Die Energiepreise stellen eine Belastung für Haushalte in Deutschland dar. Besonders hart trifft es zurzeit Menschen, die mit Gas heizen, doch auch die Höhe des Strompreises bleibt im EU-Vergleich hoch. Nicht umsonst haben die vergangenen Jahre mit hohen Preisspitzen für einen regelrechten Boom der Solarenergie und Balkonkraftwerke gesorgt. Gerade jetzt lockt der Anbieter Octopus Energy in einem gemeinsamen Projekt mit Übertragungsnetzbetreiber TransnetBW Stromkunden mit einem Angebot, das einen Preisnachlass auf Stromrechnungen beinhaltet. Dahinter steckt ein Vorhaben, das langfristig die Stromnetze entlasten und gleichzeitig die Strompreise direkt für Anbieter und Versorger senken soll.
Belastungsgrenze für Stromnetze als Hürde der Energiewende
Immer häufiger stoßen die Netze in Deutschland an Belastungsgrenzen, sodass Erneuerbare-Energien-Kraftwerke abgeregelt werden müssen. In anderen Phasen steht zu wenig Strom zur Verfügung, sodass teure Kraftwerke hinzugeschaltet werden müssen. Das sorgt nicht nur für viel Aufwand für die Energieversorger, das Gleichgewicht könnte zukünftig noch stärker ins Wanken geraten. Wie groß der Anreiz sein muss, damit Verbraucher bei Netzengpässen reagieren, untersuchte der Übertragungsnetzbetreiber TransnetBW gemeinsam mit dem Stromanbieter Octopus Energy. Das Ergebnis überraschte: Nicht mehr als eine App mit einem Gewinnspiel war notwendig, um viele Menschen zur Teilnahme zu bewegen.
Geringe Maßnahmen von Stromkunden stabilisieren Stromnetz
Doch wie genau funktioniert das in der Praxis? Im November 2024 startete die „PowerLändle“-Kampagne von TransnetBW und Octopus Energy. Schon seit zwei Jahren gibt es die App „StromGedacht“ bereits, die Menschen mit einer Farbskala über den Status des Stromnetzes in Baden-Württemberg informiert. Über eine Push-Benachrichtigung informiert sie Verbraucher darüber, ihren Verbrauch an den Netzzustand anzupassen. Grün kennzeichnet dabei den Normalbetrieb, ein weiterer Grünton zeigt an, dass besonders viel Strom aus erneuerbaren Energien im Stromnetz zur Verfügung steht. Die Farbe Rot, die in der Praxis bisher nicht vorkommt, würde eine Unterdeckung anzeigen. Häufiger hingegen gibt es den sogenannten Netzengpass, der in Orange angezeigt wird. Dann genügen die Übertragungsnetzkapazitäten nicht, um den Strom abzutransportieren.
Kündigt sich ein solcher Fall an, werden die User der App mit einer Push-Benachrichtigung darum gebeten, flexible Lasten zu verschieben. Dafür erhalten Haushalte eine kleine Rückerstattung auf einen Teil ihrer Stromrechnung sowie die Teilnahme an einem Gewinnspiel, um sich am Programm zu beteiligen. Teilnehmer müssen ihre Last dabei nicht immer verschieben, sie können über die App jedoch mitteilen, ob sie gerade dazu in der Lage sind, ihren Stromverbrauch anzupassen. Erst im Januar prognostizierte TransnetBW durch hohe Windeinspeisung einen Netzengpass – rund 13.000 Nutzer reagierten mit einer Antwort darauf. Wie Octopus Energy nach einer Auswertung verlauten ließ, konnten auf diesem Weg etwa 28,5 Megawattstunden flexibel auf einen anderen Zeitpunkt verschoben werden.
![Strommast](https://www.inside-digital.de/img/schon-geringe-finanzielle-anreize-genuegen-um-grosse-teile-von-lasten-zu-flexibilisieren-1070x803.jpg?class=1070x3210)
Ähnliches System ist heute bereits fester Bestandteil des britischen Strommarkts
Octopus Energy nutzte ein ähnliches System bereits erfolgreich 2022 bei Kunden in Großbritannien. Sie profitierten von einer Lastverschiebung bei Netzengpässen durch einen kleinen finanziellen Anreiz. So nahmen an dieser Aktion im ersten Jahr bereits zwei Millionen Menschen teil. Laut Octopus Energy konnten allein im ersten Winter Haushalte über zwei Gigawattstunden Strombedarf zeitlich verschieben. Für den gesamten Markt und damit auch die Stromkunden, war dieses Vorgehen wesentlich günstiger, als fossile Kraftwerke hinzuzuschalten.
Heutzutage wurde das Modell vom britischen „National Energy System Operator“ (NESO) unter dem Namen „Demand Flexibility Service“ als fester Bestandteil des britischen Strommarkts integriert. Alle Stromanbieter und Haushalte, die einen Smart Meter nutzen, können an diesem Markt teilnehmen. Im Gegensatz zu Deutschland, wo Smart Meter noch kaum verbreitet sind, setzen bereits zwei Drittel der Haushalte in Großbritannien auf Smart Meter. Auch in Deutschland könnte das Netz so langfristig und kostengünstiger entlastet werden. Der Smart-Meter-Rollout ist dafür jedoch ebenso dringend erforderlich wie die Einführung von ausreichend dynamischen Stromtarifen in Deutschland.
![buerger-muessen-strom-sparen-schwachstellen-des-stromnetz-enthuellt Bürger müssen Strom sparen - Schwachstellen des Stromnetz enthüllt](https://www.inside-digital.de/img/buerger-muessen-strom-sparen-schwachstellen-des-stromnetz-enthuellt.jpg?class=247x186)