Neue Hoffnung für die Nutzung von Kernfusionsenergie schöpften Forscher weltweit nach den Ergebnissen eines US-Experiments. Im Lawrence Livermore National Laboratory gelang es Forschern zum ersten Mal eine Fusionsreaktion zu erzeugen, die dabei mehr Energie lieferte, als zur Einleitung benötigt wurde. Folgeexperimente bewiesen sogar, dass sich die Ausbeute der Kernfusion weiter verbessern ließ. Das Forschungsministerium in Deutschland zeigt nun verstärktes Interesse an der Kernfusion und möchte schnellstmöglich ein Fusionskraftwerk hierzulande errichten. Fachleute mahnen jedoch: zu großer Optimismus sei nicht angebracht.
Kernfusion als Alternative zur Kernspaltung
Die Kernfusion gilt als Alternative, um Kernenergie zu besseren Bedingungen als die Kernspaltung in Atomkraftwerken zu liefern. Während bei der Kernspaltung lange strahlende und stark radioaktive Elemente entstehen, kommt es bei der Kernfusion nur zu geringen Mengen radioaktiven Abfalls mit vergleichsweise kurzer Halbwertszeit. Kernfusionsreaktoren arbeiten nach dem Vorbild der Sonne, um Wasserstoffatome zu Helium zu verschmelzen. Bisherige Vorstöße in dem Versuch, mit der Kernfusion Energie zu erzeugen, erlebten jedoch nur langsame Fortschritte. Als trauriges Paradebeispiel gilt etwa der große Forschungsreaktor Iter, der als Prototyp für Kraftwerke gebaut wurde und sich stattdessen zu einem Milliardengrab entwickelte, dessen Zukunft ungewiss bleibt. Mit den Forschungsergebnissen aus den USA scheinen die Chancen für Kernfusion als Energiegewinnung günstiger zu stehen.
Bis es tatsächlich zu einer Entwicklung von Kraftwerken kommt, die damit Energie liefern, könnten jedoch Jahrzehnte vergehen. Jan Wohland, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Professur für Klimaphysik an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich, findet dafür klare Worte. „Angesichts der begrenzten Fortschritte in der Kernfusion in der Vergangenheit erscheint es mir sehr unwahrscheinlich, dass Kernfusion in den nächsten Jahrzehnten nennenswert zu unserer Energieversorgung beitragen wird.“ Doch wenn die Kernfusion funktioniert, dann könnte sie sich als „Gamechanger“ erweisen. Im Gegensatz zu anderen Möglichkeiten der Energiegewinnung wie Solar– und Windkraft, wäre sie unabhängig vom Wetter. Heute kann jedoch noch niemand vorhersagen, wann oder zu welchen Kosten eine Kernfusion einsetzbar wäre.
Ein Fusionskraftwerk für Deutschland?
Ministerin Bettina Stark-Watzinger will mit ihrem Forschungsministerium dennoch von den Möglichkeiten der Kernfusion profitieren. Sie möchte Deutschland eine Forschungsrolle in Fusionsforschung sichern und stellte ein entsprechendes Fusionsforschungsprogramm vor. Dessen Ziel ist es, „schnellstmöglich“ ein Fusionskraftwerk in Deutschland aufzubauen. Deutsche Fusionsforschungseinrichtungen sind sich sicher, dass ein deutsches oder europäisches Demonstrationsfusionskraftwerk innerhalb von 20 Jahren realisierbar wäre. Vorausgesetzt, dass es sich um ein sehr ambitioniertes und mit entsprechenden Ressourcen ausgestattetes Programm handelt, so Klaus Hesch, Sprecher des KIT-Programm FUSION im Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Bis ein Kraftwerk danach offiziell an das deutsche Stromnetz angeschlossen werden könnte, dürfte es noch einmal deutlich länger dauern.
Eine kurzfristige Lösung für die Energiewende kann die Kernfusion somit nicht darstellen. Ebenso wenig ist die Kernfusion heute dazu geeignet, eine Reduktion der Emissionen zu erzielen. Den Schritt fort von fossilen Energieträgern hin zu erneuerbaren Energien müssen wir in Deutschland also schaffen, lange, bevor die Kernfusion eine reale Unterstützungsmöglichkeit für unsere Energieversorgung darstellt. Wind- und Solarenergie müssen gemeinsam mit einem umfangreichen Netzausbau und Speichereinrichtungen die tragenden Säulen der Energiewende bleiben. Auf lange Sicht könnte die Kernfusion jedoch liefern, was dieser Energiegewinnung heute fehlt: Die Möglichkeit, komplett unabhängig von den Wetterverhältnissen Energie bereitzustellen, wenn sie benötigt wird. Das Forschungsprojekt mag somit keine kurzfristige Erleichterung für die Energiewende bereitstellen, könnte sich jedoch als notwendige, langfristige Maßnahme erweisen.
Ich bin mir nicht ganz sicher, wovon ich mehr Angst haben soll, von einem Schwarzloch mitten in Europa oder einem Atomkraftwerk, der hochgeht?
Warum kümmert sich die Politik nicht um Probleme, die jetzt oder in absehbarer Zeit erledigt werden müssen?
Grundlagenforschung ist zwar unbedingt notwendig, sollte aber nicht zur Verschleierung von akuten Fragestellungen missbraucht werden.