Spotify und andere Musik-Streaming-Dienste bestimmen heute die Art, wie wir Musik hören. Täglich kommen unzählige Alben dazu. Alles zu hören, ist unmöglich – auch wenn manche es versuchen. Wenn du immer wieder die gleichen Platten einlegst, wollen wir hier ein paar Tipps abseits des Mainstreams geben. Wir haben uns auch im Juli viel Neues angehört und eine subjektive Auswahl getroffen. Diesen Monat gibt es aber weniger Stoner-Rock und harte Riffs, die einem um die Ohren fliegen. Vielmehr schlagen wir die leisen Töne an. Hier sind die fünf besten Platten des Monats Juli bei Spotify.
… And You Will Know Us By The Trail Of Dead – XI: Bleed Here Now
„Und du wirst uns als die Spur des Todes kennen!“ Legt man die neue Platte von Trail of Dead ein, weiß man bereits nach 50 Sekunden, dass hier eine der besten Alternative-Rock-Platten des Jahres begonnen hat. Die Texaner pressen 75 Minuten lockere, handgemachte und ehrliche Rock-Musik auf eine Scheibe, die man immer wieder gerne einlegt.
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Die US-Rocker zogen sich für die Aufnahme in eine alte Scheune zurück, spielten in ihren Pausen Fußball und Frisbee und manchmal sogar beides gleichzeitig. Dieses erfundene Spiel nannten sie Frizball. Abende verbrachten sie bei Wein und Gesprächen. Und das ist es, was das elfte Album der Band, deren Name „… And You Will Know Us By The Trail Of Dead“ laut Gründungsmitglied Conrad Keely eigentlich ein Scherz war, verkörpert. Die Unbeschwertheit der Band spürt und hört man in jeder Strophe. Von knüppelharten Riffs über Passagen, die aus einem Final-Fantasy-Spiel stammen könnten, bis hin zu mit Emotionen aufgeladenen Streichern: Die Songs, die entweder keine Minute dauern oder sich zu elf Minuten langen Kunstwerken ausbilden, verformen „Bleed Here Now“ (bei Spotify anhören), die deutlich anders endet, als sie begonnen hat. Eine 22 Lieder lange, teils mentale Reise ins Herz der Rock-Musik, die selbst Fans der Band überraschen dürfte.
Jack White – Entering Heaven Alive
Als Jack White im April das Album „Fear Of The Dawn“ veröffentlichte, überschütteten es die Kritiker mit Liebesbriefen. Doch, ganz ehrlich? Uns war die Platte zu experimentell, zu elektronisch, zu verschnörkelt und damit insgesamt zu synthetisch. Deshalb schaffte es White mit dem Album auch nicht in unsere Top 5 Platten des Monats April. Nun, zwei Monate später, schiebt der ehemalige The-White-Stripes-Frontmann ein zweites Album in diesem Jahr hinterher und es ist, unserer Meinung nach, das bessere.
In „Entering Heaven Alive“ (bei Spotify anhören) tauscht der Sänger, Songwriter und Multi-Instrumentalist Synthesizer und Hip-Hop-Gesang gegen eine Akustikgitarre und eine reinere, nicht bei jedem Lied durch den Computer gezogene Stimme. Ergänzt von Instrumenten wie Piano und Geige ist eine deutlich ruhigere Platte entstanden, auf der White Rock mit Blues- und Folk-Einflüssen kreuzt und dem einen oder anderen Song selbst Jazz-Elemente unterjubelt.
Lera Lynn – Something More Than Love
Es geht ruhig und entspannt weiter. Nach einer zweijährigen Pause bringt die US-amerikanische Singer-Songwriterin Lera Lynn ihr sechstes Album (bei Spotify anhören) heraus. Die Texanerin, die 2014 durch zwei Songs („Lately“ und „The Only Thing Worth Fightig For“) in der Serie „True Detective“ bekannt wurde, schlägt in „Something More Than Love“ ganz leise Töne an, die in Sentimentalität zerschmelzen.
