Glasfaser in Deutschland: So sieht das Internet von Innen aus

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Ein Handynetz ist weit mehr, als nur eine Ansammlung von Sendemasten. Denn ohne Glasfasernetze leistet das beste Mobilfunknetz nichts. 1&1 setzt auf das Glasfaser-Netz seines Schwester-Unternehmens 1&1 Versatel. Wir konnten hinter die Kulissen schauen.
Mitarbeiter sitzen vor Mintoren in der Netzüberwachung von Versatel
1&1 Versatel Network Management CenterBildquelle: 1&1 Versatel

Die 1&1 Versatel hat eine bewegte Geschichte. Denn das Unternehmen ist im Laufe der Jahrzehnte aus einem regelrechten Sammelsurium an Stadtnetzen und bundesweit tätigen Unternehmen entstanden. Sei es die KomTel in Flensburg, die Berlikomm in Berlin, die VEW Telnet in Nordrhein-Westfalen, tesion in Baden-Württemberg oder die CompleTel mit einem bundesweiten Glasfasernetz. All diese Unternehmen sind mit ihren teils sehr engmaschigen Netzen seit 2014 Bestandteil der 1&1 Versatel und somit auch der United Internet.

Damit hatte Konzernchef Dommermuth eine der wichtigsten Grundlagen für sein von langer Hand vorbereitetes Mobilfunknetz. Immerhin kann man in 350 Städten Deutschlands auf ein eigenes Glasfasernetz zugreifen. Der Vorteil: Die eigenen Glasfaser-Leitungen können vergleichsweise schnell zu den Kunden oder den Sendemasten gelegt werden. Das über die Jahrzehnte zusammengekaufte Stückwerk an Netzen mache übrigens heute keine Schwierigkeiten mehr, versichert man bei Versatel. Die Netze, aktive Technik, Standards und Prozesse seien längst vereinheitlicht.

50.000 Kunden mit unzähligen Anschlüssen

Ein Kanalschacht mit dem Logo von 1&1 Versatel
Ein Kanalschacht mit dem Logo von 1&1 Versatel: Hier verlaufen die Glasfaser-Leitungen

Denn nachdem die 1&1 Versatel sich komplett aus dem Privatkundengeschäft zurückzog, konzentrierte sich das Unternehmen auf die Anbindung von Geschäftskunden mit direkten Glasfaser-Leitungen. 50.000 Kunden zählt man hier heute. Einer davon: 1&1 Mobilfunk. Für sie bindet die Versatel die Sendemasten mit Glasfaserleitungen an. Denn nur mit einer direkten Glasfaser-Leitung funktioniert das ORAN-Netz des vierten deutschen Netzbetreibers. Da die 1&1 Mobilfunk aber nur als ein Kunde zählt, der perspektivisch tausende Anschlüsse benötigt, ist die Anzahl an Anschlüssen im Versatel-Netz weitaus höher. Zu den Kunden des Netzes gehören laut Unternehmenswebseite beispielsweise Bahlsen, Borussia Dortmund, Bavaria Film, Sixt, NH Hotels und Cyberport. Auch hier wird oftmals mehr als nur ein Anschluss pro Kunde aktiviert.

Dass technisch alles so funktioniert, wie es soll, dafür sorgt man bei 1&1 Versatel am Standort Essen, einst Sitz der CompleTel. Zum 25-jährigen Geburtstag der 1&1 Versatel durften wir am Standort Essen einen Blick hinter die Kulissen wagen. Mit einer Auflage: Eigene Fotos zu machen war untersagt. Der Grund: Sicherheitsrelevante Informationen, beispielsweise vom Netz-Überwachungszentrum, dem Network Management Center (NMC). Hier sitzen an langen Tischreihen die Überwachungs-Mitarbeiter in einem Hochsicherheitstrakt im 2. Stock des Standorts.  Das NMC dient der zentralen Betriebsüberwachung des bundesweiten Netzes und der zugehörigen Komponenten. Bei unserem Rundgang durch den Standort Essen dürfen wir das NMC nicht betreten. Eine Milchglasscheibe trennt uns, die wir in einem Schleusenraum stehen, vom NMC. Per Knopfdruck wird das Milchglas transparent. Man könne so auch Kunden das NMC zeigen, heißt es. Sicherheit wird großgeschrieben. So hätten sich beispielsweise alle Mitarbeiter im NMC einer Sicherheitsprüfung unterziehen müssen.

