Huaweis Welt bröckelt. Aufgrund von US-Sanktionen steht das chinesische Unternehmen bereits seit einem Jahr unter enormem Druck. Und der wächst auch heute noch stetig. Wird sich der Hersteller nun hinter die chinesischen Grenzen zurückziehen? Huaweis klare Antwort: Sicher nicht!
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Es sieht nicht gerade rosig aus für Huawei. Seit rund einem Jahr darf das chinesische Unternehmen seine neuen Smartphones aufgrund von US-Präsident Donald Trumps China-Politik nicht mit Google-Diensten wie Google Maps, YouTube und gar dem Play Store ausstatten. Ältere Geräte wie das Huawei P30 Pro waren bisher von dieser Regelung befreit, doch seit eine mehrmals verlängerte Sonderlizenz ausgelaufen ist, ist die Zukunft auch solcher Smartphones ungewiss. Mögliche Folgen wären der Stopp von Sicherheitsupdates, die Einstellung des kontaktlosen Bezahldienstes Google Pay sowie von Banking-Diensten und auch das Aus für größere Versionsupdates (Android 11) könnte auf der Agenda stehen. Die Ungewissheit ist hier das größte Problem, denn einige mediale Stimmen sprachen bereits über das Abschalten aller Google-Services für ältere Huawei-Smartphones – wobei das eher unwahrscheinlich ist.
Und um das Ganze noch zu steigern: Smartphone-Chef Richard Yu teilte vor kurzem mit, dass die Produktion von Prozessorchips aufgrund der US-Sanktionen am 15. September eingestellt werde. Ausländische Hersteller, die ihre Prozessoren mithilfe US-amerikanischer Technologien produzieren, benötigen nämlich eine Lizenz, wenn sie mit Huawei handeln. Und über diese verfügt das Tochterunternehmen HiSilicon nicht. Huawei hat zwar bereits einen alternativen Plan gestartet, doch ob dieser aufgeht, ist ungewiss. Und dennoch: Auf der diesjährigen Branchen-Messe IFA in Berlin präsentiert das Unternehmen positive Zahlen, stellt sich abermals hinter die eigene 1 + 8 + N-Strategie (ein Smartphone als Herz, acht weitere Geräte-Kategorien sowie viel Drittanbieter-Hardware) und macht auch sonst alles, um Nutzer von einer erfolgreichen Huawei-Zukunft zu überzeugen.
Huawei voller Zuversicht
Während Huaweis IFA-Keynote hat Walter Ji, Präsident der Huawei Consumer Business Group Europa, die Zuschauer mit einer Unmenge an Zahlen konfrontiert: Die Downloads der AppGallery, Huaweis hauseigenem Play Store beziehungsweise App Store, stiegen seinen Ausführungen zufolge zwischen März und April um 60 Prozent. 560 Millionen Kunden nutzen das Angebot aktiv, das monatlich um 5.000 neue Apps wächst. Rund 33 Millionen Kunden stammen laut Huawei aus Europa. Zudem beteiligen sich an Huaweis Ökosystem 800 Partner in 100 Kategorien und das Unternehmen unterstützt laut einer „unabhängigen Untersuchung“ 223.000 Jobs in Europa (im Jahr 2019). Und auch das war Thema: Huawei spendete in Europa nach eigenen Angaben während der Corona-Kriese 2 Millionen Schutzmasken sowie 500 Tablets.
Wie gesagt, Huawei hat viele gut klingende Zahlen genannt und der Fokus ließ sich bereits hier herausdestillieren: Europa. Gute Miene zum bösen Spiel? Mitnichten, denn Huawei will auch konkrete Taten folgen lassen. So will das Unternehmen bis zum Ende des Jahres acht große Flagship-Stores in Europa vorweisen können. Diese sollen in Spanien, Frankreich, Belgien, Italien, Deutschland und Großbritannien positioniert werden. Zudem sollen Kunden von 42 kleineren „Experience-Stores“ profitieren. Diese Taktik betont Huaweis Zuversicht und lässt die Gerüchte rund um die komplette Einstellung der Smartphoneproduktion verblassen. Diese hat der chinesische Hersteller auch direkt gegenüber inside digital ausgeräumt, indem er die guten Verkaufszahlen der P40-Reihe unterstrich. Zudem bestätigte Walter Ji auf der IFA auch direkt, dass Huawei in Europa weiterhin der Marktführer werden möchte.
Eine neue Hoffnung
Auch abseits seiner Europa-Offensive will das angeschlagene Unternehmen alles Menschenmögliche machen, um zumindest das eigene Image zu verbessern. So sollen beispielsweise alle Huawei-Services mit Fokus auf die Privatsphäre und Sicherheit der Nutzer entwickelt worden sein. Weiterhin will der chinesische Hersteller den negativen Einfluss auf den Planeten reduzieren. Dazu will er seine neuen Flaggschiff-Geräte mit 20 Prozent weniger Plastik ausstatten.
Zuversicht hin oder her, Huawei kämpft gegen die Auswirkungen der US-Sanktionen. Doch diese könnten schon in naher Zukunft wieder ausgesetzt werden. Denn hinter diesen steckt federführend der aktuelle US-Präsident. Nach der Präsidentschaftswahl am 3. November könnte in den Vereinigten Staaten von Amerika aber ein gänzlich anderer Wind wehen. Wenn Joe Biden gewinnt. Gesichert ist aber selbst das nicht. Und somit steht Huawei weiter vor einer ungewissen Zukunft.