Schon heute unternimmt die Ampel-Regierung erste Schritte, um für die nötige Flexibilität in unseren Stromnetzen zu sorgen. So plant sie den Bau von rund 12,5 Gigawatt an Kapazität in Gaskraftwerken, um diese bei Bedarf kurzfristig ans Netz zu bringen. Zusätzlich sollen 0,5 Gigawatt an Speicherkapazität für Absicherung sorgen. Für den Wegfall der voraussichtlichen 10 Gigawatt an Kohlekraftwerken, der bis 2030 erfolgen soll, würde dieser Plan genügen. Nicht jedoch, wenn der Strom langfristig kostengünstiger für alle Marktteilnehmer werden soll. Das renommierte Beratungsunternehmen Aurora Energy Research erläutert in einem noch unveröffentlichten Gutachten, wie die benötigte Flexibilität erreicht werden kann.
Anteil Erneuerbarer soll auf 80 Prozent ansteigen
Was die Energiewende dem Stromnetz in Deutschland abverlangt, ist keine Kleinigkeit. Bis 2030 soll nach Plänen der Bundesregierung der Anteil an erneuerbarer Energien im Netz auf 80 Prozent ansteigen. Schon heute erreichen wir eine Quote von rund 58 Prozent, die bereits mit gewissen Schwierigkeiten verbunden ist. Durch die großen Schwankungen in den Erneuerbaren kommt es immer wieder zu Augenblicken, in denen Windräder abgeregelt werden müssen, da das Netz keinen weiteren Strom mehr aufnehmen kann.
Dadurch entstehen nicht nur Kosten durch „verschenkten Strom“, den man hätte nutzen können. Auch Entschädigungssummen fließen an Betreiber der Anlagen und werden wiederum in Netzentgelten an Kunden weitergegeben. In den kommenden Jahren könnte der Strombedarf durch steigende Verbraucher wie Wärmepumpen, E-Autos und Elektrolyseure zur Wasserstoffproduktion weitersteigen.
Bau von Gaskraftwerken allein reicht nicht für Stromnetze
Mit dem Zubau von Gaskraftwerken und 0,5 Gigawatt Speicherkapazität ist es darum für die Autoren der Studie nicht getan. Sie fordern erhebliche Fortschritte in der Flexibilisierung der Nachfrage und der Energiespeicherung. Um die schwankende Stromerzeugung auszugleichen, müssen andere Komponenten des Stromnetzes umso flexibler werden. Das wäre nicht nur zur Sicherstellung der Energieversorgung notwendig. Es könnte sogar die Strombeschaffungskosten im Jahr 2030 für die Industrie um 20 Prozent senken. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass sich die Nachfrage nach dem Strom fortlenken lässt. Genauer gesagt: Weg von den 20 Prozent der Stunden eines Jahres, an dem der Strom teuer ausfällt. Wer nun fürchtet, die Lösung dafür könnte in Atomkraftwerken liegen, kann beruhigt sein. Weder Kohlekraftwerke noch Atomkraftwerke würden dafür weiterhin benötigt.
Vielmehr liegt die Lösung für das Flexibilitäts-Dilemma in Batteriespeichern, Redox-Flow-Batterien sowie Biogas- und Biomasseanlagen mit Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid. Auch Elektrolyseure, smart geladene E-Autos und eine Industrie, die ihre Stromnachfrage zeitlich anpasst, wären wichtige Faktoren. Letztlich ist es die Nachfrage, die die Strompreise zu bestimmten Spitzenzeiten in die Höhe schießen lässt. Aurora Energy Research empfiehlt einen „technologieneutralen“ Kapazitätsmechanismus, den man ab 2028 vergüten soll. Die genaue Ausgestaltung steht bislang nicht fest. Sie könnte jedoch eine hervorragende Ergänzung zu dynamischen Stromtarifen und zeitvariablen Netzentgelten darstellen. All diese Maßnahmen würden zu kostengünstigeren Strom führen, in dem Verbrauch und Erzeugung der Energie flexibler aufeinander abgestimmt werden könnten.