Die jüngsten Explosionen der Strompreise in Deutschland führen zu Kritik von vielen Seiten. Nicht nur die Industrie beschwert sich darüber und sieht mögliche Risiken für den Produktionsstandort Deutschland und die hier angesiedelten Arbeitsplätze. Auch Nachbarländer empören sich zunehmend über die Verteuerung ihrer Strompreise durch Deutschlands Importe. Doch gerade, wenn die Stromversorgung auf knappen Beinen steht, sollte man meinen, dass verfügbare Ressourcen genutzt werden. Genau das scheint jedoch am vergangenen Donnerstag nicht geschehen zu sein. Nun prüfen die Bundesnetzagentur und das Bundeskartellamt, ob dahinter eine Profitgier verborgen sein könnte.
Stromanbieter kassieren ab: ein übles Spiel mit der Dunkelflaute?
Laut Experten stehen in Deutschland mehr als 90 Gigawatt regelbare Leistung zur Verfügung, die zur Stromerzeugung herangezogen werden könnten. Engpässe sind damit äußerst unwahrscheinlich. Es wäre somit möglich, dass einzelne Kraftwerksbetreiber verfügbare Kapazitäten bewusst zurückgehalten haben, um die Strompreise nach oben schnellen zu lassen. Wie die FAZ berichtet, gibt es jedoch keinen Hinweis darauf, dass eine Gefahr von Versorgungsengpässen gedroht hätte. Der Energieversorger Steag teilte der FAZ gegenüber mit, dass seine Reservekraftwerke ungenutzt blieben, da sie vom Übertragungsnetzbetreiber Amprion nicht angefordert worden seien. Amprion selbst begründete die Entscheidung damit, dass die verfügbaren Kapazitäten am Strommarkt ausgereicht hätten. „Marktpreise und Systemsicherheit sind nicht unmittelbar miteinander verbunden, weshalb hohe Preise nicht automatisch auf eine Gefährdung der Systemsicherheit hinweisen“, so eine Sprecherin des Übertragungsnetzbetreibers. Reservekraftwerke seien nicht dafür gedacht, am Strommarkt teilzunehmen, sondern dienen ausschließlich der Systemsicherheit.
Das Bundeskartellamt sowie die Bundesnetzagentur haben jedoch Untersuchungen eingeleitet, um die mögliche Marktmanipulation zu prüfen. Kurzfristige Preisspitzen sind grundsätzlich ein normales Markterlebnis, insbesondere während der Dunkelflauten. Trotzdem wollen die Regulierungsbehörden die Preisbildung während der Dunkelflaute genau überprüfen, um eine mögliche Manipulation auszuschließen. Andere Energiekonzerne wie RWE wiesen Vorwürfe sogar deutlich zurück. Laut dem Unternehmen waren alle verfügbaren Kraftwerke in Betrieb, zudem gab es Importe von Strom, mit der man die geringe Erzeugung aus erneuerbaren Energien ausglichen.
Deutschlands Strommarktsituation erzürnt Nachbarländer
Deutschland benötigt dringend mehr flexible Erzeugungskapazitäten, um die Situation zu entschärfen. Zwar halfen Importe aus Schweden und Norwegen am Donnerstag, die Dunkelflaute auszugleichen, dadurch erhöhten sich jedoch die Strompreise in unseren Nachbarländern. Deutschland drohen damit zukünftig mögliche Neuverhandlungen über Stromimporte. Die Lage könnte bereits deutlich entspannter sein, wenn es gelungen wäre, die Regierungspläne für den Bau neuer Kraftwerkskapazitäten umzusetzen.
Ganze 12,5 Gigawatt an neuen wasserstofffähigen Kraftwerken sollten entstehen, um die Versorgungssicherheit in Deutschland auch bei Dunkelflauten zu sichern. Allerdings gelang es Wirtschaftsminister Habeck nicht, die Pläne für das Kraftwerksicherungsgesetz durchzusetzen. Zum einen durch die mangelnde Unterstützung anderer Parteien sowie auch den Bruch der Ampel-Koalition. Der geplante Kohleausstieg in Deutschland bis 2030 steht nun an einem Scheideweg. Deutschlands Erzeugungskapazitäten sind bereits so knapp, dass für jedes Kraftwerk, das ausgeschaltet werden soll, zunächst ein neues ans Stromnetz angeschlossen werden muss.