KOMMENTAR

Musik: War's das jetzt?

7 Minuten
Musik verändert sich. Das hat sie zwar schon immer getan, doch noch nie so sehr, wie sie es derzeit macht. Vor allem auch deshalb nicht, da immer der Mensch, der Musiker, der Künstler dafür verantwortlich war. Jetzt übernimmt die KI. Hören wir bald also nur noch von Computern gemachte Musik?
Musik: War's das jetzt?
Musik: War's das jetzt?Bildquelle: Aditya Chinchure / Unsplash

Ob bei WhatsApp oder im Auto, ob zur Erschaffung von Texten, Bildern oder Musik: KI macht sich derzeit überall breit. Man hat den Eindruck, jedes technische Gerät, jede neue App, jedes Laib Brot muss heute eine künstliche Intelligenz besitzen, damit man es verkaufen kann. Während KI bereits heute schon viele Arbeitsplätze kostet, hat Spotify vor wenigen Tagen angekündigt, vor der Einstellung eines neuen Mitarbeiters prüfen zu wollen, ob auch eine KI dessen Job machen kann. KI ist in der Musikindustrie also angekommen. Doch wird sie auch die Musik verändern? Oder tut sie es bereits, ohne dass wir es mitbekommen?

Noch nie hat sich Musik so verändert, wie derzeit

Als Nirvana 1991 mit ihrem bahnbrechenden Album „Nevermind“ und der Single „Smells Like Teen Spirit“ ins Rampenlicht trat, löste die Band eine kulturelle und musikalische Revolution aus. Das Ende des sich ohnehin auf dem absteigenden Ast befindenden Hair Metal und Glamrock war besiegelt. Diese Genres, die in den 1980er Jahren durch ihre extravaganten Bühnenauftritte, aufwendigen Frisuren und polierten Produktionen geprägt waren, wurden durch den rohen, authentischen Sound des Grunge verdrängt. MTV und Radiosender spielten jetzt lieber Nirvana, Pearl Jam oder Soundgarden statt Musik von Def Leppard, Whitesnake, Twisted Sister oder Cinderella.

Spotify: Ist das große Musik-Streaming schon bald vorbei?

Das, was da Anfang der 90er passiert ist, ist in der Geschichte der Musik immer wieder passiert. Neue Bands, Künstler und Musikrichtungen kommen, andere sind totgespielt. Doch der Mensch, der Musiker und Künstler stand dabei immer im Vordergrund. Ohne die Fertigkeiten an einer E-Gitarre, ohne eine außergewöhnliche Stimme des Sängers oder der Sängerin, ohne Songtexte, die Millionen Hörer bewegen, ging es nie. Doch die KI macht das meiste davon heute überflüssig. So muss man heutzutage kein Instrument spielen können, um Musik zu machen. Songtexte? Kann die KI schreiben. Und Apps wie Suno AI liefern gleich ganze Lieder, nachdem man ihnen gesagt hat, was man ungefähr haben möchte.

Für das, was heute innerhalb nur weniger Sekunden ohne Erfahrung und Ausbildung funktioniert, brauchen Künstler zum Teil Jahre. Ich mache selbst Musik, spiele Gitarre und weiß, wie schwierig es ist, ein Lied zu komponieren. Eine KI schafft das im Nu. Ist die handgemachte Musik damit am Ende? Übernehmen jetzt die Computer diesen kreativen und schöpferischen Prozess? Nein, das werden sie nicht.

Immer besser und einfacher, und das ist erst der Anfang

KI ist nicht kreativ. Sie weiß, was passiert ist und immer besser, was aktuell passiert, kann aber nichts aus dem Nichts erschaffen. Die KI will mit Daten, in dem Fall, mit Musik gefüttert werden, damit sie etwas erstellen kann, was wir bereits kennen. Etwas anders, aber eben nichts Neues. Eine KI wird nicht so etwas Revolutionäres erschaffen können, wie Nirvana es getan hat. Der andere Teil der Wahrheit ist aber auch: KI kann heute mühelos Musik produzieren. Musik, die sogar ganz gut klingt. Und: Jeder kann es machen, ohne Musik studiert zu haben, ohne dass er oder sie ein Instrument beherrscht oder singen kann. Und es wird noch besser.

KI-generierte Musik auf Spotify: „Künstler“ droht Knast

Künstliche Intelligenz ist nicht neu. Schon seit Jahrzehnten wird auf diesem Gebiet geforscht und gearbeitet. Apps wie ChatGPT oder Suno AI sind erste offensichtliche Anwendungen, die nun jeder im Alltag nutzen kann. Allerdings befinden wir uns hier noch immer am Anfang. KI wird sich in allen Bereichen noch deutlich verbessern. Auch im Hinblick auf Musik. Noch fehlt hier und da mal ein Wort in einem Song, den eine KI komponiert, es ist eins zu viel, oder Instrumente klingen anders, als man es kennt. Die Qualität stimmt noch nicht. Aber das wird noch.

