HMD Global feiert im Dezember 2018 seinen zweiten Geburtstag und zur Feierstunde gab es zwei neue Geräte für den deutschen Markt. Sie wurden von inside handy im Hands-On des Nokia 8.1 und im Hands-On des Nokia 3.1 Plus auf ihre Fähigkeiten bereits abgeklopft – mit teilweise überraschenden Erkenntnissen. Doch wie steht es gegenwärtig eigentlich um das Unternehmen und warum ist der indische Markt einer der wichtigsten für die Finnen? Darüber hat Britta Gerbracht, neue Marketing-Chefin bei HMD Global in Deutschland und der Schweiz, gesprochen.
HMD Global: Mitarbeiter, Zielgruppen und die zukünftige Ausrichtung
HMD Global hat zurzeit rund 650 Mitarbeiter weltweit und ist damit ein recht kleines Unternehmen; zumindest wenn man die finnischen Lizenznehmer der Marke Nokia mit Unternehmen wie LG, Samsung oder Huawei vergleicht. Dafür bleibt man bisher von Skandalen verschont. Nach der Übernahme der Marke Nokia gab es keine einfrierenden Akkus wie bei Apple, keine Probleme mit den USA wegen Spionage wie bei Huawei und auch keine Bootloop-Probleme wie bei LG. Doch ganz so unscheinbar ist man am Markt nicht.
Marktführer bei Feature-Phones
Gerade bei den Feature-Phones sorgt man für Furore. Man sei, so Gerbracht, der weltweite Marktführer bei dieser Art von Handys. Dabei sei man stolz, dass man in diesem Segment in Deutschland in den vergangenen zwei Jahren noch wachsen konnte. Doch das ist nicht selbstverständlich.
Der Markt für solche einfachen Tastentelefone schrumpft hierzulande nämlich seit Jahren. Mit dem Nokia 8110 und dem Nokia 3310 hatte man in diesem Bereich auch abseits der Stangenware einiges Neues zu bieten und konnte alte Fans wieder begeistern. Trotzdem wird es dem Vernehmen nach kein neues Retro-Handy geben. Zumindest ist ein solches zurzeit nicht in Planung.
Nummer 4 in Deutschland – und eine junge Zielgruppe
Doch auch außerhalb der Feature-Phones hat HMD Global die Marke Nokia aus den Abgründen der Microsoft-Zeiten geholt: 70 Millionen Smartphones konnte man bisher verkaufen und damit beispielsweise in Deutschland nach eigenen Angaben zur Nummer Vier am Markt werden. Die Analysten von Canalys haben da jedoch eine andere Meinung: Laut derer aktuellen Erhebung ist Nokia hinter Honor nicht Nummer Vier, sondern Fünf. Nimmt man die Marken Honor und Huawei jedoch zusammen, weil sie streng genommen ein und die selbe Firma sind, so passt die Aufstellung Nokias wieder mit der Studie zusammen.
Auf einem anderen Markt ist man jedoch noch erfolgreicher. Im Boom-Markt Indien ist Nokia mittlerweile Marktführer und will diese Position weiter ausbauen. Dazu sollen neue Märkte erschlossen werden. So ist ein Markteintritt in den USA geplant. Er soll 2019 stattfinden.
Bei den Zielgruppen ist man bei HMD Global realistisch. So ist die Marke Nokia vor allem bei den alten Fans der Lumia-Modelle beliebt. Dazu kommt eine sehr männliche Kundenstruktur. 80 Prozent der Smartphones von Nokia werden vom vermeintlich starken Geschlecht gekauft. Hier will man sich zukünftig breiter aufstellen und vor allem die begehrte junge Zielgruppe erreichen. Das soll unter anderem mit E-Sport geschehen. Wer nun an Millenials denkt, denkt aber noch etwas zu kurz. Das Ziel ist die Nachfolgegeneration, „die Generation X“, wie sie Gerbracht nennt.