Langte Lynn früher nur eine Akustikgitarre, die ihre zartraue Stimme begleitete, durchtränken Synthesizer die neue Platte. Neben dem Song „Something More Than Love“ springen nur wenige Tracks auf Anhieb ins auditive Langzeitgedächtnis und formen sich dort zu einem Ohrwurm. Es braucht mehrere Durchläufe, bis man sich in Lynns verträumter Stimme und den zarten Klanglandschaften verliert. Dann aber bildet das Album einen Soundtrack, den man gut als Begleiter im Auto einlegen kann. Wenn man nachts auf gottverlassenen Straßen unterwegs ist und nach dem Sinn des Lebens sucht.
Murder By Death – Spell/Bound
Kurz vor Redaktionsschluss kam noch das neue Album „Spell/Bound“ (bei Spotify anhören) der US-amerikanischen Rock-Band Murder By Death rein. Seit ihren Anfängen vor rund 20 Jahren hat die Band sich immer wieder neu gesucht und gefunden. So überrascht es wenig, dass die neue Platte anders klingt, als die acht Alben davor. Akustische Gitarren vermischen sich mit teils hektischen Fideln und flauschweichen Violinen. Die Perkussion folgt dem Beispiel der Geigen und ist zunächst sanft, ehe Drummer Dagan Thogerson im nächsten Moment energisch auf Becken und Felle schlägt. Sänger Adam Turla legt eine Kombination aus Johnny Cash und Nick Cave über die Songs. Wer Murder By Death – im Übrigen nach dem Originaltitel der Krimikomödie „Eine Leiche zum Dessert“ benannt – nicht kennt und sich fragt, wie eine Mischung aus Cash und Cave klingt, sollte sich die Platte mal anhören.
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My Sleeping Karma – Atma
Nach fünf Jahren ohne ein einziges neues Lied bringen My Sleeping Karma mit „Atma“ (bei Spotify anhören) ihr siebtes Studioalbum raus. Die Psychedelic-Rocker aus Aschaffenburg schaffen darauf sechs Songs, die aufwühlende Melodien mit einstampfender Härte und diffizilen sowie atmosphärischen Klanglandschaften ausspucken. Wer sich auf eine hypnotische und emotionale Reise in sein eigenes Ich begeben will, sollte sich in eine ruhige Ecke zurückziehen und das Atma-Album dazu auflegen. Die teils an 10 Minuten Länge grenzenden Songs laden aber ebenso dazu ein, in einen meditativen Zustand zu verfallen, ehe das Album nach 49 Minuten von Drums und E-Gitarren beendet wird.
Extra-Tipp, für alle Träumer
Zum 20-Jährigen haben die irischen Post-Rocker God Is An Astronaut ihr Debütalbum „The End Of The Beginning“ (hier bei Spotify anhören) noch einmal als Live-Platte herausgebracht. Dabei dreht man den Titel des Originals um und nennt die neue Scheibe „The Beginning Of The End“. Die 20 Jahre alten Songs haben die Raumfahrer aufpoliert. Dabei lassen sie ihre Erfahrung aus den vergangenen Dekaden einfließen. Sie ist es auch, die Unterschiede zum Album aus längst vergangenen Tagen ausmacht.
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Eines ist immer wieder faszinierend zu beobachten: Die Band säht einen Gitarrenriff oder einige per Klangsynthese erzeugten Töne und man kann mit ansehen, wie ein musikalischer Mammutbaum heranwächst. Von den Wurzeln bis zu den Wipfeln wird man durch eine Geschichte geleitet, die von Wiederholungen lebt. Songs haben rotierende Passagen, die sich fortwährend und unvorhersehbar verändern und Klanglandschaften bilden, die zum Tagträumen verleiten. Jeder Ast ist anders gewachsen, jeder Song hat einen Anfang, einen Höhepunkt und einen Schluss. Verziert mit Lichterketten und teils überraschenden Wendungen.