Kann jetzt jeder Musiker sein?

Was KI heute schon gut kann? Hintergrundmusik produzieren, etwa für den Supermarkt oder den Fahrstuhl. Generische Filmmusik, die zu jedem Genre passt, ist für KI auch kein Problem. In diesem Bereich wird sich weiterhin viel tun und verändern. Die große Sorge der Künstler, dass KI sie überflüssig macht, ist hier also berechtigt. Aber Musiker können KI auch selbst dazu einsetzen, um sich inspirieren oder bei Texten helfen zu lassen. KI kann die kreative Arbeit nicht ersetzen, aber unterstützen.

Ausgetrickst! Diese App zeigt dir, was Spotify geheim hält

Doch kann ich mir jetzt einfach eine App nehmen und Musiker werden, der einen Hit nach dem anderen schreibt, beziehungsweise schreiben lässt? Nein, so einfach ist das nicht. Nur weil Fotoapparate und Kameras, etwa in Handys, für jedermann und jederzeit verfügbar sind, heißt das nicht, dass jeder ein Fotograf ist. Nur weil jeder im Supermarkt Mehl kaufen kann, hat längst nicht jeder eine Bäckerei.

Ein DJ lässt sich ersetzen, eine gute Band nicht

Sollte KI es in Zukunft schaffen, kommerziell erfolgreiche Musik zu produzieren, wird sich die Musik, der Musiker, die Band weiterentwickeln müssen. Etwas Neues zu schaffen, was die KI nicht kann. Die KI wird die gesamte Musikindustrie verändern, ja. Aber der Mensch wird dabei immer noch die wichtigste Rolle einnehmen. Man geht schließlich auf ein Konzert nicht nur der Musik wegen, sondern auch, um seine Lieblingsband dabei zu sehen, wie sie diese Musik macht.

Es sind doch die Abweichungen vom Original und die kleinen Fehler der Band, die hier das Besondere sind. Die Band zu erleben, den Sänger zu sehen, wie er den Text eines Songs neu oder auf eine andere Art gestaltet, von dem Songwriter zu hören, wie und aus welchem Grund ein Stück entstanden ist. Es sind die Geschichten über Rock- oder Popstars, die wir lieben. Der Film Elvis etwa war ein Kinoknaller. Warum? Weil der Mensch im Fokus stand.

Spotify-Konkurrent lüftet Geheimnis: So viel Geld gibt es für Musiker

In einer Diskothek aber ist das völlig anders und im Grunde egal. Einen DJ auf Hochzeiten oder Geburtstagen ersetzen kann heute auch schon eine Spotify-Playlist. Eine KI in Verbindung mit einem Musik-Streaming-Dienst wird das noch besser können. Etwa mithilfe von Mikrofonen und Kameras, die in Echtzeit die Stimmung im Raum aufnehmen und passende Musik auswählen. Die KI wird in Zukunft aber nicht nur DJs auf Partys ersetzen, sondern auch wenig kreative Musiker überflüssig machen. Ein Genre wie die Schlagermusik, das auf nahezu immer dem gleichen Rhythmus, ähnlichen Melodien und den gleichen Tempi basiert. Eine KI kann hier mit etwas Variantenreichtum und einem anderen Text schnell ein ganzes Gerne okkupieren. Und dann müssen die Künstler wirklich kreativ werden. Aber: Menschen lesen lieber Texte, die von Menschen geschrieben wurden. Bei Musik ist dieser Effekt noch deutlich größer.

Von wem ist das Lied? Keine Ahnung, es ist Reggaeton

Emotionen spielen hier eine weitaus größere Rolle. Viele Bands und Künstler machen heute noch genauso Musik, wie die Beatles oder Chuck Berry vor 70 Jahren. Mit nahezu den gleichen Instrumenten. Doch man hört, etwa anhand des Reggaeton-Hypes, dass Musik immer computergesteuerter wird. Insbesondere bei solcher Musik weiß man gar nicht mehr, wie der Titel eines Songs lautet, oder wie der Künstler heißt. Es ist aber auch egal. Wie bei Fahrstuhl- oder Supermarktmusik. Oder Regenwaldgeräuschen, die viele während der Arbeit im Hintergrund laufen lassen, um sich zu konzentrieren. Und hier ersetzt KI bereits die Arbeit des Menschen, der in den Regenwald reist, dort ein Mikrofon aufstellt, die Kulisse aufnimmt und anschließend verarbeitet.

Und was sagst du?

Bitte gib Dein Kommentar ein!
Bitte gibt deinen Namen hier ein