Für den einen oder anderen Motorradfahrer ist der Sound des Motors essenziell und macht einen Teil des Wochenendausflugs aus. Für andere hingegen, insbesondere diejenigen, die entlang der Motorrad-Routen wohnen, ist es häufig ein unerträglicher Lärm. Vor allem in der Zeit zwischen den ersten Sonnenstrahlen im Frühling bis in den Spätsommer hinein donnern Biker mit ihren Motorrädern die Serpentinen entlang. Immer öfter ärgern sich Anwohner der Orte entlang der Biker-Routen und fragen sich, wie laut ein Motorrad eigentlich sein darf. Sie gründen sogar Bürgerinitiativen und fordern Fahrverbote an Sonn- und Feiertagen. Dabei lässt sich ein Motorrad auch leise fahren.
So laut darf ein Motorrad sein
Jedes Motorrad hat in den Zulassungspapieren zwei Werte eingetragen: das Fahr- sowie das Standgeräusch. Die Zahl des Standgeräuschs ist vor allem bei Kontrollen wichtig und darf bei einer Messung nicht überschritten werden. Zwar kommen die Fahrgeräusche vielen deutlich lauter vor, sind es aber laut ADAC nicht. Dennoch: Es gibt einen festgelegten Geräuschgrenzwert für die konstanten und beschleunigten Vorbeifahrten, der 77 dB(A) nicht überschreiten darf. Doch sind 77 db(A), die derzeit etwa 80 Prozent aller Motorräder erreichen, viel?
Das lässt sich nicht so einfach beurteilen. Denn der Schalldruckpegel, gemessen in Dezibel (dB), beschreibt die Stärke eines Geräuschs. Aber eben nicht die Lautstärke, die der Mensch wahrnimmt. Der bewertete Schalldruckpegel (dB(A)) hingegen gibt zwar eine Lautstärke an, die der Mensch empfindet. Für eine Beurteilung des Messergebnisses aber muss die Entfernung zwischen dem Schallereignis, in dem Fall dem Motorrad, und dem Messpunkt, also dem Mensch, angegeben werden. Doch eine Angabe zur Messentfernung gibt es nicht. Das erschwert eine Beurteilung der Angabe in den Papieren oder macht sie sogar unmöglich.
So tricksen die Hersteller
Hinzu kommt: Den Schalldruckpegel ermitteln Motorrad-Hersteller unter Laborbedingungen, was sich kaum auf eine andere Umgebung übertragen lässt. Außerdem zeigt sich, so der Bundesverband der Motorradfahrer, dass die gemessenen und eingetragenen Fahrgeräusche in der Praxis höher sind als angegeben. Es ist wie mit den vom Motorrad- und Auto-Hersteller angegebenen Daten zum Kraftstoffverbrauch. In der Praxis erreicht man nie den Verbrauch, den Hersteller auf ihren Datenblättern versprechen.
Darüber hinaus gibt es einige Tricks, die Motorrad-Bauer anwenden, um den Grenzwert auf dem Papier zu erreichen. „Man kann die Übersetzung des Ganges, in dem gemessen wird, und die Leistungsentfaltung des Motors im entsprechenden Bereich dem Zielgeräusch anpassen“, erklärt der Bundesverband der Motorradfahrer. Zudem werde das Fahrgeräusch in dem engen Bereich, den die Fahrgeräuschmessung umfasst, durch mechanische Klappen im Auspuff reduziert. Da diese Klappen in allen anderen Fahrzuständen offen sind, ist das Motorrad im normalen Fahrbetrieb also wesentlich lauter.
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Es gibt zwar zusätzliche Bestimmungen zu Geräuschemissionen, die aufdecken sollen, wenn hohe Geräuschemissionen mittels besonderer technischer Maßnahmen wie etwa der erwähnten gesteuerten Klappensysteme künstlich reduziert werden. Bislang wurde diese zusätzlichen Geräuschmessungen aber den Herstellern im Sinne einer Selbstzertifizierung überlassen, erklärt der ADAC. Das hat sich, zumindest für neu zugelassene Motorräder, mit der Euro-Norm Euro 5+ geändert, die im Januar 2025 in Kraft trat. Gemessen wird ab sofort nicht mehr nur bei Vollgas in bestimmten Gängen, sondern bei jeder Gasgriffstellung in jedem Gang geprüft. Dazu gehört etwa auch, ob die Maschine im Schiebebetrieb knallt oder blubbert.
Tipps: Leise Motorrad fahren ist möglich
Der Bundesverband der Motorradfahrer ruft Motorradfahrer dazu auf, nicht dazu beizutragen, an dem Ast zu sägen, auf dem sie sitzen. Wer gerne Motorrad fährt, kann das auch leise tun. Das fängt bereits bei der Wahl des Motorrades und des Zubehörs an. Hier sollte man ein möglichst leises Modell auswählen oder sich gleich für ein E-Motorrad entscheiden.
Zudem sollte man als Motorradfahrer das eigene Fahrverhalten hinterfragen. Es gibt keinen Grund, in einem möglichst kleinen Gang durch Ortschaften zu fahren. Auch das Beschleunigungsvermögen eines Motorrads am Ortsausgang immer komplett auszunutzen, ist Unsinn. Hält man die Drehzahl möglichst niedrig, gibt wenig Gas und wählt den Gang so, dass ausreichend Drehmoment passend zur jeweiligen Fahrsituation bereitsteht, fährt man ebenfalls Motorrad, aber deutlich leiser. Das Aufdrehen des Gashahns hat zwar zufolge, dass die Menschen um einen herum gucken. Sie gucken in den meisten Fällen aber nicht aufgrund der Akustik-Show, sondern weil sie vom Lärm genervt sind.