Betrachtet man die Entwicklung des Strompreises in den vergangenen Jahren, ist die Prognose keineswegs erfreulich. Seit 2010 haben sich die Strompreise in Deutschland verdoppelt. Die Transformation des Stromnetzes in den vergangenen 15 Jahren mag einige Vorteile gebracht haben, wie einen höheren Anteil an erneuerbaren und günstigeren Energien. Allerdings muss der restliche Strom in Deutschland teilweise so teuer produziert werden, dass diese Ersparnisse sich gleichsam in Luft aufzulösen scheinen. Insbesondere, wenn auch noch fleißig Kosten für den Ausbau der Stromnetze und Erzeugungsanlagen in Form von Netzentgelten an Kunden weiterfließen. Eine Untersuchung warnt nun vor möglichen Mehrkosten von stolzen 320 Milliarden Euro.
Strompreis könnte in den nächsten Jahren weiterhin stark ansteigen
Wie Berechnungen der Boston Consultung Group (BCG) nahelegen, könnte die Energiewende bei aktueller Planung 320 Milliarden Euro zu teuer werden. Der größte Posten, den die Berater dabei sehen, ist die derzeitige Nachfrageprognose. Allein durch eine Anpassung dieser Prognose gäbe es laut Agentur ein Einsparpotenzial von 215 Milliarden Euro – also mehr als zwei Drittel der befürchteten Mehrkosten. Das Problem sieht das Unternehmen vor allem darin, dass Deutschland zu viele Erneuerbare Energien plant. Weitaus mehr als tatsächlich bis 2035 realistisch nötig wären. Diese Erzeugungsanlagen benötigen dabei einen größeren Netzausbau, der daher droht, den Preis weiterhin in die Höhe zu treiben.
Wenig überraschend präsentiert sich ein weiteres hohes Einsparpotenzial, das die BCG identifiziert hat: die Flexibilisierung des Strommarktes. Allein durch dynamische Stromtarife sowie die flexible Anpassung von Geräten mit hohem Stromverbrauch wie Wärmepumpen und E-Autos könnte viel Geld eingespart werden. Laut Schätzung der Experten schlummern hier bis zu 50 Milliarden Euro, die die Energiewende einsparen könnte. Ebenso ein Potenzial von bis zu 50 Milliarden Euro Einsparungen sieht die Agentur im Zubau von Kraftwerken mit einer fest planbaren Leistung. Dazu zählen unter anderem neue Gaskraftwerke, die im Gegensatz zu den Fluktuationen in den erneuerbaren Energien stetig die gewünschte Leistung liefern könnten.
Ähnlich wie weitere Studien im Vorfeld mahnt die BCG auch davor, zu früh auf grünen Wasserstoff zu setzen. Dieser dürfte sich als teure Investition erweisen, da man ihn kurzfristig gar nicht günstig erzeugen kann. Dabei sind zurzeit allein 24 Milliarden Euro nur für den Ausbau eines Wasserstoffkernnetzes in Deutschland vorgesehen. Sie werden zwar von der KfW bereitgestellt, müssen langfristig aber über Netzentgelte zurückgezahlt werden. Ganz zu schweigen von Plänen, einen riesigen südlichen Wasserstoffkorridor gemeinsam mit anderen europäischen und afrikanischen Ländern zu errichten.
Atomausstieg hat Strompreise in Höhe schießen lassen
Dabei analysierten die Berater auch die Rolle, die die Atomkraft in Deutschland bei der Veränderung von Strompreisen spielte. Aus ihrer Sicht hat der Ausstieg aus der Kernenergie ab 2011 dazu geführt, dass die Stromkosten stark gestiegen sind. „Die deutsche Kernkraftflotte war bereits weitgehend abgeschrieben und hat deshalb vergleichsweise günstigen Baseloadstrom produziert, der nur durch eine teurere Alternative ersetzt werden konnte“, so die Studie. Allerdings sollte dabei nicht vernachlässigt werden, dass ein Weiterbetrieb einiger der AKW mit entsprechenden Sanierungskosten verbunden gewesen wäre. Dementsprechend wäre der Atomstrom bei einem Weiterbetrieb einiger Kraftwerke allein durch die weitergegebenen Sanierungskosten dennoch teurer geworden. Die Studie weist zudem darauf hin, dass auch mit dem Weiterbetrieb der Kernkraft dennoch ein Ausbau der erneuerbaren Energien notwendig gewesen wäre.
Allerdings wäre er langsamer erfolgt als in den vergangenen 15 Jahren, sodass auch die entsprechenden Kosten geringer ausgefallen wären. Die Berater schließen jedoch einen Wiedereinstieg in die Atomkraft aus. Verglichen mit anderen Neubauprojekten in Europa würde ein neues Kernkraftwerk in Deutschland keinen Mehrwert bieten, im Gegenteil. Der produzierte Strom wäre sogar 50 Prozent teurer als aktuelle Börsenstrompreise. Ganz abgesehen davon, dass der neue Bau so lange andauern würde, dass bis dahin kein Bedarf mehr für den Bandlaststrom aus Sicht der Experten bestünde. Eine Wiederaufnahme bestehender Kraftwerke wäre jedoch potenziell denkbar. Wenn auch hier mahnende Worte Erwähnung in der Studie finden. „Ein Wiederanfahren der zuletzt stillgelegten Kraftwerke wäre sehr wahrscheinlich günstiger, hat aber sehr unsichere Realisierungschancen“, so die BCG.