Am Dienstag kündigte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck auf dem Klimakongress des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) an, dass er für eine weitgehende Abschaffung der Stromsteuer sei – inklusive des versprochenen subventionierten Industriestrompreises. Fallen beide Kostenteile für Unternehmen weg, könnten sie wesentlich wettbewerbsfähiger produzieren. Eine Veränderung in der Stromsteuer selbst würde auch für private Haushalte bald günstigeren Strom bedeuten.
Strom bald günstiger? Stromsteuer soll weichen
Im Vergleich zu anderen EU-Ländern fällt die Stromsteuer in Deutschland besonders hoch aus. Sie ist rund 40-mal so hoch, wie die europaweite Mindestvorgabe es vorsieht. Grundsätzlich dürfen Länder die Steuern hier höher ansehen, die Belastung führt in Deutschland jedoch zu zahlreichen Schwierigkeiten. Insbesondere für Unternehmen, die die hohen Kosten in energieintensiven Betrieben kaum stemmen können. Doch auch private Haushalte spüren die Steuerlast auf den Stromkosten deutlich. Allein der Anteil aller Steuern und Abgaben auf dem Strompreis in Deutschland summiert sich auf 29 Prozent. In anderen EU-Ländern werden im Durchschnittlich lediglich 15 Prozent an Steuern und Abgaben für Strompreise fällig. Experten forderten daher bereits, dass die Strom- und Mehrwertsteuer in Deutschland gesenkt werden soll, um Verbraucher zu entlasten. Jetzt scheint die Regierung die Forderung gehört zu haben – doch werden diese auch umgesetzt?
Die Finanzierung könnte sich als Problem erweisen. Um sowohl einen subventionierten Industriestrompreis als auch einen Wegfall der Stromsteuer umzusetzen, sind große Geldsummen nötig. Allein die Stromsteuer bringt dem Bund im Jahr Einnahmen von rund acht Milliarden Euro. Gänzlich abschaffen könne man sie zwar nicht, dafür jedoch auf die EU-Mindeststeuer herabsinken. Diese liegt lediglich bei 0,05 Cent pro Kilowattstunde, während zurzeit 2,05 Cent pro Kilowattstunde fällig werden. „Es ist in meinem großen Interesse, wenn die Strompreise runtergehen“, teilte Habeck während des Klimakongresses mit. Dabei ist die Rede keineswegs lediglich von Steuern allein, sondern ebenso von einer Reduktion der Netzentgelte. Diesen Aufschlag zahlen bisher sämtliche Stromnutzer, um den Ausbau der Stromnetze zu gewährleisten. Die Frage danach, wo die finanziellen Mittel für diese Maßnahmen herkommen sollen, bleibt jedoch offen. Aufgrund der geänderten Umstände sieht Wirtschaftsminister Habeck auch eine neue Verschuldung für denkbar.
Schuldenregeln passen nicht mehr zu heutigen Anforderungen der Wirtschaft
Um die gewünschten Maßnahmen zu finanzieren, brachte Habeck eine höhere Verschuldung des Staates ins Spiel – und somit eine dafür notwendige Lockerung der Verschuldungsregeln. Aus seiner Sicht müsse sich Deutschland fragen, ob die aktuellen finanzpolitischen Regeln noch zu den Anforderungen und den wirtschaftlichen Realitäten passen. Man arbeitete diese Regelungen aus, als die Situation sich in Deutschland völlig anders darstellte. Damals waren Deutschlands Militärausgaben gering, die Wirtschaft florierte dank billigen Gases aus Russland und wachsender Exporte nach China. In sämtlichen dieser Bereiche sieht die Lage heute völlig verändert aus. Hoffnung sieht Habeck für den Klimaschutz in Deutschland nur, wenn er entsprechend mit Wohlstand und wirtschaftlichem Aufschwung einhergeht. Gerade diese Aspekte sind zurzeit jedoch durch die Energiekrise akut bedroht.
Insbesondere für energieintensive Teile der deutschen Industrie. Die hohen Kosten behindern Deutschland im weltweiten Wettlauf um klimafreundliche Technologien. Dabei könnten gerade diese der deutschen Wirtschaft große Chancen bieten. Zahlreiche Neuerungen aus Deutschland könnten auch international gefragt sein – wenn die Produktionskosten die Wettbewerbsfähigkeit nicht schmälern. Allein der andauernde Preiskrieg bei Solarmodulen verdeutlicht, wie stark es deutsche Unternehmen beeinträchtigen kann, wenn ausländisch subventionierte Dumpingpreise auf den hiesigen Markt strömen. Ein Industriestrompreis könnte hiesigen Unternehmen helfen, die gesunkene Stromsteuer käme auch privaten Haushalten zugute. Doch ohne Einigung in der Koalition kann dieses Vorhaben nicht umgesetzt werden. Die Chance für eine solche Übereinkunft schätzt Wirtschaftsminister Habeck zurzeit lediglich als „50 zu 50“ ein.