Hatte da Fritz Joussen seine Finger im Spiel? Seit Ende 2022 soll der ehemalige Chef von Vodafone Deutschland nach seinem Ausscheiden beim Reisekonzern Tui als freier Berater für United Internet, die zugehörige Konzerntochter 1&1 und dessen Chef Ralph Dommermuth tätig sein. Und wie aus dem Nichts wird jetzt bekannt, dass United Internet beim Aufbau des neuen 5G-Netzes von 1&1 in Zukunft auf das Netz von Vodafone Deutschland zugreifen wird. Das ist in gleich mehrfacher Hinsicht ein kleine Sensation.
1&1 streitet mit Vodafone – und wählt den Konzern als neuen Roamingpartner
Denn United Internet hatte Vodafone in den vergangenen Monaten wiederholt massive Behinderungen beim Aufbau des eigenen 5G-Netzes vorgeworfen. Und sogar eine Beschwerde beim Bundeskartellamt gegen die Vodafone-Tochter Vantage Towers angestrengt. Das Funkturmunternehmen sei der „mit weitem Abstand wichtigste Ausbaupartner“, habe seine vertraglich vereinbarten Ausbauziele aber „nahezu vollständig verfehlt“, so United Internet.
Und jetzt das: 1&1 völlig überraschend hat einen verbindlichen Vorvertrag für eine langfristige und exklusive National Roaming Partnerschaft mit Vodafone abgeschlossen. Übersetzt heißt das, dass Kunden von 1&1, die in Zukunft das voraussichtlich Ende September startende 5G-Netz von 1&1 nutzen, in Deutschland auch auf das Mobilfunknetz von Vodafone zugreifen dürfen. Und zwar überall dort, wo das 1&1-Netz noch nicht zur Verfügung steht.
Hierbei wird nicht unterschieden, ob es sich um GSM (2G), LTE (4G) oder das neue 5G-Netz handelt. Auf das gesamte Netz von Vodafone haben Kunden von 1&1 im Roaming-Verfahren Zugriff. Auf diese Weise kann 1&1 den eigenen Kunden flächendeckende Mobilfunk-Verbindungen garantieren. Selbst künftige Mobilfunkstandards und -technologien sind über den Vorvertrag abgedeckt. Sollte Vodafone demnächst also etwa mit dem Aufbau eines 6G-Netzes starten, hätte 1&1 auch das Recht darauf zuzugreifen.
1&1 und Vodafone haben eine lange Vergangenheit
Schon in der Vergangenheit hat 1&1 mit Vodafone als Partner zusammengearbeitet, Anfang 2021 aber den Vertrieb von Tarifen im Netz des Düsseldorfer Netzbetreibers beendet. Der finale Abschluss der jetzt beschlossenen National Roaming Kooperation soll „schnellstmöglich“ erfolgen, heißt es in einer Mitteilung von United Internet. Ein Jahr später, spätestens jedoch zum 1. Oktober 2024, wird das Roaming-Abkommen offiziell starten und über mindestens fünf Jahre laufen. Zweimal kann United Internet die Laufzeit um jeweils weitere fünf Jahre verlängern. An das Vertragsende schließt sich eine dreijährige Übergangszeit an.
Wenn man so will, ist Vodafone also der neue Netzpartner von United Internet und 1&1. Gut für den britischen Netzbetreiber. Denn United Internet muss für den Zugriff der von den eigenen Kunden in Anspruch genommenen Netzkapazitäten zahlen. Berechnungsbasis ist ein sogenanntes Kapazitätsmodell, bei dem 1&1 den von seinen Kunden jeweils prozentual genutzten Anteil des Vodafone-Netzes zu einem Festpreis je Prozentpunkt vergütet. Dieser Festpreis ändere sich gelegentlich analog zur prozentualen Kostenentwicklung des Vodafone-Netzes.
Netz von Telefónica ist nur noch eine Übergangslösung
Bis zu Start der Kooperation mit Vodafone greift United Internet wie geplant auf flächendeckende National Roaming Leistungen von Telefónica Deutschland zurück. In diesem Zusammenhang will 1&1 seinen Kunden mobile 5G-Dienste als virtueller Netzbetreiber (Mobile Virtual Network Operator / MVNO) anbieten. Voraussetzung dafür ist aber eine Verlängerung des bis Ende Dezember dieses Jahres laufenden Verlängerung der entsprechenden Genehmigung durch die Bundesnetzagentur.
Telefónica Deutschland, das in Zukunft nicht mehr Roaming-Partner von United Internet sein soll, reagierte in einer ersten Stellungnahme verschnupft auf die neuen Entwicklungen. 1&1 habe im Rahmen des bestehenden National Roaming Abkommens vertragliche Verpflichtungen gegenüber Telefónica Deutschland. Und zwar bis zum 30. Juni 2025. Bis dahin kalkuliert man mit entsprechenden Umsatzströmen von United Internet. Laut aktuellen Schätzungen, die offiziell nicht bestätigt werden, zahlt United Internet gut 600 Millionen Euro pro Jahr an Telefónica. Umsätze, die ab 2025 und damit deutlich früher als bisher angenommen, in den Bilanzen von Telefónica Deutschland fehlen werden.
Kursfeuerwerk an den Börsen
Bei Anlegern des spanischen Netzbetreibers kamen die neuen Nachrichten gar nicht gut an. Der Aktienkurs von Telefónica Deutschland rauschte am Dienstag massiv in den Keller und schloss mit einem Minus von mehr als 16 (!) Prozent. Zeitweise betrug das Minus auch 18 Prozent. Es war der heftigste Kurssturz in der Firmengeschichte. Die Papiere von United Internet und 1&1 katapultierten sich im Gegenzug in die Höhe und schlossen mit einem Plus von jeweils rund 17 Prozent.