Dynamische Stromtarife: Wie viel sparst du wirklich?

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Ab 2025 müssen alle Stromnetzanbieter in Deutschland dynamische Stromtarife anbieten. Einige preschen schon jetzt vor und werben damit, günstiger zu sein, als reguläre Stromanbieter mit Fixpreis. Aber stimmt das wirklich?
Ein E-Auto an einer Ladebuchse, zusammen mit einem Smartphone

Das E-Auto dann laden, wenn der Strom günstig ist

Zunächst einmal ist zu klären, was ein dynamischer Stromtarif eigentlich ist. Im Gegensatz zu den Tarifen, die man bisher kannte, haben dynamische Stromtarife keinen Fixpreis. Während du bei deinem Grundversorger etwa einen Kilowattstundenpreis von 38 Cent hast und er dir jede Änderung mit mehreren Wochen Vorlauf ankündigen muss, haben dynamische Stromtarife laufend schwankende Preise. Sie richten sich nach Angebot und Nachfrage und somit nach der Strompreisbörse. Eine Garantie über einen bestimmten Preis gibt es nicht und wie an der Aktienbörse gilt: Es gibt eine Chance auf günstigen Strom, aber auch das Risiko, teuren Strom zu bekommen.

Dynamischer Stromtarif: In der Regel stündlich wechselnde Tarife

Wie oft der Stromtarif bei einem dynamischen Stromtarif wechselt, ist abhängig von deinem Anbieter und der Technik, die du nutzt. So rechnet etwa der wohl bekannteste dynamische Stromanbieter Tibber im Stundentakt ab, was auch die Regel ist. Du hast also pro Tag 24 verschiedene Tarife, die jeweils am Vortag um 13 Uhr feststehen. Das allerdings gilt nur, wenn du einen Smart Meter oder die Tibber-Übergangslösung Tibber Pulse nutzt, die es nur für digitale Stromzähler gibt. Hast du einen klassischen Drehstromzähler, bist du hier außen vor. Dann bekommst du bei Tibber den monatlichen Durchschnittspreis. Dann musst du jeden Monat deinen Stromzähler ablesen, damit Tibber dir eine Rechnung schreiben kann. Der eigentlichen Idee eines dynamischen Stromtarifes entspricht das aber nicht. Smart Meter (iMSys) sind künftig auch in der Lage, alle 15 Minuten einen Zählerstand zu melden. Dann ist auch eine entsprechende Abrechnung denkbar.

Strom dann nutzen, wenn er günstig ist

Die Idee dahinter ist so klar wie schwer in der Umsetzung: Immer dann, wenn Strom günstig ist, sollst du ihn verstärkt nutzen, um vom günstigen Strom zu profitieren; zum Beispiel, um das E-Auto zu laden. Ist er teuer, solltest du den Stromverbrauch minimieren. Doch in der Praxis ist das für viele normale Haushalte schwer umzusetzen. Einerseits musst du stets nachschauen, wann der Strom günstig und wann er teuer ist. Und dann musst du Waschmaschine und Spülmaschine meist nachts oder tagsüber, wenn du nicht zu Hause bist, laufen lassen. Hier ist der Strom meistens günstig. Kochen und Backen am Abend kann hingegen teuer werden, vorwiegend ist die Strompreisspitze zwischen 17 und 20 Uhr erreicht.

Dennoch: Wenn du beispielsweise mit einem Smart Home und einigen Apps deinen Stromverbrauch geschickt steuerst, kannst du den vermeintlich kostenlosen Strom nutzen. Denn gerade, wenn es stürmisch ist, sinken die Strompreise auf 0 Cent und darunter. Allerdings ist der Strom nur auf den ersten Blick wirklich kostenlos: Netzentgelte und Steuern fallen trotzdem an. Das heißt in Berlin beispielsweise, dass etwa 20 Cent pro Kilowattstunde für diese Leistungen fällig werden. Erst, wenn der Kilowattstundenpreis an der Börse bei minus 20 Cent läge, wäre der Strom für dich wirklich kostenlos.

