Seit Mitte April ist der Münchner Lieferdienst Knuspr auch in der Hauptstadt Berlin tätig. Nachdem man den bisherigen Mitbewerber Bringmeister übernommen hatte, konnte das Timing für Knuspr in der Hauptstadt kaum besser sein. Denn die Platzhirsche im Lebensmittel-Schnellliefer-Segment Getir und Gorillas ziehen sich aus Deutschland zurück. Damit ist auf dem Segment der Schnelllieferdienste in Berlin nur noch Flink tätig. Alternativ gibt es Lieferdienste wie Rewe, bei denen eine spontane Bestellung aber oft nicht möglich ist; die Vorlaufzeit beträgt in der Regel 24 bis 48 Stunden, dafür ist das Sortiment größer als bei Flink. Knuspr will beides vereinen: Schnelle Lieferung und ein großes Sortiment. Kann das gelingen? Wir haben es getestet.
Knuspr-Bestellung binnen weniger Stunden zu Hause
Es ist Montagabend, 18.30 Uhr in Berlin. Wir starten unserer Testbestellung bei Knuspr. Binnen drei Stunden will der Lieferdienst zustellen, das letzte Lieferfenster ist zwischen 21 und 22 Uhr. Das haben wir knapp verpasst. Wenn wir wollten, würde Knuspr unsere Lieferung aber schon am Dienstag um 6 Uhr bringen. Darauf verzichten wir, entscheiden uns dank Homeoffice für den Zeitraum 10 bis 11 Uhr. Das ist erste Besonderheit: Während du bei Rewe oft nur Zeitfenster von zwei oder vier Stunden hast, in denen die Lieferung kommt, kannst du bei Knuspr zwischen 6 und 22 Uhr ein einstündiges Zeitfenster auswählen. Angesichts des riesigen Liefergebietes, das man von Schönefeld in der Nähe des Berliner Flughafens aus bedient, ist das beachtlich. Man beliefert das gesamte Berliner Stadtgebiet, Potsdam und Teile des Brandenburger Umlandes.
Bei unserer Bestellung entscheiden wir uns für einen bunten Mix aus dem Sortiment: Gurken, Bananen, ein frisches Baguette, Klopapier, aber auch eine Reihe an Grillartikeln für das Abendessen am 1. Mai. Darunter auch viele MHD-reduzierte Artikel mit teils kräftigen Rabatten. „Rette Lebensmittel“ heißt die Rubrik, in der du viele Artikel, die nicht mehr lange haltbar sind, kaufen kannst. Echte Schnäppchen sind dabei: 200 Gramm Bio-Lachsfilet für 3,74 Euro, Bio-Rinderhack mit 50 Prozent Rabatt oder eine ganze Ente für knapp über 10 Euro. Werden die Artikel noch genießbar sein, wie es die Webseite mit „morgen verbrauchen“ oder „Haltbar bis 2.5.“ verspricht?
Wir bestellen das erste Mal bei Knuspr. Und trotz – nach Unternehmensangaben – 19.000 verschiedenen Artikeln haben wir keine Probleme, uns zu orientieren. Unseren Einkaufszettel arbeiten wir problemlos ab, stöbern durch die Angebote und MHD-reduzierten Artikel und haben nur selten den Eindruck, dass uns der gleichwertige Artikel im Supermarkt mehr kosten würde.
Knuspr setzt auf Regionalität
Was auffällt: Knuspr setzt neben den bekannten Markenartikeln auf viele regionale Lieferanten. 150 regionale Erzeuger liefern demnach ihre Waren direkt in das Logistikzentrum. In der Pressemitteilung zu Start nannte Knuspr Biomanufaktur Havelland aus Velten, erntefrisches Gemüse vom Bioland-Hof Zielke in Vierlinden oder handwerkliche Backwaren in Demeter-Qualität von der Bäckerei Märkisches Landbrot. Auch die vielen Berlinern bekannten Marken wie die Popcorn Manufaktur Knalle, die Handwerksbrauerei Lemke und die originale Currywurst von Curry36 sind Teil des Angebots. Mit einem ähnlichen Angebot war vor einigen Jahren Amazon Fresh in Berlin gestartet, hatte die lokalen Anbieter aber schnell wieder zurückgefahren.
Unsere Bestellung ist abgeschickt, bezahlen können wir mit Kreditkarte bei Lieferung – auf Wunsch aber auch schon direkt bei der Bestellung online. Alle Waren werden uns in Papiertüten geliefert. Alternativ sind auch Mehrwegtüten möglich. Knapp eine Stunde nach Abschicken der Bestellung fällt uns ein: Wir haben etwas vergessen. Doch das ist kein Problem. Da unsere Lieferung erst ab 10 Uhr erfolgt, können wir bis 5 Uhr morgens noch weitere Artikel ergänzen, die mitgeliefert werden sollen. Ein sehr nützliches Feature – für Kunde und Händler. Letztlich haben wir 20 Artikel für fast 60 Euro im Warenkorb.
