Zwangsabschaltung für PV-Anlagen? Ein Blick auf die Herausforderungen der Stromnetze

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Durch die schiere Fülle an PV-Anlagen und Balkonkraftwerken in Deutschland gelangen die Stromnetze in Phasen mit viel Sonnenlicht an ihre Belastungsgrenzen. Egal, welche Regierung nach den Wahlen im Amt ist, sie wird sich mit dem Thema Zwangsabschaltungen für PV-Anlagen auseinandersetzen müssen.
Balkonkraftwerk auf einem Balkon an Wohnhaus

Droht die Zwangsabschaltung für private PV-Anlagen nun?

Im vergangenen Jahr gingen laut Bundesnetzagentur insgesamt 20 Gigawatt Leistung an neuen Erneuerbare-Energien-Anlagen ans Netz. Dazu verdoppelte sich die Anzahl der Balkonkraftwerke im vergangenen Jahr. Mittlerweile hat man zudem rund 780.000 Balkonkraftwerke im Marktstammdatenregister erfasst, allein 430.000 dieser Anlagen schlossen Haushalte im vergangenen Jahr an. Allein die Leistung aller Balkonkraftwerke erreicht laut Bundesnetzagentur mittlerweile 0,7 Gigawatt an Leistung. Doch so erfreulich der Zuwachs auf der einen Seite erscheinen mag, so bringt er doch gleich mehrere Probleme mit sich.

Unkontrollierte Einspeisung von Solarstrom bringt Stromnetz an Belastungsgrenzen

Denn während der Ausbau der Erzeugungsanlagen vorangeschritten ist, konnte der Ausbau der Stromnetze in Deutschland bisher nicht aufholen. Weder finden sich bereits genügend Speicherkapazitäten am Netz, um die Fluktuationen der erneuerbaren Energien sinnvoll auszugleichen, noch kann die heutige Netzinfrastruktur endlos viel Solarstrom verkraften. Netzbetreiber fordern daher bereits seit Längerem, dass sie private PV-Anlagen aus der Ferne abregeln müssen. Ein Ende des Solarbooms ist dabei keineswegs in Sicht. Allein im vorletzten Sommer kam es in Bayern teilweise zu 20.000 Anmeldungen für PV-Anlagen im Monat bei Netzbetreibern. Inzwischen ist die Zahl der privaten Anlagen so weit angestiegen, dass Netzbetreiber damit rechnen, dass die Situation sich im Frühjahr zuspitzen könnte.

In extremen Fällen könnte es nötig werden, die Netze regional abzuschalten. Scheint die Sonne so stark, dass man den erzeugten Strom weder verbrauchen noch speichern oder exportieren kann, müsste man eine Reihe von PV-Anlagen vom Netz nehmen. Doch genau das ist bisher praktisch für viele Anlagen nicht möglich. Während Netzbetreiber große Solarkraftwerke bereits abregeln können, fehlt diese Funktion bei vielen privaten PV-Anlagen. Wer sie betreibt, möchte möglichst viel der staatlich festgelegten Einspeisevergütung für sich sichern.

Ein Ausschalter spielte daher lange keine Rolle für die Anlagen. Doch gerade jetzt rächt sich dieser Umstand doppelt. Nicht nur, dass die Netze an ihre Grenzen gebracht werden. Auch der Strom, der vom Staat vergütet wird, erzielt beim Verkauf keinen Gewinn mehr. Stattdessen wird er häufig zu den Zeiten ins Netz eingespeist, wenn der Strom zu negativen Preisen verkauft wird. Es muss somit praktisch für die Abnahme des Stroms gezahlt werden. Dadurch wächst das Defizit auf dem EEG-Konto stärker an, was zu noch höheren Ausgleichszahlungen durch den Klima- und Transformationsfonds führt.

Droht die Zwangsabschaltung für PV-Anlagen durch zu viel Solarstrom? Ein Blick auf die Herausforderungen der Stromnetze

Netzbetreiber benötigen Möglichkeit, private PV-Anlagen abzuregeln

Um diese Probleme zu lösen, sind mehrere Anpassungen notwendig. Zum einen möchte man die Schwellenwerte, ab denen Anlagenbetreiber den Strom selbst vermarkten müssen, entsprechend herabsenken. Zusätzlich dürfte wohl, wie bereits von der Ampel-Koalition diskutiert, eine Änderung der Einspeisevergütung notwendig werden. Künftig könnte man nur Strom vergüten, den man zu Zeiten einspeist, in denen man ihn auch verkaufen kann. Das könnte vordergründig in Kombination mit einer geplanten Erleichterung für Heimspeicher-Besitzer von Interesse werden. Entfallen Steuerabgaben auf die Einspeicherung und den Weiterverkauf von Strom sowie Nachteile für den Bezug der Einspeisevergütung, könnten Heimspeicher nicht nur für ihre Besitzer zu einem lukrativen Nebengeschäft werden.

Sie könnten auch zur Entlastung der Netze beitragen, immerhin beläuft sich die Speicherkapazität von Deutschlands Heimspeichern mittlerweile auf geschätzte 13 Gigawattstunden bei 1,6 Millionen Anlagen. Auch Strafzahlungen für Einspeisungen während negativer Strompreise diskutierte man bereits. Um das Stromnetz künftig stabil zu halten, führt kein Weg an einer Abregelung privater PV-Anlagen durch die Netzbesitzer vorbei. Zumindest bis die Netze einen Stand erreicht haben, der die zusätzlichen Kapazitäten verkraften kann. Wie hoch diese Abregelung im Einzelfall ausfallen soll, bleibt bisher jedoch offen.

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