Strompreis-Experte: „Nicht nur auf den Kilowattstundenpreis schauen“

„Es reicht aber nicht, nur auf den reinen Kilowattstundenpreis zu schauen“, sagt uns Daniel Engelbarts vom Strom- und Gaswechselservice remind.me im Gespräch mit unserer Redaktion. „Wer zu einem klassischen Stromanbieter wechselt, bekommt in aller Regel Neukundenboni und Treueboni. Das sind oftmals mehrere hundert Euro pro Wechsel.“ Diese Gutschriften müsse man in einen Vergleich einbeziehen. „Außerdem muss man eine Langzeitbetrachtung bei den dynamischen Stromtarifen machen. Im Sommer, wenn es sonnig ist und im Winter bei Stürmen ist der Strom tatsächlich oft sehr günstig. Gibt es aber wie vor Kurzem eine sogenannte Dunkelflaute, kann der Kilowattstundenpreis auch auf 1 Euro und mehr steigen“, so der Stromexperte. Selbst wenn man es schaffe, die günstigen Zeiten gezielt auszunutzen, hat Engelbarts Bedenken, dass sich das langfristig lohnt. „Die Wäsche will gewaschen werden und auch das E-Auto muss geladen werden, auch wenn der Börsenstrompreis mal mehrere Tage hoch ist“, so Engelbarts. Wenige Tage hohe Strompreise könnten so die mühsame Ersparnis vieler Wochen vernichten. Mit dem E-Auto hätte man aber zumindest noch die Möglichkeit, alternativ auch eine öffentliche Ladesäule zu nutzen.

Nachgerechnet: Sind dynamische Stromtarife günstiger als Fixpreise?

Doch wer gewinnt nun beim direkten Vergleich? Wir ziehen einen Vergleich für einen Berliner Haushalt mit 1.000 Kilowattstunden, 2.500 Kilowattstunden und 4.000 Kilowattstunden. Dabei können wir allerdings bei Tibber (exemplarisch für alle dynamischen Anbieter) nur in die Vergangenheit blicken, bei Fixpreisen nur in die Gegenwart. Zudem ist es unmöglich, die stündlich wechselnden Tarife abzubilden, da sich schließlich in jedem Haushalt auch die Last über den Tag anders verteilt. Daher ziehen wir zum Vergleich den Tibber angegebenen Durchschnittspreis des vergangenen Jahres heran. Er lag bei 30 Cent. Hinzu kommen 5,99 Euro Grundkosten. Beim Vergleichsanbieter haben wir einen Ökostrom-Anbieter herangezogen, der eine Preisgarantie bietet. Verzichtet man darauf, könnte der Preis sinken.

1.000 kWh-Haushalt

Ein Single-Haushalt mit 1.000 Kilowattstunden zahlt beim Durchschnittspreis von 30 Cent bei Tibber also 371,88 Euro. Schließt du indes heute einen Stromtarif ab, zahlst du (mit Öko-Strom und einem Jahr Preisgarantie) im Fall des Single-Haushaltes bei EWE 36,32 Cent und 9,64 Euro Grundkosten. Die Kosten hier: 478,88 Euro – deutlich mehr als bei einem dynamischen Tarif. Allerdings bekommst du auch Boni über 181 Euro. Damit zahlst du unterm Strich am Ende des Jahres nur 297,88 Euro und damit bedeutend weniger als bei Tibber oder anderen dynamischen Stromanbietern. Um diesen Preis mit dynamischen Stromtarifen zu unterbieten, müsste der durchschnittliche Kilowattstundenpreis nach Abzug der Grundkosten bei 22,6 Cent liegen, der Börsenstrompreis also bei 2,6 Cent. Wichtig aber: Im zweiten Vertragsjahr fallen die Boni bei EWE weg, um also weiterhin günstigen Strom zu bekommen ist ein erneuter Anbieterwechsel notwendig.