Lieferung in (sehr) vielen Papier-Tüten
Am nächsten Morgen sehen wir auf der Webseite: Unsere Bestellung ist unterwegs. Sie soll gegen 10.15 Uhr geliefert werden – in acht (!) Tüten. Kurzfristig springt die Lieferung sogar auf wenige Minuten nach 10 Uhr, um dann aber schlagartig wieder hochzuspringen. Etwa fünf Minuten vor der tatsächlichen Ankunft erhalten wir eine SMS, dass die Lieferung erfolgt – inklusive Name und Handynummer des Fahrers. Letztlich steht der Bote gegen 10.45 Uhr vor unserer Tür. Vermutlich ist er Opfer des Berliner Verkehrs geworden, sodass die erste Prognose nicht haltbar war. In seinen Händen hat er statt acht nur sechs Tüten. Zwei Packungen Klopapier gelten als jeweils eigene Tüte. Dennoch: Jeweils eine Papier-Tüte für eine Gurke und drei Bananen mag logistisch begründbar sein, sinnvoll ist es nicht. Unklar war uns, ob wir im Fall von Mehrwegtüten so insgesamt 60 Euro Pfand hätten zahlen müssen. Tatsächlich ist das nicht der Fall, wie man uns um Nachgang mitteilte. Siehe Update am Ende des Textes.
Die gelieferten Lebensmittel machten nach dem Auspacken einen guten Eindruck. Selbst die MHD-reduzierten Artikel sind noch frisch und genießbar. So kannst du echte Schnäppchen machen. Aber: So einsam sich Bananen und Gurken in ihren Tüten gefühlt haben müssen, so gequetscht lagen die Kühlwaren in ihrer Tüte. Schaden genommen hat aber keines der Produkte. Unerklärlich ist allerdings, warum ein trinkfertiger Eiskaffee, der eigentlich „eisgekühlt“ hätte ankommen sollen, letztlich kaum gekühlt ankam. Auch hierzu gibt es ein Update am Ende des Textes.
Lieferung erst ab 39 Euro
Die Lieferung kosten ab einem Mindestbestellwert von 39 Euro gerade einmal 2,90 Euro. Ab 69 Euro ist sie kostenlos. Entscheidest du dich, Premium-Kunde für knapp 10 Euro im Monat zu werden, sind alle Lieferungen ab 39 Euro kostenlos und es soll weitere Rabatte geben. Unter 39 Euro liefert man nicht aus. Das wäre nicht nur unwirtschaftlich, es würde vermutlich auch zu zahlreichen an sich unnötigen Lieferfahrten führen. Schade: Obwohl man sich vermutlich für die Berliner Lieferungen einen neuen Fuhrpark zulegen musste, fährt man nicht mit Elektroautos beim Kunden vor. Geliefert wurde in unserem Fall mit einem Knuspr-gebrandeten Fiat Doblo mit Münchner Kennzeichen. Im Laderaum eingebaut ist eine aktive Kühlung, um die Kühlkette einhalten zu können. Doch der Verbrenner passt nicht ganz in das sonst vermittelte nachhaltige und regionale Image, das sich der Lieferdienst verpasst. Dennoch: Letztlich hinterließ Knuspr in unserem Test einen sehr guten ersten Eindruck. Große Auswahl, schnelle Lieferung, gute Ware, kleine Lieferfenster: Unsere Testbestellung wird wohl nicht die letzte gewesen sein – wenngleich der Supermarkt nebenan für den schnellen Einkauf immer noch erste Wahl bleibt.
Update: Reaktion von Knuspr
Knuspr teilte und als Reaktion auf unseren Testbericht mit, dass man die Knuspr-Vans mit Erdgas oder Elektrik betreibe. „In Berlin liefern wir aktuell mit emissionsarmen CNG-Fahrzeugen und werden die Flotte mittelfristig (innerhalb der nächsten 15 Monate) auf E-Fahrzeuge umrüsten.“ Aufgrund der langen Lieferzeiten für Ladestationen sei es zum Start nicht möglich, die benötigte Ladeinfrastruktur am Logistikstandort in Schönefeld zu errichten.
Auch zu den Tüten äußerte man sich. Die hohe Anzahl an Papiertüten pro ausgelieferter Bestellung habe prozesstechnische Hintergründe. „Mit der Optimierung unserer Kommissioneriungsprozesse im Logistikzentrum in Schönefeld wird sich die Tüten-Anzahl pro Bestellung in den kommenden Wochen reduzieren.“ Ein Missverständnis gab es unsererseits aber, was das Pfand für die Mehrwegtaschen angeht. Dieses fällt einmalig an und wird nicht pro Tasche berechnet. Wählt man diese Option, lege Knuspr bei der ersten Bestellung einen Vorrat von 10 wiederverwendbaren Taschen an. Werden diese 10 Taschen nicht zurückgegeben, wird jeder weitere Einkauf wieder in Papiertüten geliefert, bis der Kunde wieder mindestens eine der 10 Taschen zurückgegeben hat.
Dass der Kaffee-Drink nicht gekühlt geliefert wurde, dürfe nicht sein. Tatsächlich hat uns Knuspr den Betrag für diese Artikel erstattet, nachdem wir als Kunde auf die automatisch versendeten After-Sales-Zufriedenheits- und Feedback-Mails geantwortet haben. Dabei hatten wir nicht um eine Erstattung gebeten. Textlich berücksichtigen konnten wir das allerdings aufgrund der Vorproduktion des Artikels nicht mehr. Man habe aufgrund des Feedbacks entsprechende Prozesskorrekturen vorgenommen.
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