HMD Global und Nokia – Lizenznehmer und Aufpasser
HMD Global hat die Lizenz für die Marke Nokia für den Mobiltelefonmarkt vom Netzausstatter und ehemaligen Handy-Pionier Nokia übernommen und sieht sich so in einer langen Tradition. Direkte Schnittstellen zwischen den beiden Unternehmen gibt es kaum, jedoch seien laut Gerbracht die Unternehmen auch nicht völlig getrennt voneinander. „Nokia achtet sehr auf die lizenzierte Brand Nokia“, so die Marketing-Chefin. Wer jedoch wieder auf einen Konzern wie noch vor einigen Jahren spekuliert, liegt falsch. “Es gibt zurzeit keine Pläne, die Nokia-Brand wieder zurückzuholen in den Nokia-Konzern.“
Nokia-Strategie bis 2020: Mittelklasse first!
Doch wie geht es in Zukunft mit dem Portfolio der Smartphones von Nokia weiter? HMD Global will sich vor allem im Mittelkasse-Segment noch breiter aufstellen und das spürt man auch an der Ausrichtung des aktuellen Spitzenmodels Nokia 8.1. Es besitzt im Gegensatz zu seinem Vorgänger weit weniger High-End-Bauteile und kommt für knapp 450 Euro auf den Markt.
Trotzdem will man Innovationsführer sein. Und das heißt für HMD Global und die Markte Nokia auch, Technik günstiger anzubieten als bisher. Einen Eindruck wie das geschehen kann, zeigt das Nokia 3.1 Plus, das für unter 200 Euro eine ausgewachsene Doppelkamera mitbringt. Doch auch in anderen Bereichen sieht sich HMD Global stark aufgestellt. So will man Kunden mit Qualität und einer langlebigen Bauweise gewinnen. „Die Lebenszyklen“, so erklärt Gerbracht, „sind wieder länger geworden und liegen wieder bei über zwei Jahren“. Dazu stehen die selbsternannten Stärken Android One, die typische Nokia-Designlinie und der Support und der Costumer Care im Mittelpunkt des Interesses von HMD Global.
Der Fokus liegt aktuell also auf der Mittelklasse. Auch 2019 will man laut Gerbracht diesen Teilmarkt am intensivsten beackern. Die Volumen-Geräte Nokia 6 und in Deutschland auch das Nokia 7 Plus weisen also den Weg Nokias – auch im kommenden Jahr.
High-End erst 2020
Zur alten Stärke bei Flaggschiffen wolle man im Jahr 2020 zurückkehren. Die heraufbeschworene alte Stärke ist Auslegungssache: Legt man die Hardware zugrunde, die in den Smartphones verbaut sein wird, ist wohl die Zeit der Lumia-900-Serie gemeint. Finanziell müsste man dagegen vor den Einschlag von iOS und Android auf dem Markt zurückblicken, um eine echte Stärke festzustellen.
Doch wie könnte die Zukunft der High-End-Smartphones von Nokia aussehen? Einen Ausblick geben die Gerüchte rund um das Nokia 9, die schon seit Monaten für Aufsehen sorgen. Dazu wird das Thema 5G bis zum Jahr 2020 noch viel mehr in den Fokus rücken und spätestens mit den dann erscheinenden 5G-iPhones einen Marktdurchbruch auch im Empfinden der Kunden feiern. Was jedoch konkret zu erwarten ist, will HMD Global noch nicht verraten.
Deshalb gibt es kein Gaming-Smartphone von Nokia
Ein Gaming-Smartphone wird es Stand jetzt in Zukunft von HMD Global nicht geben. Auch wenn es mit dem ROG Phone, dem Honor Play und dem Razer Phone sowie dessen Nachfolger Razer Phone 2 einige Modelle bereits auf den Markt geschafft haben, will sich Nokia hier nicht positionieren. Es sei schwer „ein Gerät in eine spezielle Ecke zu stellen“, ist Gerbracht überzeugt. Dabei hat Nokia Erfahrung in der Gaming-Welt auf dem Handy. Doch diese ist jetzt wohl schon mehrmals überholt worden: Das letzte Gaming-Handy war das N-Gage, noch basierend auf Symbian aus dem Jahr 2003.