Aufrufe zu Gewalt und Mord gegen Politiker und Wissenschaftler sowie Leitfäden, wie man Terroranschläge ausübt: Das sind nur einige Beispiele dafür, was bei der beliebten WhatsApp-Alternative Telegram los ist. Die Nutzer wiegen sich in Sicherheit, das Unternehmen, das die russische Aufsichtsbehörde Roskomnadsor bereits vor Jahren sperren wollte, hat seinen Sitz in Dubai. Pawel Durow, der Gründer von Telegram, reagiert nicht auf die anhaltende Kritik. Jetzt droht das Aus des Messengers.
Telegram droht das Aus in Deutschland
Während Facebook auf den politischen Druck reagiert hat und vermehrt gegen Falschmeldungen, Hass und Hetze vorgeht, haben Kriminelle, Verschwörungstheoretiker und Extremisten bei Telegram ein neues Zuhause gefunden. Hier können sie ungestört in Kanälen Hass und Fake News verbreiten oder zu Gewalt und Mord aufrufen. Telegram scheint das wenig zu stören. Der Gegenwind aus der Politik nimmt nun aber zu.
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Zuletzt kündigte der Bundesjustizminister Marco Buschmann an, stärker gegen den Messenger vorgehen zu wollen. Denn: Für das Bundesamt für Justiz ist Telegram kein reiner Messengerdienst, wie WhatsApp oder Signal. Vielmehr ist es ein soziales Netzwerk. Und genauso wie etwa Facebook muss sich ein soziales Netzwerk an die Vorgaben des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes halten. Buschmann rief zu einer konsequenten Strafverfolgung von Hetze durch sogenannte Querdenker auf. Ausschlaggebend dafür waren Morddrohungen gegen den sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU).
„Ein empfindliches Übel“
Nun folgt die nächste Drohung aus der Politik. Sollte sich Telegram weiterhin weigern, deutsche Gesetze zu beachten, droht Bundesinnenministerin Nancy Faeser Telegram mit der Abschaltung. „Wir können auch das nicht per se ausschließen. Ein Abschalten wäre sehr schwerwiegend und ganz klar ultima ratio. Vorher müssen alle anderen Optionen erfolglos gewesen sein“, sagte die SPD-Politikerin im Interview mit der Zeitung Die Zeit.
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Mahnschreiben und andere Maßnahmen des Bundesjustizministeriums sind bislang ins Leere gelaufen. Telegram zeigt keine Reaktion. „Zu sagen, am Ende schalten wir den Dienst ab – das wäre für jeden Anbieter ein empfindliches Übel“, macht Faeser deutlich. Doch sollte sich Durow nicht gesprächsbereit zeigen, droht Telegram hierzulande das Aus.
Russland ist gescheitert – macht Deutschland es besser?
Zudem macht sich die Bundesinnenministerin für eine europäische Lösung stark. „Heute sitzt Telegram in Dubai, morgen vielleicht auf den Cayman Islands“, erklärt Faeser. Deutschland allein könne nicht erfolgreich sein. Das weiß auch die russische Regierung. Sie hat bereits ebenfalls versucht, dem Messenger den Hahn zuzudrehen. Erfolgslos. Im Juni 2020 gab die Medienaufsicht die letztlich gescheiterten Versuche auf, Telegram in Russland zu blockieren. Die Bundesinnenministerin stellt sich zuletzt auch nicht unbegründet die Frage: „Wir müssen dabei immer auch sehen, was passiert, wenn ein Dienst abgeschaltet würde und dann der nächste Anbieter kommt.“
Auch der FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki hat sich für ein gemeinsames europäisches Vorgehen gegen Telegram ausgesprochen. „Ein europäisches Vorgehen ist in jedem Fall sinnvoll. Das Internet kennt keine Nationalgrenzen“, sagte Kubicki dem Handelsblatt.