Um möglichst viel Mobilfunkkapazität möglichst effizient und kostenschonend an eine Bahnstrecke zu bekommen, sind die Mobilfunker auf entsprechende Frequenzen angewiesen. So können Sendemasten mit Frequenzen um 700, 800 und 900 MHz deutlich weiter funken als Masten mit Frequenzen um 1800 oder 2100 MHz. Insbesondere auf Schnellfahrstrecken ist das relevant. Denn nicht nur die Kosten für die Netzbetreiber werden geringer, auch die Zahl der Übergaben zwischen Sendemasten (Hand-Over) von einem LTE-Handy in der Bahn wird geringer. Das funktioniert in städtischen Regionen, wo die Züge langsamer fahren gut. Hier sind dann auch die Datenraten höher. Bei Überlandstrecken und Geschwindigkeiten von 250 km/h und mehr müsste ein Handy alle 28 Sekunden einen anderen Mast nutzen, wenn der Mast eine Reichweite von zwei Kilometern hat.
Nicht alle Frequenzen sind für LTE in der Bahn geeignet
Das Problem: Die „guten“ Frequenzen sind rar. Die Frequenzen um 700 MHz sind erst seit kurzem in vollem Umfang nutzbar, werden nur von wenigen Handys unterstützt und kommen zumeist für 5G zum Einsatz. Die Frequenzen um 800 MHz sind in vollem Umfang bundesweit im Einsatz. Ein Sendemast mit Frequenzen um 800 MHz kann einen Umkreis von etwa 10 Kilometern versorgen. Bei LTE 1800 geht man noch von sechs Kilometern aus, bei LTE 2600 entsprechend noch weniger. Eigentlich hätten ab Jahresende auch die für die Versorgung der Fläche wichtigen Frequenzen um 900 MHz für LTE an den Bahnstrecken zum Einsatz kommen sollen. Doch daraus wird nun nichts.
Die Sendemasten der Mobilfunker brauchen beim Einsatz von LTE 900 entweder eine Sondergenehmigung oder müssen einen Schutzabstand zu Bahnstrecken einhalten. Der Grund: Die Frequenzen für LTE 900 liegen nah an denen des Zugfunks GSM-R. Wie wichtig dieser ist, hat der Ausfall von GSM-R vor einigen Wochen gezeigt. Ohne GSM-R darf kein Zug im Netz von DB Netz rollen. Eigentlich hätten bis Jahresende alle GSM-R-Geräte gehärtet werden sollen. Das heißt, man hatte die Unanfällig für die Funkstörung gemacht. Die Alternative: Fahrverbot für die Züge – abgesehen von wenigen überschaubaren Sondergenehmigungen.
LTE 900 darf wegen GSM-R nicht an der Bahn genutzt werden
Doch nun kommt nach Angaben von heise online die Rolle Rückwärts. LTE 900 darf weiterhin nicht in der Nähe der Bahnstrecken eingesetzt werden. Das bestätigte die Bundesnetzagentur dem IT-Magazin. Der Grund: Mehr als 1.000 Fahrzeuge seien noch ohne die notwendige Umrüstung unterwegs. Darunter offenbar auch Fahrzeuge, die „für die Sicherstellung der Energieversorgung in diesem und kommenden Winter benötigt werden.“ Dem Vernehmen nach sind aber auch ausländische Personenschnellzüge noch nicht umgerüstet, die auf dem deutschen Netz unterwegs sind.
Für die Bahnreisenden heißt das nun: Das Handynetz von Telekom, Vodafone und O2 muss vorerst auf dem Level bleiben, wie es ist. Der Einsatz höherer Frequenzen um 1800 oder 2100 MHz ist insbesondere auf Schnellfahrstrecken nur begrenzt sinnvoll – zumal die notwendige Infrastruktur in Form von Sendemasten fehlen dürfte. Ein neuer Anlauf für den Einsatz von LTE 900 in der Nähe der Bahnstrecken sei erst ab Ende 2024 angedacht – allerdings hält sich die Bundesnetzagentur ein Hintertürchen für Ende 2023 offen.
Telekom und Vodafone hatten medienwirksam den Ausbau der Mobilfunknetze an der Bahn bis 2025 bzw. 2026 versprochen. Telekom-Chef Höttges sprach einst sogar von 200 Mbit/s für jeden Fahrgast. Technisch ist das nicht zu halten – gemeint waren 200 Mbit/s Gesamtkapazität. Vodafone gab erst im April sein Versprechen für den Bahn-Ausbau ab. O2 hatte hierzu bislang keine Erklärung abgegeben, muss aber in Anbetracht verschiedener Auflagen das Netz auch weiter ausbauen.
Gut ausgebaute Mobilfunknetze entlang der Bahnstrecke sind übrigens auch die Voraussetzung für ein gutes und schnelles kostenloses WLAN im Zug. Die Systeme nutzen dieselben Mobilfunknetze für die Anbindung.