Die ersten beiden Winter ohne Gaslieferungen aus Russland konnten sowohl Deutschland als auch Europa gut verkraften. Doch die beiden Winter aus 2023 und 2024 hatten eine Gemeinsamkeit: Sie fielen vergleichsweise mild aus, der Heizbedarf war daher für private Haushalte eher gering. Ganz anders jedoch in diesem Winter. Die Füllstände der Gasspeicher sinken rasant. Gas gäbe es aus dem internationalen Markt zwar genügend. Die Frage ist jedoch zu welchem Preis. Nicht nur die Regierung fürchtet, dass erneut Mondpreise für das Auffüllen der Speicher anfallen könnten. Auch Experten sehen darin eine drohende Mahnung für die nächste Energiekrise.
Füllstände der europäischen Gasspeicher sinken weiter
Die Versorgungssicherheit ist laut Bundesnetzagentur jedoch gesichert, einen Ausfall der Gasversorgung müssen Haushalte somit nicht fürchten. Trotzdem betrachten Experten die Entwicklung auf dem Markt bereits seit Wochen aufmerksam wie sorgenvoll. „Es besteht ein zunehmendes Risiko, dass die EU den Winter mit niedrigen Füllständen beendet, was das Auffüllen teuer macht“, mahnt der Chefanalyst von Global Risk Management in Kopenhagen im Wirtschaftsportal Bloomberg. Wäre der Füllstand des Speichers zu niedrig, muss er im Sommer wieder aufgefüllt werden. Bereits jetzt treibt die Aussicht darauf die Preise an den Gasmärkten nach oben. Allein der Großhandelspreis für Gas hat sich im vergangenen Jahr verdoppelt, ein Ende der Preisanstiege ist dabei nicht in Sicht. Das Szenario erinnert zu Recht an den Beginn des Ukraine-Krieges, der eine europaweite Energiekrise auslöste.
Da die vergangenen Winter mild ausfielen, war auch der Bedarf, die Gasspeicher wieder aufzufüllen, entsprechend geringer. Sie waren zu jeder Zeit mindestens zu 62 Prozent gefüllt, doch davon kann heute keine Rede mehr sein. Der aktuelle Füllstand der deutschen Gasspeicher beträgt lediglich 40 Prozent. Damit ist er beinahe 31 Prozentpunkte niedriger als noch zur selben Zeit des letzten Jahres. Kein Wunder, denn in diesem Winter behielten die mahnenden Vorhersagen von Meteorologen recht. Es ist kalt geworden in Deutschland, allein Anfang der Woche kühlte die Luft in manchen Teilen des Landes auf bis zu minus 15 Grad nachts herab. Zeitgleich fällt der Jahresstart in Deutschland ungewöhnlich windstill aus. Infolgedessen muss das Erdgas nicht nur zum Wärmen von Haushalten, sondern auch zur Stromerzeugung genutzt werden. Da seit Anfang 2025 zudem kein Gas durch die Pipeline aus Russland mehr durch die Ukraine nach Europa fließt, bleibt auch weiterer Nachschub aus. Die Verträge für die Transitlieferungen sind mit dem Jahreswechsel ausgelaufen.
Internationale Märkte sehen hohe Preisanstiege
An der niederländischen Gaspreise TTF stiegen allein in der ersten Februarwoche die Gaspreise auf den höchsten Stand seit zwei Jahren. Rund 58 Euro pro Megawattstunde wurden fällig, doppelt so viel wie noch vor einem Jahr zur gleichen Zeit. Ein deutliches Warnsignal dafür, dass in ganz Europa ein erhöhter Bedarf an Flüssiggas besteht, so Analysten der norwegischen Bank DNB. „Der Markt versucht verzweifelt, genügend LNG anzulanden. Das Preisniveau deutet auf einen Aufschlag für LNG-Ladungen nach Europa im Vergleich zu Asien hin.“ Dabei profitieren auch Investoren, denn auch Investmentfonds treiben die Preise für Gas nach oben.
Damit die gemeinsame Nachfrage in den kommenden Wochen und Monaten die Gaspreise nicht zu sehr ansteigen lässt, haben sowohl Deutschland, Frankreich als auch die Niederlande die EU um eine Lockerung der Speichervorgaben gebeten. Dänemark, Griechenland, Italien, Spanien sowie Österreich unterstützen diesen Vorschlag. Die tschechische Regierung drängt sogar auf eine Änderung der EU-Vorgaben hin zu freiwilligen Zielen der einzelnen Länder. Mehr Flexibilität beim Einkauf und der Füllung der Gasspeicher könnte die Märkte normalisieren. Da die EU-Vorgabe vorschreibt, dass alle europäischen Gasspeicher zum 1. November bis zu 90 Prozent gefüllt sein müssen, wären die einzukaufenden Mengen für alle Länder entsprechend hoch. Die Lage ist ernst, schon jetzt lassen sich Ausläufer einer neuen Energiekrise erkennen. Untersuchungen zufolge kann sich rund ein Zehntel der Bevölkerung in Europa das Heizen schon heute nicht mehr leisten.