Wer Strom speichern möchte, benötigt dazu bislang einen Stromspeicher. Zur Auswahl stehen neben den klassischen Lithium-Ionen-Batterien auch Redox-Flow-Batterien. Während die Speichertechnologien stetig verbessert werden, könnte eine neue Erkenntnis sie sogar überflüssig werden lassen. Chemiker der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und anderer Forschungseinrichtungen in Deutschland, Australien, Großbritannien, Italien, Schweden und den USA entdeckten eine besondere Eigenschaft eines Kohlenwasserstoff-Moleküls, die das Speichern von Strom grundlegend verändern könnte.
Solarmodul-Revolution: Panel werden selbst zu Stromspeichern
Was dieses Kohlenwasserstoff-Molekül so besonders macht, liegt in seiner Fähigkeit begründet, Sonnenlicht wahlweise in elektrischen Strom umzuwandeln oder über einen langen Zeitraum in chemischer Form zu speichern. Mithilfe dieser Kohlenwasserstoff-Moleküle könnte man völlig neue organische Solarmodule entwickeln, die eigenständig Strom speichern würden. Zugleich würde dieses Vorgehen ein bekanntes Problem bisheriger Speichersysteme lösen. Bei der Batteriespeicherung von Solarstrom, wie wir sie heute kennen, entstehen erhebliche Umwandlungsverluste. Durch den wiederholten Wechsel zwischen chemischer und elektrischer Energie büßen wir mit dieser Speichermethode mindestens 30 Prozent der ursprünglich umgewandelten Energie ein. Gerade Solarstrom ist jedoch nicht immer unbegrenzt verfügbar. Während man im Sommer massenhaft davon produziert, ist die Ausbeute im Winter eher karg.
Ebenso kann das Sonnenlicht nur tagsüber in Strom umgewandelt werden, während wir Menschen auch nachts Strom benötigen. Somit kann auf eine Form der Stromspeicherung nicht verzichtet werden, wenn wir möglichst viel der produzierten Strommenge auch benutzen möchten. Bisherige Speichersysteme eignen sich jedoch nur in Ausnahmefällen zur langfristigen Speicherung von Strom. Beispiele für solche Technologien wären etwa Druckluftspeicher, die im Sommer gefüllt werden können, um über den Winter durch die Öffnung von Ventilen die Energie wieder bereitzustellen. Klassische Stromspeicher für Haushalte sind jedoch auf eine regelmäßige Be- und Entladung ausgelegt. Ein Solarmodul, das aus den Kohlenwasserstoff-Molekülen besteht, könnte die Sonnenenergie auch über Monate als chemische Energie einspeichern.
Kohlenwasserstoff-Isomere als Lösung von Speicherproblemen?
Diese sogenannten Norbornadien, die über die Speichermöglichkeit verfügen, sind ein Kohlenwasserstoff-Isomer, das aus zwei Molekülringen besteht. Bestrahlt man sie mit ultraviolettem Licht, verwandelt sich das Isomer. Seine Atombindungen ordnen sich in Teilen neu an, sodass aus den Norbornadien das energiereichere Quadricyclan entsteht. Das Prinzip dieser Umwandlung ist Forschern schon lange bekannt. Bisher gab es jedoch keinerlei Versuche darin, diesen Umwandlungsprozess wissentlich für die Stromspeicherung einzusetzen. Vielmehr wurde Quadricyclan für Energierückgewinnung in Form von Wärme verwendet. Dass man diesen Prozess nun steuern möchte, um Monate nach der Einspeicherung der Energie willentlich Strom abrufen zu können, ist ein neuer, doch vielversprechender Ansatz.
Das Potenzial für die Technologie ist groß, nicht nur, weil die Anwendungsmöglichkeiten von Solarstrom damit rapide steigen würden. Auch die Energiedichte des Speichersystems muss sich hinter bisherigen nicht verstecken. So ist die Energiedichte des Norbornadien-Quadricyclan-Systems in etwa vergleichbar mit einer Lithium-Ionen-Batterie. Fänden die Wissenschaftler eine Methode, den Ablauf dieser Prozesse auf Knopfdruck auszulösen, wäre eine völlig neue Art von Solarmodul geschaffen. Die Art von Solarmodul-Revolution, die zugleich Strom in einem Gerät erzeugen und speichern könnte. Da sämtliche Materialien zudem kostengünstig hergestellt werden können und keine seltenen Metalle benötigen, wären diese Solarmodule nicht nur besonders preiswert. Sie könnten auch einfach recycelt werden. Zudem wäre ihre Fertigung völlig unabhängig von internationalen Wertstoffketten gewährleistet. Ein großer Vorteil im Kampf darum, wertvolle Schlüsseltechnologien, wie die Photovoltaik-Technologie, vor Handelskrisen und vergleichbarem zu schützen. Bis die Kohlenwasserstoff-Isomere jedoch unsere PV-Module formen, muss die Wissenschaft weitere Untersuchungen durchführen, um die Prozesse besser zu verstehen.