Wetter eine der größten Herausforderungen“, erklärt Dion Harris, Data Center Product GTM bei NVIDIA. Beachtlich ist dabei vorwiegend die Reduktion der Zeit, die das Modell für die Berechnung benötigt. Traditionelle Methoden benötigen mehrere Stunden, um eine Vorhersage für das Wetter zu treffen. Das KI-Modell hingegen absolviert diese innerhalb von wenigen Minuten oder Sekunden. Dabei kann die Technologie auch wesentlich mehr Daten gleichzeitig verarbeiten als traditionelle Wettervorhersagen.
Auch Wärmepumpen könnten profitieren
Davon würden nicht nur Energieunternehmen profitieren, die ihre Stromproduktion anpassen. Auch für kleinere Ladenbesitzer könnte sich Meteomatics als Helfer im Alltag erweisen. Zukünftig könnte der Besitzer einer Eisdiele so wissen, wann das Wetter gut genug wird, um in Übergangszeiten besonders viel Kundschaft in seinen Laden zu locken. Restaurantbesitzer wüssten vorher, wann es sich lohnt, die Tische im Außenbereich abzudecken. Auch Wärmepumpen könnten von diesen Wetterdaten profitieren und ihre Performance anpassen. Schon heute gibt es erste Heizsysteme, die mit solchen Wetterprognosen arbeiten können, wie etwa bei dem skandinavischen Hersteller Aira.
Meteomatics liefert bereits Wetterprognosen für rund 700 Unternehmen auf der ganzen Welt. Darunter finden sich auch bekannte Firmen wie Axpo, Tesla, Swiss Re, Airbus und Toyota. Die für die Berechnungen erforderlichen Wetterdaten stammen dabei aus verschiedenen Quellen. Neben Satelliten, Radar- und Wetterstationen setzt das Schweizer Unternehmen auf eigene Wetterdrohnen, die bis zu 6.000 Meter hoch fliegen können. Diese sogenannten Meteodrones liefern so zusätzliche Messdaten, in welchen Regionen auch immer sie benötigt werden. Dadurch kann die KI-Software mit ausreichend Daten für präzise Wettervorhersagen überall ausgestattet werden. Wann genau die Pilotprojekte des Unternehmens abgeschlossen sein werden, ist bisher nicht absehbar. Ebenso wenig, ob man die gewünschte Genauigkeit erreichen kann. Sollte Meteomatics das ersehnte Ergebnis erzielen, könnte die Echtzeit-KI-Analyse ein wichtiger Meilenstein zur langfristigen Planung der Energieversorgung werden.