In einem Punkt sind sich die Regierung, Verbände, Unternehmen und Banken durchaus einig. Die derzeitigen Gaspreise sind zu hoch, es müssen Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Doch gerade, was die Wahl der dafür angemessenen Optionen betrifft, scheiden sich die Geister. Während die EU über einen neuen Gaspreisdeckel nachdenkt, schlagen Akteure in einem Brief an Ursula von der Leyen deswegen Alarm.
Europäische Kommission erwägt neuen Gaspreisdeckel
Ein neuer Gaspreisdeckel könnte Teil des Clean Industrial Deal in der EU werden. Der Clean Industrial Deal ist ein Industrieplan, der sowohl den Klimaschutz als auch die Wettbewerbsfähigkeit stärken soll. Am 26. Februar möchte die EU-Kommission ihn vorstellen. Dabei soll er von einem „Aktionsplan für erschwingliche Energiepreise“ begleitet werden. Was genau das für Verbraucher bedeutet und welche Maßnahmen die EU beschließt, bleibt bisher offen. Wie aus einem Brief mehrerer Gruppen an Ursula von der Leyen hervorgeht, wie das Handelsblatt auf Berufung dessen schreibt, scheint auch ein neuer Gaspreisdeckel ein Teil dieses Vorhabens zu sein. Die Financial Times hatte als erste von dem Schreiben berichtet.
Dass etwas mit dem Gaspreis geschehen muss, ist unstrittig. Zurzeit kostet eine Megawattstunde Gas am niederländischen Marktplatz TTF rund 55 Euro. Damit ist der Preis für den fossilen Brennstoff allein in den vergangenen drei Monaten um rund 30 Prozent angestiegen und viermal so hoch, wie er heute am US-amerikanischen Marktplatz Henry Hub gehandelt wird. Die Preise liegen damit auf einem Rekordniveau, das zuletzt vor zwei Jahren erreicht wurde. Die Idee eines Gaspreisdeckels ist in der EU ein alter Hut. Schon im Energiekrisenjahr 2022 setzte die EU auf diese Methode, um die starken Preiserhöhungen infolge des Angriffskriegs auf die Ukraine abzufedern.
Der damalige europaweite Preisdeckel kam jedoch nie zur Anwendung, da er greifen sollte, wenn die Preise drei Tage lang über 180 Euro pro Megawattstunde lagen, was während der damaligen Energiekrise nie der Fall war. Einige Länder, darunter auch Deutschland, setzten jedoch lokale Preisbremsen für Gas ein. In Deutschland zählte dazu neben der Gaspreisbremse auch eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas, die im April 2024 auslief.
Hohe Energiekosten setzten EU und Bevölkerung unter Druck
Auch wenn es seit der Energiekrise 2022 nicht mehr zu hohen Preisextremen kam, bleibt das Gas seither teuer. Gleich mehrere Industrievertreter aus ganz Europa haben schon im vergangenen Februar in der sogenannten „Antwerp Declaration“ Hilfe von der EU gefordert. Bisher hat sich wenig getan, um Unternehmen oder Privatnutzer preislich dauerhaft zu entlasten. Dabei scheint der Vorschlag eines Gaspreisdeckels auch nicht auf Freudensprünge zu stoßen, im Gegenteil. Gleich elf Gruppen, darunter auch Verbände von Energieunternehmen, Banken und Börsen, warnen explizit vor diesem Schritt. Sie sehen darin lediglich eine Behandlung der Symptome, nicht eine Lösung der tatsächlichen Ursachen. Auch weitere Risiken wären damit verbunden.
Ein Preisdeckel könnte etwa das Vertrauen in die europäische Gasbörse TTF beschädigen. Dadurch könnte Europa weniger attraktiv für globale Gasverkäufer erscheinen, die sich anderen, Märkten ohne Einschränkungen außerhalb der EU zuwenden könnten. Problematisch könnte das hauptsächlich darum werden, da sich Europa nach aktuellem Stand lediglich 26 Prozent der Flüssiggasmengen gesichert hat, die man bis 2040 voraussichtlich benötigen wird. Lediglich dieser Anteil wäre somit über Gaslieferverträge längerfristig gesichert, der Rest der Länder wäre hingegen auf kurzfristige Vereinbarungen angewiesen, um ihre Versorgung sicherzustellen. Verbraucher würden daher zwar vorübergehend von einer Deckelung des Preises profitieren. Langfristig könnte das Angebot am europäischen Markt jedoch eingeschränkt werden.