1.000 kWh, Berlin, Anfang NovemberTibber EWE
Kilowattstundenpreis30 Cent (Jahresdurchschnitt 2024)36,32 Cent
Grundgebühr5,99 Euro9,64 Euro
Verbrauchskosten nach einem Jahr371,88 Euro478,88 Euro
Neukunden-Boni181 Euro
effektive Kosten nach einem Jahr371,88 Euro297,88 Euro
Differenz74 Euro

2.500 kWh-Haushalt

Ein Haushalt mit 2.500 Kilowattstunden würde beim dynamischen Stromanbieter im Jahr 821,88 Euro zahlen. Die Berliner Vattenfall ruft einen Kilowattstundenpreis von 34,2 Cent und Grundkosten von 10,90 Euro auf. Das sind im Jahr stolze 985,80 Euro. Gleichzeitig gibt es Boni von 298 Euro, so dann am Jahresende eine Stromrechnung von 687,80 Euro bleibt. Der dynamische Strompreis müsste um Schnitt unter 24,64 Cent liegen, um das zu schlagen.

4.000 kWh, Berlin, Anfang NovemberTibber Vattenfall
Kilowattstundenpreis30 Cent (Jahresdurchschnitt 2024)34,2 Cent
Grundgebühr5,99 Euro10,90 Euro
Verbrauchskosten nach einem Jahr821,88 Euro985,80 Euro
Neukunden-Boni298 Euro
effektive Kosten nach einem Jahr821,88 Euro687,80 Euro
Differenz134,38 Euro

4.000 kWh-Haushalt

Bei 4.000 Kilowattstunden ist der gleiche Vattenfall-Tarif der Preissieger. Für den Strom samt Grundgebühr zahlst du 1.498,80 Euro abzüglich 350 Euro Bonus. 1148,80 Euro bleiben am Ende übrig. Beim dynamischen Anbieter wären es beim Durchschnittspreis 1271,98 Euro gewesen. Hier ließe sich vermutlich noch am ehesten mit einem geschickten Aussteuern des Verbrauchs etwas sparen.

4.000 kWh, Berlin, Anfang NovemberTibber Vattenfall
Kilowattstundenpreis30 Cent (Jahresdurchschnitt 2024)34,2 Cent
Grundgebühr5,99 Euro10,90 Euro
Verbrauchskosten nach einem Jahr1271,98 Euro1498,80 Euro
Neukunden-Boni350 Euro
effektive Kosten nach einem Jahr1271,98 Euro1148,80 Euro
Differenz123,18 Euro

Fazit: Wer regelmäßig wechselt, spart

Die Preisvergleiche zeigen eines: Auch wenn die Strompreise mit Fixpreis auf den ersten Blick teurer scheinen, sind sie günstiger, solange du regelmäßig den Anbieter wechselst. Das aber ist in der Regel mit jährlichem Aufwand verbunden, um bei Diensten wie Verivox die passenden Anbieter zu finden.

Solltest du dir unsicher sein oder Angst haben, an eines der Schwarzen Schafe der Branche zu gelangen, empfehlen wir dir unseren Partner remind.me. Hier kümmern sich Experten um deinen Vertrag für Strom & Gas und sorgen dafür, dass du stets in einem günstigen Tarif bist. Dort überwacht man auch die Vertragsbeziehung und reagiert, sollte ein Anbieter seine Strompreise oder Gaspreise erhöhen. Zudem hat remind.me nach eigenen Angaben Zugriff auf Tarife, die du bei den öffentlichen Vergleichsseiten nicht bekommst. Denn wichtig ist, dass du bei einem Wechsel zu einem alternativen Anbieter einen seriösen Stromanbieter beziehungsweise Gasanbieter findest.

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