Die Lage in der Ukraine spitzt sich immer weiter zu. Allerdings stehen bei Weitem nicht alle russischen Bürger hinter Putins Krieg. Das beweisen nicht zuletzt die hohen VPN-Download-Zahlen (virtuelles privates Netzwerk), die in den vergangenen Wochen um ein Vielfaches angestiegen sind. Der Grund: staatliche Zensur.
Russische Regierung sperrt Seiten
Seit Beginn des Krieges in der Ukraine soll die russische Regierung laut Informationen des Portals Top10VPN den Zugang zu über 250 Domains geblockt haben. Dazu zählen soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter, jedoch auch bekannte Nachrichtenseiten wie BBC News und Deutsche Welle sowie zahlreiche ukrainische (127) und auch russische (75) Seiten. Doch wo ein Zaun ist, da ist auch ein Loch. Und so besteht bei Seiten, die die Verantwortlichen nicht gänzlich vom Netz genommen haben, nach wie vor die Möglichkeit, die auferlegten Zugriffsbeschränkungen zu umgehen. Dazu werden in der Regel VPN-Dienste verwendet, die den Datenverkehr verschlüsseln und die eigene IP-Adresse umleiten. Und eben solche VPN-Dienste sind es, die in Russland gegenwärtig eine hohe Popularität genießen. Zumal Betreibern von inländischen Nachrichtenseiten inzwischen 15 Jahre Haft drohen, sollten sie „falsche“ Informationen über den Krieg in der Ukraine verbreiten.
Nach Angaben von Top10VPN stieg das zu dem Keyword „VPN“ gehörende Suchvolumen im Zeitraum zwischen dem 24. Februar und dem 9. März um 1.092 Prozent. Die tatsächlichen Download-Zahlen scheinen allerdings im Verhältnis zu den Werten aus der Vorkriegszeit abermals deutlich höher zu sein. Laut einer Analyse des Portals AppFigures sollen die täglichen russischen Download-Zahlen der Top-10-VPN-Apps in Apples App Store und Googles Play Store bis zum 2. März von durchschnittlich 16.000 auf über 700.000 angestiegen sein. Das entspricht einem Wachstum von 4.375 Prozent.
VPNs stellen kein Allheilmittel dar
Der kostenfreie Anonymisierungs-Browsers Tor ermöglicht es ebenfalls, Domain-Sperrungen zu umgehen und bietet darüber hinaus auch noch einen besonders hohen Grad an Anonymität. Wohl aus diesem Grund begann die russische Regierung bereits Ende 2021 damit, das Tor-Netzwerk zu blockieren. Auf eine ähnliche Weise können die Verantwortlichen auch VPN-Dienste sperren und den Zugang zu nicht staatlichen Medien somit blockieren. Sechs VPN-Anbietern – darunter bekannte Größen wie ExpressVPN und NordVPN – soll die Regierung Russlands ebenfalls bereits Ende 2021 den Stecker gezogen haben. Allerdings muss die Sperrung für jeden einzelnen Dienst gesondert vorgenommen werden und die Zahl der VPN-Anbieter ist nicht gerade gering.
Langfristig könnten jedoch auch VPNs ihre Wirkung verlieren. Denn diese funktionieren nur, solange eine Verbindung zum globalen Internet besteht. Und ebendiese Verbindung versucht die russische Regierung Berichten zufolge gegenwärtig mit Blick auf ein Staats-Internet zu trennen. Ein Gesetz, das dies ermöglicht, wurde bereits 2019 verabschiedet. Andererseits forderten ukrainische Vertreter ebenfalls, dass Russland digital isoliert wird. Die für die Vergabe von Domains und Zuteilung von IP-Adressen zuständige Non-Profit-Organisation ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers) erteilte der Forderung jedoch eine klare Absage.