Schon ab dem 1. Januar 2024 sollen neue Heizungen zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Als mögliche Lösung zum Erhalt von Gasheizungssystem wird grüner Wasserstoff häufig genannt. Theoretisch könnte der Wasserstoff die Anforderungen der 65-Prozent-Regel zwar erfüllen – dennoch kommen alle Studien von Experten zu dem gleichen Urteil. Grüner Wasserstoff kann keine Lösung für eine zeitnahe Zukunft ohne Erdgas sein.
Grüner Wasserstoff – abgeschriebener Hoffnungsträger?
Auf der Suche nach Alternativen zur Erdgasheizung kommt man an grünem Wasserstoff kaum vorbei. Grundsätzlich wäre die Umrüstung von Gasheizungen auf Wasserstoff naheliegend. Selbst das heutige Versorgungsnetz für Gasleitungen ist dabei kein Problem. Die meisten Rohre vertragen selbst reinen Wasserstoff, sodass es umsetzbar wäre, auf der vorhandenen Versorgung aufzubauen. Trotz dieser augenscheinlich guten Bedingungen spricht jedoch vieles gegen grünen Wasserstoff als Alternative. Wie Energieexperte Benjamin Pfluger von der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie betont, sind sich Studien aus der Fachwelt bei diesem Thema einig. „Zu ineffizient, zu spät verfügbar und höchstwahrscheinlich viel zu teuer“, fasst er die Ergebnisse gegenüber der Tagesschau zusammen.
Bereits seit Langem planen große Produzenten von Heizungsanlagen mit einem möglichen Wasserstoffszenario. Sie bieten Heizungen an, die bereits „H2-ready“ sind. Diese Heizsysteme können bereits einen Wasserstoffanteil als Brennwert verkraften. Von einem vollständigen Umstieg auf grünen Wasserstoff kann man hier jedoch nicht sprechen. Denn besagte Modelle können lediglich etwa zehn Prozent Wasserstoff verkraften, die eingespeist werden könnten. Heizsysteme, die komplett mit reinem Wasserstoff heizen, sind noch gar nicht verfügbar. Damit Wasserstoff durch die Gasleitungen fließen könnte, müssten sämtliche angeschlossenen Heizungen vollständig „H2-ready“ sein. Ein Zustand, der sich nicht nur mit dem heutigen technologischen Stand nicht umsetzen lässt, sondern bei all den vielen Millionen Gasheizungen in Deutschland auch kaum in einem absehbaren Zeitrahmen umsetzbar wäre.
Experten wie Verbraucherschützer ermahnen daher, keine Hoffnungen in den grünen Wasserstoff als Gasalternative zu setzen. Denn selbst, wenn die technischen Hürden auf wundersame Weise gemeistert würden, stünden Verbraucher noch immer vor einem entscheidenden Problem. „Die Diskussion über Gasheizungen, die ‚H2-ready‘ sein sollen, ist problematisch, weil es grünen Wasserstoff aktuell praktisch nicht gibt“, erklärt Thomas Engelke, Energieexperte der Verbraucherzentrale zu diesem Thema.
H2-ready ist keine zeitnahe Lösung
Besonders kritisch könnte die Hoffnung auf grünen Wasserstoff für Verbraucher ausfallen, die jetzt noch in neue Gasheizungen investieren in der Hoffnung, diese später mit dem Wasserstoff versorgen zu können. Klimafreundlich ist bislang nur der „grüne Wasserstoff“, den man rein durch regenerativen Strom gewinnt. Das umfasst allen Wasserstoff, der durch den Strom von Photovoltaik- oder Windkraftwerken produziert wird. Doch bereits jetzt ist die vorhandene Menge kaum ausreichend, um das Interesse an grünem Wasserstoff zu decken. Zwar entstehen in Wüstengebieten heute große PV-Anlagen, deren Strom sicherlich eines Tages auch in die Produktion von grünem Wasserstoff fließen wird – doch wann und wie viel diese bereitstellen, ist keineswegs absehbar. Zudem besteht das Risiko, dass die Abhängigkeit von Gasimporten eines Landes lediglich durch Gasimporte eines anderen ersetzt würde.
Das Heizen mit Wasserstoff ist ebenso wenig realistisch. Man benötigt rund fünfmal so viel Strom wie bei der Nutzung einer Wärmepumpe, um sein Haus ausreichend mit Wärmeenergie zu versorgen. Damit wäre auch das Heizen mit Wasserstoff fünfmal so teuer wie mit der Wärmepumpe. Im schlimmsten Fall könnten die Kosten für den grünen Wasserstoff sogar exorbitant steigen, wenn er als Heizmittel für Haushalte zum Einsatz kommt. Denn nach aktuellem Stand ist es nicht möglich, Stahlwerke sowie andere Industrien klimaneutral zu betreiben, ohne auf grünen Wasserstoff zu setzen.