Blick ins NMC von 1&1 Versatel
Blick ins NMC von 1&1 Versatel

Glasfaser-Störungen können auf wenige Meter erfasst werden

Die Expertinnen und Experten in Essen sind unter anderem für die Entwicklung, Netzplanung und Inbetriebnahme von Telekommunikationssystemen verantwortlich. Die Überwachung, der laufende Betrieb und die Instandsetzung der bundesweit verlegten Glasfasertrassen sowie der Telekommunikationssysteme gehören zu den Aufgaben im Network Management Center. Rund um die Uhr überwachen die Mitarbeiter das bundesweite Netz der 1&1 Versatel. Sollte eine Komponente im 65.000 Kilometer langen Netz ausfallen oder der berühmt-berüchtigte Bagger eine Glasfaser durchtrennen, bekommt man das in Essen sofort mit. Binnen fünf bis zehn Minuten können die Mitarbeiter nach Unternehmensangaben bis auf wenige Meter genau herausfinden, was das Problem ist. Sie können dann umgehend Maßnahmen einleiten, die das Problem beheben.

Der Kunde soll davon bestenfalls nichts merken, da sofort Redundanzen die Last der gestörten Leitung übernehmen. Nur die letzten Meter einer Glasfaserleitung bis ins Haus oder zum Sendemast sind mitunter nicht redundant ausgelegt. Übrigens. Das NMC gibt es in Essen zwei Mal. Sollte der Hauptstandort geräumt werden müssen, können die Mitarbeiter binnen kurzer Zeit ihren Posten im Ersatzstandort beziehen.

Ein weiteres wichtiges Element des Standortes in Essen ist das Security Operations Center (SOC), das Angriffe auf das Netz frühzeitig erkennt und abwehrt. Dieses dürfen wir ebenfalls nicht betreten. Mehr noch: nicht einmal die Lage erfahren wir. Mit Hilfe von Sicherheitstechnologien sorgen die Teams 24 Stunden und 365 Tage im Jahr, für den Schutz der kritischen Infrastruktur und von sensiblen Kundendaten. Das betrifft sowohl Attacken, die – wie auch immer geartet – im eigenen Netz durch Kunden oder andere Nutzer im Netz gestartet werden. Aber auch Attacken, die von außen auf das Netz einprasseln, werden hier erfasst und versucht, zu unterbinden. „Die Überwachung und Entstörung unseres Netzes ist eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe“, betont Ahmet Yayan, Geschäftsführer für Kundenmanagement und Technischen Service bei 1&1 Versatel.

Testlabor als Abbild des eigenen Netzes

Blick in das Testlabor von 1&1 Versatel. Zu sehen sind Server-Racks
Sieht aus wie ein Rechenzentrum, ist aber ein Testlabor, das das Glasfaser-Netz von 1&1 Versatel nachstellt

Ergänzt wird der technische Schwerpunkt des Standorts durch ein Testlabor, in dem die Techniker alle neuen Netzkomponenten vor ihrem Einsatz auf Herz und Nieren prüfen. Im Prinzip sei hier das komplette Netz ein zweites Mal nachgebaut. Der Unterschied: Änderungen, die man hier vornimmt, haben keine Auswirkungen auf die Kunden. Bevor man sich also beispielsweise entscheidet, einen Sendemast der 1&1 Mobilfunk über eine 40 Kilometer lange Glasfasertrasse anzubinden, weil es anders keine Möglichkeit gibt, testet man es hier. Auch Softwareupdates für Komponenten im eigenen Netz spielen die Techniker erst hier auf und testen sie, bevor sie im tatsächlichen Glasfasernetz zum Einsatz kommen. Aktuell finden sich hier auch zahlreiche FritzBoxen, deren Kompatibilität mit dem GPON-Standard im Versatel-Netz getestet wird. GPON will der Konzern einsetzen, um auch Privatkunden besser anbinden zu können. So könnte künftig ein Haus, auf dem ein 1&1-Sendemast steht, auch Glasfaseranschlüsse über 1&1 erhalten. Doch das ist noch Zukunftsmusik.

Bildquellen

  • Blick ins NMC von 1&1 Versatel: Versatel
  • Sieht aus wie ein Rechenzentrum, ist aber ein Testlabor, das das Glasfaser-Netz von 1&1 Versatel nachstellt: 1&1 Versatel
  • 1&1 Versatel Network Management Center: 1&1 Versatel

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