Das Berliner Fernwärmenetz gilt als das größte Netz in Westeuropa. Etwa 1,3 Millionen Haushalte beziehen die Wärme für ihre Heizung und Warmwasser aus diesem Netz. In entsprechend vielen Straßen liegen hierfür die Leitungen, durch denen die Wärme zu den Häusern kommt. Das Fernwärmenetz von Vattenfall bringt es auf mehr als 800 Kilometer in Berlin. Allerdings: Das Netz existiert nicht flächendeckend in der Stadt, sondern deckt verschiedene Stadtteile ab, während andere ganz außen vor gelassen werden. Die Rohre liegen nicht direkt in der Erde, sondern in gemauerten oder betonierten Kanälen. Doch diese sind zu eng, als dass sich Menschen hier bewegen könnten – von den klimatischen Bedingungen ganz abgesehen. Schon vor zwei Jahren kam man aber auf die Idee, dieses Leitungsnetz auch für andere Zwecke zu nutzen. Konkret: den Ausbau eines Glasfaser-Netzes. Und das trotz der Wärme und der Enge in den Kanälen.
Bis Ende 2026 sollen 500.000 Haushalte Glasfaser-Internet per Fernwärme bekommen
Wichtig dabei: Die Glasfaserleitungen werden nicht in die Rohre eingezogen, sondern in Hohlräume rund um die Rohre. Der Wärmenetzbetreiber Vattenfall ging dafür ein Joint Venture ein und gründete Vattenfall Eurofiber. Die Idee des Unternehmens ist genau das Beschriebene: Die Kanäle, in denen die Fernwärmerohre liegen, nutzen, um ein Glasfasernetz aufzubauen. Mehr als 500.000 Haushalte und Unternehmen sollen bis Ende 2026 den Zugang zu FTTB/ FTTH-Glasfaseranschlüssen erhalten. Die Besonderheit: Vattenfall Eurofiber baut das Netz aus, verkauft aber selbst keine Tarife und Anschlüsse. Das Unternehmen setzt komplett auf Open Access und Partner, die das Netz vermarkten. Prominentester Anbieter für Privatkunden dürfte 1&1 sein.
Um den Ausbau selbst hat Vattenfall Eurofiber lange ein großes Geheimnis gemacht. Die verschiedenen Roboter, die den Ausbau vor Ort vornehmen, wurden gut unter Verschluss gehalten. Als zu groß sah man den Wissensvorsprung an, den man mit den umgebauten und angepassten Robotern, die eigentlich Rohre inspizieren, hat. Auf dem Klimafestival für die Bauwende in Berlin hatten wir nun vor kurzem die Gelegenheit, einen dieser Roboter aus der Nähe zu betrachten.
Roboter verlegen Zugseile in engen Fernwärme-Kanälen
Mit verschiedenen Robotern für verschiedene Kanäle und Untergründe in den Kanälen zieht Vattenfall Eurofiber in einem ersten Schritt Zugseile ein. Dabei geht es um Strecken zwischen zwei Schachtdeckeln, die meist etwa 150 Meter auseinander liegen. Die Kanäle, in denen die Fernwärmeleitungen liegen, sind zu eng, als dass Menschen sie ohne das Aufreißen von Straßen bearbeiten könnten. Sie stammen zum Teil sogar noch aus der Nachkriegszeit. Deswegen setzt man auf die umgebauten Roboter, die sonst beispielsweise Rohre von Innen befahren. Die Steuerung übernimmt ein Mitarbeiter, der am Schacht bleibt.
Sind die Zugseile eingezogen, entscheidet die Ausbauplanung, wann und wo zunächst Leerrohre und Rohrverbände und im nächsten Schritt dann Glasfasern eingezogen werden. Zuvor bringt der Roboter aber noch weitere Bauelemente ein, etwa Umlenk-Rollen. Diese sollen das Kabel vor Beschädigungen schützen, etwa wenn es am Zugseil durch den Kanal gezogen wird. Denn nicht nur, dass die Kanäle eng und warm sind, die Rohre machen auch in regelmäßigen Abständen 90-Grad-Kurven. Insgesamt habe man bisher einen hohen zweistelligen Kilometerbereich verlegt.
Hier bauen die Roboter aus
Ganz ohne Tiefbau, kommt man aber auch bei Vattenfall Eurofiber nicht aus. Denn nicht alle Häuser, die man in Berlin erreichen will, haben auch einen Fernwärme-Anschluss. In diesen Fällen kommt dann doch der Bagger. Das ist auch beim Hausstich möglich, wenn sich die Fernwärmezuführung nicht oder nicht sinnvoll nutzen lässt. Vattenfall Eurofiber richtet sich mit seinem Netz vor allem an Wohnungsbaugenossenschaften und die Wohnungswirtschaft, weniger an Privateigentümer. Bekannt ist, dass Vattenfall Eurofiber primär mit der Wohnungswirtschaft Vereinbarungen über die Glasfaser-Anschlüsse trifft.
So ist bekannt, dass in Berlin Lichtenberg 8.000 Wohnungen der Wohnungsbaugenossenschaft Lichtenberg (WGLi) erschlossen werden. Weitere Ausbaugebiete gibt es bereits in Berlin Charlottenburg, Spandau und Marzahn. Auf der letzten Meile setzt man dann zunächst oft noch auf G.fast. Das heißt, das Glasfaserkabel endet im Keller und die alte Telefonleitung wird für den Weg in die Wohnung genutzt. Auch so lassen sich Gigabit-Datenraten erreichen. Diese Variante nennt sich FTTB, also Fiber to the building. Wenn eine Sanierung der Häuser ansteht, soll diese Leitung dann aber bis in die Wohnungen geführt werden. Dann handelt es sich um FTTH, also Fiber to the home.