In den vergangenen Jahren wurde der einstige Smartphone-Überflieger Huawei mit zahlreichen Hürden konfrontiert. Seit die USA im Jahr 2019 Handelssanktionen über den chinesischen Hersteller verhängt haben, ist es Huawei verboten, Geschäfte mit dem Android-Entwickler und Alphabet beziehungsweise Google zu machen. Da Android als freie Software von allen Unternehmen genutzt werden darf, wurden Huawei-Handys bisher nach wie vor mit dem US-Betriebssystem ausgestattet. Doch auf Google-Dienste wie beispielsweise Google Maps, YouTube oder gar den Play Store mit seinem gleichermaßen breiten wie beliebten App-Angebot mussten Huawei-Nutzer verzichten. Und die Folgen waren enorm.
Nachdem das Handelsembargo in Kraft getreten war, stiegen die Huawei-Verkäufe auf dem chinesischen Heimatmarkt. Zudem brachte der Hersteller einige minimal „aufgefrischte“ Modelle wie das Huawei P30 Pro New Edition auf den Markt, die weiterhin über alle Android-Vorteile verfügten. Auf diese Weise konnte das Unternehmen die Verkaufszahlen eine Weile lang auf einem vergleichsweise guten Niveau halten. Doch aktuell ist dem nicht mehr so. Laut einer kürzlich veröffentlichten Marktanalyse des Forschungsunternehmens Counterpoint Research betrugen Huaweis Marktanteile am weltweiten Smartphone-Verkauf im ersten Quartal 2021 nur noch 4 Prozent. 4 Prozent! Damit findet sich das chinesische Unternehmen aktuell auf dem sechsten Platz des Weltmarktes wieder. Und auch die Tatsache, dass der Verkauf des Tochterunternehmens Honor maßgeblich zur Reduzierung der Verkaufszahlen beitrug, tröstet angesichts der 22 Prozent Marktanteil des einstigen Hauptkonkurrenten Samsung nur geringfügig.
Nun hat Huawei getreu dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“ eine Offensive auf die beiden etablierten, mobilen Betriebssysteme Android (Google) und iOS (Apple) gestartet und eine eigene Alternative vorgestellt. Doch kann diese wirklich für ein Huawei-Comeback sorgen?
HarmonyOS: Das neue Betriebssystem aus China
Huawei spielte bereits seit 2019 mit dem Gedanken, ein eigenes Betriebssystem für Smartphones, Wearables und sonstige Gerätschaften einzuführen. Nach rund zwei Jahren war es vor Kurzem endlich soweit. Die neue Software soll zunächst in China auf bereits verkaufte Huawei-Mobiltelefone gespielt werden. Später könnte auch ein globaler Rollout folgen. Als Vorteile benennt das chinesische Unternehmen eine längere Akkulaufzeit, bessere Performance, eine geräteübergreifende und unkomplizierte Vernetzung, einen neuen Startbildschirm, gutes Sicherheitsmanagement sowie neue Service-Widgets. Das klingt alles recht vielversprechend, und doch ist es fraglich, ob solche Boni das Fehlen von Google-Diensten ausgleichen können. Denn auf diese müssen HarmonyOS-Nutzer zwangsläufig auch weiterhin verzichten.
Egal wie zuversichtlich sich Huawei auch geben mag, dessen Vorhaben ist eine wahre Herkulesaufgabe, an der sich schon zahlreiche Unternehmen die Zähne ausgebissen haben. Sei es Windows 10 Mobile aus dem Hause Microsoft, Symbian OS von Nokia oder BlackBerry 10 – abseits von Apples iOS mussten sich bisher alle größeren Alternativen geschlagen geben. Dabei spielt auch das sogenannte „Winner-takes-all“-Prinzip eine Rolle. Denn der Marktanteil an Android-Smartphones ist außerordentlich hoch. Und somit ist auch der Anteil an Nutzern hoch, denen das Betriebssystem vertraut ist. Allein aus diesem Grund werden viele Anwender beim nächsten Handy-Kauf abermals zu einem Android-Gerät greifen – ganz zu schweigen von den Vorteilen, die die Google-Dienste mit sich bringen.
Die Unterschiede zwischen Android und HarmonyOS könnten allerdings geringer ausfallen als erwartet. Denn eine Code-Analyse des Portals Ars Technica ergab, dass HarmonyOS zu großen Teilen auf dem Code von Android basiert. Das ist zwar eine gute Nachricht für Gewohnheitstiere, doch zeitgleich auch ein herber Rückschlag in puncto Mehrwert.
HarmonyOS als Huawei-Retter?
Hardware-technisch können Huawei-Smartphones wie das im November 2020 vorgestellte Huawei Mate 40 Pro problemlos mit jeglicher High-End-Konkurrenz mithalten. Doch es ist dennoch unwahrscheinlich, dass HarmonyOS dem Hersteller zum neuen Glanz verhelfen wird. Um gegen das „Winner-takes-all“-Prinzip bestehen zu können, müssten Hard- und Software schon einen wirklich großen Mehrwert wie beispielsweise Hologramme bieten. Da diese jedoch nicht auf dem Menü stehen, gilt ein zeitnahes Comeback ohne Beendigung der US-Sanktionen gelinde gesagt als Herausforderung. Falls Huaweis Vorhaben dennoch gelingt, könnte sich die USA einen machtvollen Konkurrenten geschaffen und ein dickes Eigentor geschossen haben.